Es ist ein seltsam bedrückendes Gefühl. Ich sitze im Homeoffice, und das zu einer Uhrzeit, in der ich eigentlich beim AERO-Branchengespräch mit Entscheidern der Allgemeinen Luftfahrt zusammen Rede und Antwort stehen müsste.
Etwa ein Drittel der Kollegen haben wir in Kurzarbeit geschickt. Auf der anderen Seite haben wir mit den Absagen auch noch genug zu tun gehabt. Wir haben sechs Messen verloren und hoffen, dass wir mit der Eurobike im September wieder ein stückweit ins normale Alltagsgeschäft zurückkehren können. Und in meinem Bereich konkret liegen die Hoffnungen natürlich auf der neuen Drehflügler-Messe European Rotors, die vom 10. bis 12. November in Köln stattfinden soll. Aber wie sich die Situation entwickelt, kann ja niemand genau voraussagen.
Ich denke, die Absage kam genau zur richtigen Zeit. Wir wollten ja nicht vorschnell sein und ein Event absagen, in das wir und unsere Kunden bereits viel Arbeit und erhebliche finanzielle Mittel gesteckt hatten. Deshalb zunächst die Verschiebung. Mit der weiteren Entwicklung der Krise gab es aber keine anderen Optionen mehr als die Absage. Anfangs waren einige Aussteller tatsächlich frustriert und zeigten zum Teil auch Unverständnis, aber je bedrohlicher die Situation wurde, desto mehr Verständnis wurde uns entgegengebracht.
Aus den Gesprächen wissen wir, dass es da schon eine gewisse Angst gibt, dass es sich die Krise deutlich auf die Allgemeine Luftfahrt auswirkt. Es wird nicht geflogen, weniger konsumiert, und das bereitet den Unternehmen Sorgen. Andererseits denke ich, dass die GA auch viel schneller wieder loslegen kann, wenn das alles vorbei ist, von daher sollte man vielleicht nicht ganz so schwarz sehen. Und gerade die Business Aviation hat ja erstmal richtig zu tun gehabt, um Leute zurück zu holen, die nicht mehr Linie fliegen konnten. Die zentrale Frage ist, wie lange sich die Krise auswirkt. Und ob es nach der Krise Nachholbedarf gibt, oder ob es alle ruhig und vorsichtig angehen lassen.
Das ist tatsächlich ein riesiges Problem. Man geht davon aus, dass man den Umsatz der Messe mal acht nehmen muss und dann auf den Betrag kommt, der mittelbar an der Messe hängt. Zunächst sind es natürlich die Messebauer und anderen Gewerke wie Caterer, denen der Umsatz wegbricht. Dann kommen die Hotels in der Region, denen aktuell alle drei Standbeine – die Messen, der Reiseverkehr der großen Unternehmen der Region und der Tourismus – fehlen. Und es geht weiter über alle, die deutschland- bzw. weltweit dran hängen wie Werbeagenturen, Dienstleister etc. Mit den Messen, die allein bei uns ausfallen, fehlen der Messegesellschaft 30 Millionen Euro Umsatz. Also kann man von etwa 240 Millionen Euro Schaden insgesamt ausgehen.
Wir haben jetzt 70 Jahre Messe am Bodensee, und noch nie ist so etwas passiert. Es hat bisher schlicht keiner für möglich gehalten, dass so viele Messen ausfallen könnten. Mit den wirtschaftlichen Einbußen muss die Messegesellschaft klar kommen.
Tatsächlich machen wir das und bringen gerade unsere Infrastruktur auf Vordermann. Das ist natürlich einfacher, wenn die Hallen leer sind, aber Hallen voller Flugzeuge wären uns deutlich lieber! Weiterhin haben wir großen Unternehmen aus der Region wie Liebherr Aerospace Lagerkapazitäten angeboten für den Fall, dass sie fertig produzierte Teile irgendwo unterbringen wollen. Weiterhin haben einige Autohäuser, die aktuell keine Fahrzeuge unterbringen können, diese bei uns abgestellt. Und schließlich haben wir auch dem Bodensee Airport bescheid gegeben, dass wir helfen können, wenn dort Abstell- oder Hangarflächen knapp werden.
Tatsächlich, eine Halle ist mit Betten als eine Art Quarantänestation eingerichtet. Allerdings ist das aktuell nur eine Reserve, falls sich die Situation verschlimmern sollte.
Aktuell sitze ich hier am 1. April bei bestem Wetter und frage mich, ob das alles wahr ist. Wäre wenigstens das Wetter noch passend schlecht, würde einen das vielleicht ein bisschen trösten, denn viele Leute hatten Bedenken, ob so früh im April überhaupt gutes Flugwetter herrschen würde, sodass zahlreiche Besucher würden anfliegen können. Aber wir sehen, es wäre gegangen. In jedem Fall trifft die Situation gerade alle, und das Positive ist vielleicht, dass sich gerade an vielen Stellen Solidarität zeigt. Es wird in Zukunft sicher an einigen Stellen nachjustiert werden, und das muss ja nicht schlecht sein. Wir sitzen alle in einem Boot, und werden das zusammen packen. Wir sehen uns 2021 im April am Bodensee!