Messe-Interview: "Es gibt immer Premieren!"

Interview
Premieren gibt es immer

Veröffentlicht am 22.04.2020
Premieren gibt es immer
Foto: Lars Reinhold
Seit Jahren meldet die AERO Ausstellerrekorde, im vergangenen Jahr waren es am Ende mehr als 730. Wie sieht es in diesem Jahr aus?

Roland Bosch: Wir sind bereits jetzt, also acht Wochen vor der Messe, bei knapp unter 700 Ausstellern. Wir gehen davon aus, dass wir die 700 knacken, und damit sind wir durchaus zufrieden.

Die Anzahl der Hersteller von Flug­ge­räten dürfte kaum jährlich steigen. Welche Unternehmen sind es, die sich erstmals auf der AERO präsentieren und so für den Zuwachs sorgen?

Tobias Bretzel: Der kommt ganz klar durch Zubehörhersteller und Zulieferer. Letztere haben den Wandel der AERO von der reinen B2C-Messe hin zum B2B-Branchentreffpunkt über die Jahre verfolgt und kommen vor allem, um mit den Herstellern in Kontakt zu treten. Und im Bereich Zubehör hat sich einfach eine Menge getan, sodass wir hier stetig neue Kunden verzeichnen.

Die AERO wird immer internationaler, aus 38 Ländern kommen in diesem Jahr die Aussteller. Auf der Website weist die AERO explizit darauf hin, dass auch Fluggeräte von russischen Herstellern zu sehen sind. Ist diese Ost-Erweiterung Neuland?

Bretzel: Der Osten ist im Bereich Ultraleicht schon seit vielen Jahren stark vertreten, die Hersteller kommen aus Tschechien, der Slowakei und beispielsweise der Ukraine. Russland ist mal was Neues.

Bosch: Russland ist ein interessanter Markt, aber der Zugang ist durch die Sanktionen schwer. Auf der MAKS haben wir gute Gespräche mit Firmen geführt, die gerne hier ausgestellt hätten. Das war aber aktuell aufgrund der politischen Lage nicht drin.

In den beiden Vorjahren war mit Textron, der Mutter von Cessna, Beechcraft und Bell sowie Lycoming, ein großer Player der General Aviation nicht dabei. Haben sich die Amerikaner endgültig von der AERO verabschiedet?

Bosch: Textron hat uns in den Vorjahren zu verstehen gegeben, dass es nicht an uns lag, sondern interne Gründe hatte, warum sie nicht da waren. Umso mehr freut es uns, dass wir sie 2020 wieder an Bord haben.

Bretzel: In Halle A3 ist Textron am Stand seiner Tochter Lycoming präsent, und im Static Display hat der Konzern auch einen Platz reserviert und zeigt eine Beechcraft Bonanza. Schließlich stellt Bell, die Helikoptermarke von Textron, in der Halle B5 aus.

Hat es aus eurer Sicht Auswirkungen auf die Reputation der AERO in Nordamerika, wenn Hersteller wie Textron sagen, da stellen wir aus?

Bretzel: Textron ist natürlich wichtig. Aber durch das beständige Bewerben der AERO auf Messen in den USA haben wir auch dort ein ziemlich gutes Standing. Die Luftfahrtmessen der GA in Nordamerika wie beispielsweise Sun ’n Fun oder die DeLand Sports Aviation Showcase sind entweder kleiner oder haben mehr Event- und weniger Business-Charakter als die AERO. Das ist also nur bedingt vergleichbar.

Das Interesse am Elektroflug steigt stetig. Dieses Jahr gibt es erstmalig die Lindbergh e-flight-Rallye zur AERO. Wird damit der zunehmende Stellenwert weiter unterstrichen?

Bosch: So ist es. Mit der e-flight-Rallye knüpfen wir ein bisschen an die UL-Rallyes an, die ich vor 30 Jahren mitorganisiert habe. Damals haben wir diese Events gemacht, damit die noch junge Ultraleicht-Szene zeigen konnte, was die Fluggeräte draufhaben und dass es da Zukunftspotenzial gibt. Diese Chance wollen wir jetzt den Elektrofliegern geben.

Wie werden die Rallye und ihr Ergebnis in das Messegeschehen integriert?

Bosch: Die Flugzeuge starten am Montag von Friedrichshafen aus auf eine Rundtour am Bodensee entlang. Am Dienstag werden sie zum Presserundgang wieder in Friedrichshafen sein. Über die vier Messetage sind sie dann in einer Art "Parc fermé" ausgestellt. Und am Donnerstag gibt es im Foyer Ost eine Preisverleihung, bei der die Flugzeuge, die für die Strecke die wenigste Energie gebraucht haben, ausgezeichnet werden. Das Regularium haben wir bewusst einfach gehalten. Wir sehen diese erste Auflage als Testballon und schauen, ob man die Idee künftig weiterentwickeln kann.

Im Elektroflug sind vor allem kleinere Firmen aktiv, die Platzhirsche scheuen sich noch immer, da einzusteigen. Wie nehmt ihr das wahr?

Bosch: Mit Tecnam und Comco Ikarus sind ja schon etablierte Firmen dabei, und auch Rolls-Royce hat mit der Übernahme der E-Aircraft-Sparte von Siemens gezeigt, dass sie am Thema dran sind. Der Elektroflug kann für die Luftfahrt meiner Meinung nach eine Chance sein, in der Diskussion um Nachhaltigkeit und Umweltschutz ein Statement zu setzen. Und seien wir mal ehrlich: An einem Flugplatz in unmittelbarer Stadtnähe kann ein Schulflugzeug mit E-Antrieb durchaus die Akzeptanz von Platzrunden steigern. Andererseits hat auch der bewährte Rotax oder Lycoming im Flugzeug seine Berechtigung, vor allem wenn es darum geht, mit einem zuverlässigen Antrieb weite Strecken zurückzulegen. In jedem Fall ist der Elektroflug alles andere als ein kurzer Hype, das beweist nicht zuletzt die Tatsache, dass unsere Sonderschau e-flight-expo dieses Jahr in die elfte Auflage geht.

Die Urban Air Mobility ist ebenso ein Feld, in dem sich immer mehr Akteure tummeln, vielfach mit elek-trischen Antriebskonzepten. Bisher sind diese Projekte auf der AERO weniger vertreten. Ist das von der klassischen manntragenden Luftfahrt zu weit weg?

Bretzel: Das Thema Flugtaxis wird stark aus dem Bereich Automobil heraus vorange­trieben. Die großen Player sind da fast alle irgendwo in einem Startup engagiert. Daher werden die Fluggeräte auch eher auf Messen gezeigt, die sich mit den Themen Urban Mobility und Transport beschäftigen. Mit Volocopter und beispielsweise Autoflight X waren allerdings auch schon Vertreter aus diesem Segment dabei.

Die aerokurier-Berichterstattung zu Lilium zeigt auf, dass in diesem Segment mitunter viel schöner Schein beworben wird. Haben diese Unternehmen vielleicht auch Angst davor, sich dem kritischen AERO-Publikum zu stellen?

Bretzel: Wenn man als Unternehmen eine Marketingansage macht, muss man früher oder später auch liefern. Gerade die Messebesucher der AERO sind überwiegend Piloten und Aktive in der Luftfahrt und dementsprechend kritisch. Da werden Fluggeräte sehr genau beäugt, und das ist vielleicht manchem Hersteller dieser Fluggeräte zu heiß. Allerdings sind wir guter Hoffnung, dass die Firmen, die hier aktiv sind, sich künftig bei der neuen Drehflügler-Messe European Rotors, bei der auch wir in die Organisation involviert sind, zeigen.

Stichwort "European Rotors": Die Halle B5 ist in den vergangenen Jahren konsequent zu einer Basis für die Hubschrauberbranche entwickelt worden. Jetzt zeichnet sich mit der neuen Messe im Herbst eine Art Konkurrenzveranstaltung ab. Kannibalisiert sich die AERO damit nicht selbst?

Bosch: Nein, da beide Messen einen unterschiedlichen Ansatz haben. Auf der AERO stellen die Helikopter-Operatorfirmen aus und präsentieren sich, ihre Fluggeräte und ihr Leistungsportfolio. Die Messebesucher sind hier eher Kunden, die die Dienstleis­tungen in Anspruch nehmen. Dass da auch der ein oder andere Hersteller präsent ist, ist klar, denn hier zeigt sich die Helikopter­szene als Teil der Allgemeinen Luftfahrt. Die European Rotors hingegen soll eine Messe für den Kontakt zwischen Helikopter- und Zubehörherstellern auf Ausstellerseite und den Operatoren als Besucher sein. So eine Veranstaltung gibt es seit dem Ende der HeliTec in England in Europa nicht mehr.

Bretzel: Bei der European Rotors ist die EASA als strategischer Partner an Bord, und hier wird auch das Thema Drohnen eine wichtige Rolle spielen.

Unbemannte Luftfahrtsysteme haben auf der AERO mit der AERODrones auch ein Podium. Was tut sich hier?

Bretzel: Die Relevanz des Themas steigt weiter. Auch in diesem Jahr ist Halle A2 dafür reserviert, allerdings werden zwei Drittel davon öffentlich zugänglich sein, sodass die Drohnenanbieter allen Interessierten ihr Portfolio zeigen können. Ein Teil der Halle bleibt aber wieder den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben vorbehalten.

Im vergangenen Jahr habt ihr euch bezüglich der Business Aviation kämpferisch gezeigt und angekündigt, hier die Genfer EBACE verstärkt anzugreifen. Was ist da passiert?

Bretzel: Diesen Anspruch unterstreichen wir weiter. So wird beispielsweise die Konferenz für die Geschäftsfliegerei mit Vorträgen und Diskussionen erneut stattfinden.

Bosch: Das Feedback der Hersteller zur AERO ist positiv, vor allem, weil hier alles viel günstiger ist als in der Schweiz. Allerdings sind wir hier ein wenig Opfer der äußeren Umstände. Ein Beispiel: Der Käufer eines Privatjets residiert gemeinhin gerne in klassischen Fünfsterne­hotels, die hiesigen Top-Häuser sind aber trotz ihrer Klasse nur mit vier Sternen bewertet und eher individuell. Und dem Reichen ist es egal, was das Zimmer kostet. Ein Aussteller hingegen muss für horrendes Geld seine ganze Crew für die Zeit der Messe unterbringen. Schließlich findet Business Aviation viel im Hintergrund statt. Selbst wenn große Hersteller hier keine Flugzeuge zeigen, sind ihre Vertreter doch auf der Messe unterwegs, beispielsweise um Deals mit Zulieferern wie den Avionikherstellern abzuschließen.

Neu ist die BizAv Re-Sale Area. Was hat es damit auf sich?

Bosch: Das ist ein Versuch, um zu testen, ob die AERO auch als Plattform für den Verkauf von Gebrauchtflugzeugen taugt. Wir haben einfach mal eine Fläche reserviert und schauen, ob das angenommen wird.

Welches Highlight sollten sich Messebesucher aus eurer Sicht keinesfalls entgehen lassen?

Bosch: Highlights vorab zu nennen wird auch für uns immer schwieriger, weil sich die Aussteller selbst uns gegenüber bedeckt halten, was sie Neues mitbringen. Es wird garantiert wieder Premieren geben, deswegen lohnt es sich immer, zur AERO zu kommen.