Große Namen verbindet man mit dem nördlichen Bodenseeraum: Einst waren es die Luftfahrtpioniere Zeppelin und Dornier, heute gehören Airbus Defence and Space, Liebherr-Aerospace, Diehl Aerospace und viele andere zu den hier ansässigen Luft- und Raumfahrtunternehmen. Spitzentechnologie produzierte die Branche damals wie in der Gegenwart. Doch die großen Namen allein spiegeln nicht die ganze Bedeutung der Luft- und Raumfahrtbranche für die Region wider.
Insgesamt sind rund um den Bodensee mehr als 100 Firmen in diesem Bereich tätig. Hersteller, Entwicklungsbetriebe und andere Dienstleister beschäftigen über 8000 überwiegend hochqualifizierte Mitarbeiter. Die Branche sorgt damit für ordentlich Kaufkraft in der Region. So gilt der Bodenseeraum als eine von fünf Schwerpunktregionen der Luft- und Raumfahrt in Deutschland. Die anderen sind Hamburg, Bremen, Oberbayern und Teile von Hessen.
Zu den wichtigsten Unternehmen am Bodensee gehört ganz sicher Airbus Defence and Space. Von ihren weltweit etwa 38 000 Mitarbeitern beschäftigt die Verteidigungs- und Raumfahrtsparte des Airbus-Konzerns in Friedrichshafen über 2200. Die Entwicklung von Satelliten, Instrumenten und Komponenten für die Erdbeobachtung, Meteorologie und Weltraumerkundung ist ihr Geschäft. Überwiegend für den Verteidigungsbereich kommen unter anderem Führungs-, Aufklärungs- und Überwachungssysteme, Avionik, unbemannte Flugsysteme (UAS) und Zieldarstellungsdrohnen aus Friedrichshafen/Immenstaad.

Darüber hinaus ist Airbus eng mit Liebherr-Aerospace aus Lindenberg verbunden. Bis heute als Familienunternehmen geführt, agiert Liebherr-Aerospace weltweit als einer der großen Zulieferer und Entwicklungsbetriebe in der Luftfahrtindustrie. Ob es sich um Fahrwerke handelt, Flugsteuerungssysteme oder Steuerungsantriebe und mehr: Liebherr-Produkte finden sich in Business Jets genauso wie in Verkehrsflugzeugen, bis hin zu A380-Fahrwerken. Unter anderem wurde in Lindenberg auch die erste voll elektronische Fly-by-wire-Steuerung des militärischen Hubschraubers NH90 entwickelt. Gut 2500 Mitarbeiter beschäftigt die Hightech-Schmiede aus Oberschwaben.

Im Konzert der Zulieferer für die zivile und militärische Luftfahrt aus dem Bodenseeraum spielt auch Diehl Aerospace in Überlingen eine wichtige Rolle. Das Gemeinschaftsunternehmen von Diehl und dem französischen Thales-Konzern beschäftigt sich mit Cockpit-Avioniksystemen ebenso wie mit Triebwerksregelungen, Hochauftriebs- und Sicherheitssystemen oder Beleuchtungen im Kabinenbereich. Diehl Aerospace arbeitet für Hersteller wie Airbus, Boeing, Bombardier oder Embraer und ist auch Lieferant für zahlreiche militärische Programme wie den Eurofighter, die A400M und die Hubschrauber Tiger und NH90.

Gesunde Struktur mittelständischer Betriebe
Rund um die Branchengrößen schart sich im Bodenseekreis eine Vielzahl klein- und mittelständischer Betriebe. Die Soft- und Hardware-Entwickler, Zulieferer von Präzisionsteilen und anderen Dienstleistungen bieten in ihrer Gesamtheit das Gros der Arbeitsplätze. Der Bodenseekreis tut einiges, um diese Struktur zu unterstützen. Initiiert von dessen Wirtschaftsförderung ist das Branchennetzwerk BodenseeAIRea entstanden. Dem Cluster gehören viele der für die Luft- und Raumfahrt arbeitenden Unternehmen in der Region an. Mit dabei sind auch Forschungseinrichtungen wie zum Beispiel das Fraunhofer-Institut und Hochschulen wie die HTWG Konstanz, die Zeppelin Universität und die Duale Hochschule Baden-Württemberg. Die Verzahnung von Forschung, Lehre und Industrie ist ein wichtiger Faktor für die beteiligten Firmen. BodenseeAIRea stellt dafür eine entscheidende Plattform.
Ein bedeutender Standortfaktor für die Luftfahrtregion in Deutschlands äußerstem Südwesten ist der Bodensee-Airport Friedrichshafen. Seine Anfänge reichen bis ins Jahr 1913 zurück. Hier startete 1915 das erste Zeppelin-Luftschiff, und auch die erste 1:1-Holzattrappe des legendären Riesenflugbootes Do X wurde Mitte der 1920er Jahre hier gebaut. Heute ist der Bodensee-Airport der schnelle Zugang der Region zur Welt. Wichtig für die ansässige Luft- und Raumfahrtbranche und nicht weniger bedeutend als Ein- und Ausfallstor des Tourismus. Immerhin rund 490 000 Passagiere zählte die Flughafengesellschaft im vergangenen Jahr. Fast ein Dutzend Airlines bieten ihre Dienste zu zahlreichen europäischen Zielen an, darunter Interkontinental-Hubs wie Frankfurt, London und Istanbul. Gleichzeitig ist der Airport auch die Heimat vieler Betriebe. Als Platzhirsch im Instandhaltungs- und Wartungsgeschäft gilt hier airplus Maintenance, die praktisch alle Arbeiten an Geschäfts- und Reiseflugzeugen durchführt.

Mit Zeppelin NT ist auch der Luftschiffbau und -betrieb an den Bodensee-Airport zurückgekehrt. Im September 1998 kam der erste Zeppelin NT in die Luft. Seither entstanden in der großen Werfthalle der Zeppelin Luftschifftechnik am Flughafen acht dieser modernen Luftschiffe neuer Technologie. Zwei davon betreibt das Schwester-unternehmen, die Deutsche Zeppelin-Reederei, hier für Rund- und Reklameflüge. Nicht zuletzt ist der Bodensee-Airport ein bedeutender Standortfaktor für die Messe Friedrichshafen, insbesondere für die AERO, mit ihren Hallen direkt am Flughafen.
Mit der AERO schließt sich der Kreis der Bodenseeregion als Luftfahrtstandort von den Herstellern und Dienstleistern bis hin zur Allgemeinen Luftfahrt. Aus kleinen Anfängen heraus hat sie sich inzwischen mit rund 700 Ausstellern als europäische Leitmesse und internationaler Branchentreffpunkt der General Aviation fest etabliert. Alljährlich informieren sich hier rund 35 000 Besucher über die Trends und Innovationen in der Allgemeinen Luftfahrt. Nicht wenige kommen mit dem eigenen Flugzeug. Ihnen stehen neben dem Bodensee-Airport gleich mehrere Plätze in der Region offen. An den Verkehrslandeplätzen Konstanz, Leutkirch, Mengen und dem Fluggelände Markdorf, das den ULs vorbehalten ist, herrscht besonders während der AERO viel Betrieb. In reizvoller Landschaft gelegen, machen sie die Luftfahrtregion Bodensee zur Luftsportregion. Hier wird Basisarbeit betrieben. Vereine und gewerbliche Flugschulen bieten vom Motorgleitschirm über Segelflug und Ultraleichtfliegen bis zum Motorflug ein breites Angebot für Luftsportler.
In Museen wird die Geschichte der Region lebendig
Ohne ihre Geschichte gäbe es die Luft- und Raumfahrtregion Bodensee nicht. Und an diese wird eindrucksvoll erinnert. Gleich am Airport steht der allein schon architektonisch sehenswerte Bau des Dornier-Museums. Hier lässt die Dornier-Stiftung die lange Firmengeschichte von ihren Anfängen bis hin zum Satellitenbau aufleben. Rund 400 Exponate, darunter zwölf Originalflugzeuge und zwei Nachbauten der Dornier Merkur sowie des legendären Dornier Wal, locken jedes Jahr gut 100 000 Besucher an. Pioniergeist zum Anfassen.

Nicht weniger den Besuch wert ist das Zeppelin-Museum, in Friedrichshafens Innenstadt unweit des Fährhafens gelegen. Ein dominantes Stück in der sehenswerten Ausstellung ist der nach historischen Konstruktionsplänen entstandene und begehbare Nachbau einer Passagiersektion des berühmten LZ 129 "Hindenburg". Häufige Sonderausstellungen mit zeitgeschichtlichen Inhalten ergänzen die Ausstellung zum Luftschiffbau. Das Konzept kommt an. Rund 230 000 Besucher zählt das Museum pro Jahr.

Tradition und Moderne: Nur an wenigen Orten hängen sie so eng zusammen wie im Bodenseeraum. Ohne die Pioniere, die einst ihre Visionen verwirklichten, hätte sich hier, abseits der großen Metropolen, wohl kaum die heutige Schwerpunktregion der Luft- und Raumfahrt entwickeln können.