Großer Test: Die besten Headsets für Piloten!

Test im Labor und im Cockpit
Das sind die besten Headsets für Piloten

Zuletzt aktualisiert am 22.01.2024
Das sind die besten Headsets für Piloten
Foto: Tashi Dolma Hinz

Von 85 bis zu mehr als 100 Dezibel (dB(A)) reicht der Lärmpegel im Cockpit einer Propellermaschine. Konventionelle Flugmotoren beschallen die Besatzung mit eher tiefen Frequenzen, Flugzeuge mit Rotax-Motoren sind zwar oft etwas leiser, dafür hat der Schall mehr Hochfrequenzanteil. Zum Vergleich: Zimmerlautstärke entspricht 30 bis 40 dB(A), ein Fernsehgerät bringt es bei moderater Lautstärke auf 60 dB(A). Eine Hauptverkehrsstraße in zehn Metern Entfernung emittiert etwa 80 bis 90 dB(A). Fliegt ein Airbus A320 in 1500 Metern Höhe über die Köpfe hinweg, gelangen etwa 67 dB(A) ans Ohr.

Studien zufolge können dauerhafte Schalldruckpegel von 65 dB(A) gesundheitliche Folgen haben und Stressreaktionen auslösen. Ab 85 dB(A) Dauerpegel sind Gehörschäden möglich. Vergegenwärtigt man sich, dass eine Erhöhung des Schalldruckpegels um zehn Dezibel in etwa als Verdopplung der Lautstärke empfunden wird, ist klar, warum im Cockpit ein angemessener Gehörschutz Pflicht ist.

Was "angemessen" bedeuten kann, soll der aerokurier Headset-Test klären. 2017, 2018 und 2023 haben wir dafür aktive und passive Over-Ear-, On-Ear- und In-Ear-Geräte für die Allgemeine Luftfahrt unter die Lupe genommen. Ein Headset soll den Lärm so weit reduzieren, dass das Gehör keinen Schaden nimmt, das "akustische Feedback" des Flugzeugs aber erhalten bleibt. Zudem muss ein Headset eine störungsfreie Kommunikation zwischen Piloten untereinander und mit der Flugverkehrskontrolle ermöglichen.

Vom Billigheimer für rund 160 Euro bis zum Premium-Heaset, für das inzwischen fast das Zehnfache verlangt wird reichte die Bandbreite der Kandidaten, und auch wir mussten feststellen, dass preiswerte Geräte nicht unbedingt schlecht sein müssen, es hier manchmal sogar einen echten Geheimtipp gibt. Jedes Headset hat seine ganz individuellen Stärken und Schwächen. Diese zeigen sich im Labor, aber vor allem in der Praxis. Denn was hilft eine tolle Labornote, wenn das Headset einfach nicht auf den eigenen Kopf passen mag oder einem das Anfassgefühl nicht zusagt? Deshalb küren wir keinen Testsieger, sondern stellen Daten zur Verfügung, die jeder Pilot als Entscheidungshilfe nutzen kann, um seinen persönlichen Favoriten zu finden.

Daten, Daten und nochmal Daten: Die Labormessungen

Alle eadsets mussten sich der Vermessung im Labor bei der HEAD acoustics GmbH in Herzogenrath bewähren. Zum Einsatz kam ein Kunstkopf-Messsystem.

Der Kopf ermöglicht binaurales (zweiohriges) Hören – seine "Ohren" sind der menschlichen Anatomie nachempfunden. Der eingebaute Lautsprecher bildet die Schallabstrahlung des menschlichen Mundes reproduzierbar nach. Um den Test so realistisch wie möglich zu halten, wurde in der Messkammer eine standardisierte Wiedergabe-Einrichtung für Hintergrundgeräusche installiert (ETSI TS 103 224), über die eine Tonaufnahme aus dem Cockpit einer Cessna 152 während des Fluges wiedergegeben wurde. Das Fluggeräusch am Ort des Kunstkopf-Messsystems entsprach so nahezu dem Originalgeräusch, dem der Pilot im Cockpit der Cessna ausgesetzt gewesen wäre (Pegel: 84 dB(A)).

Patrick Holland-Moritz

Um die Lärmdämpfung der Headsets zu ermitteln, wurde zunächst der Geräuschpegel der Cessna-Aufnahme ohne Headset am Kunstkopf-Ohr bestimmt. Dieser Wert diente als Referenz. Anschließend positionierten die Fachleute jedes Headset genau auf dem Kunstkopf und bestimmten erneut den Hintergrundgeräusch-Pegel an den künstlichen Ohren. Die Differenz zum Referenzwert ergab die Dämpfung. Diese wurde dabei entsprechend der Lautheit nach ISO 532-1 berechnet. Der resultierende phon-Wert korreliert besser mit dem subjektiven Empfinden als die Pegelberechnung in dB. Die Headsets wurden im aktiven und passiven Modus betrieben, zudem wurden verschiedene Modi, wie man sie beispielsweise beim neuen Bose A30 findet, vermessen. In die Bewertung floss dann die stärkste Stufe ein. Darüber hinaus untersuchten die Experten bei allen Headsets auch die Pegelerhöhung durch das Tragen einer Sonnenbrille, wenn also ein "akustisches Leck" zwischen Kopf und Headset entsteht. Bezüglich der Qualität im Funkverkehr wurden beide Übertragungswege analysiert: vom Piloten zur Bodenstation (Senderichtung) und von der Bodenstation über den Headset-Kopfhörer zum Ohr des Piloten (Empfangsrichtung). Eine Fehlstellung des Mikrofons wurde bei der Sprachwiedergabe gesondert berücksichtigt.

Patrick Holland-Moritz

Für alle Headsets fanden neben Messungen zu Standardparametern wie Empfindlichkeit, Übertragungsfunktion (RTCA DO-214-A) und Dämpfungsmaße der verbauten Lautsprecher und Mikrofone auch komplexere Analyseverfahren statt. Im Unterschied zu vorherigen Tests hat HEAD acoustics die Messverfahren in Teilen aktualisiert. Hinzu-gekommen ist ein Messwert, der basierend auf einem dem menschlichen Hörvermögen angepassten Algorithmus die Höranstrengung beschreibt (ETSI TS 103 558). Der Wert 5 steht dabei für die geringste, 1 für die höchste Anstrengung.

Neu gestaltete Tortendiagramme zeigen jetzt auf einen Blick die Stärken (grün) und Schwächen (gelb) der Geräte. Rote Flächen signalisieren, dass die Mindestanforderungen in der jeweiligen Disziplin nicht erfüllt wurden. Die Minimalanforderungen orientieren sich am Durchschnitt der getesteten Geräte. Die sechs Tortenstücke finden sich als Zahlenwerte in der Übersichtstabelle. Alle Messwerte fließen am Ende in eine Schulnote des Labortests ein. Jeder Wert hat eine bestimmte Gewichtung, wobei wir die aktive Dämpfung stärker berücksichtigt haben als die passive.

Praxistest: Ab ins Cockpit!

Auch in der Praxis haben wir die Headsets eingehend unter die Lupe genommen. Ausnahme ist das In-Ear-Headset Clarity Aloft, das uns Fliegerarzt Benjamin Schaum aus Gelnhausen aus seinem privaten Bestand für die Labormessung zur Verfügung gestellt hat. Alle anderen Geräte hat die aerokurier-Crew, bestehend aus Christof Brenner, Philipp Prinzing und Patrick Holland-Moritz, unterstützt von Pilot Patrick Oeser, an der Aviators Farm in Hildesheim ausprobiert. Dabei haben wir die Headsets zuerst am Boden, dann im Flug begutachtet. Was fällt beim ersten Kontakt auf? Wo könnten die jeweiligen Stärken und Schwächen der Geräte liegen? Gibt es ernsthafte Patzer? Diese Fragen haben wir beim "Unboxing" mit teils überraschenden Erkenntnissen am Schreibtisch beantwortet.

Patrick Holland-Moritz

Beim anschließenden Flug in einer Cessna 172 haben wir einen im Vorfeld erarbeiteten Kriterienkatalog in Bezug auf passive und aktive Geräuschunterdrückung, Sprachverständlichkeit, Klangqualität, Anfälligkeit für Nebengeräusche, Bedienung, Haptik und Komfort abgearbeitet. Die Ergebnisse haben wir danach zusammengezählt und mit der aus der Tabelle ersichtlichen Gewichtung gemittelt. Zugegeben, in der Cessna ging es mit sieben Headsets und drei Mann Besatzung ganz schön eng zu. Mehr als einen ersten Eindruck kann ein Flug mit allen Geräten gleichzeitig also kaum liefern – im Kontext der Labormessung ging es hier aber auch mehr um das persönliche Gefühl der Tester.

Zusammenfassung

Insgesamt 23 Headsets für die Allgemeine Luftfahrt hat der aerokurier in den Jahren 2017, 2018 und 2023 getestet. Die Auswahl erfolgte Anhand von Kriterien wie Beliebtheit in der Pilotenszene, Neuheit und Verfügbarkeit. Im Online-Artikel sind einige nicht mehr aufgeführt, da sie entweder im Test nicht überzeugen konnten, oder nicht mehr hergestellt werden.

Zu Kategorie eins gehören:

  • Pilot Communications PA 17-79 XL ANR
  • Telcom TC-50
  • UFQ A6

Zu Kategorie zwei gehören:

  • 3M Peltor Aviation 8003
  • AKG AV100
  • Lightspeed Tango
  • Phonak FreeCom 7100
  • Telex Stratus 50

Wir verzichten explizit darauf, einen Testsieger zu küren, weil die Wahl des richtigen Headsets eine sehr individuellen Entscheidung ist, die von Faktoren wie Form der Ohren, Frequenzgang des eigenen Gehörs, geflogenen Flugzeugmustern und Budget abhängig ist. Allerdings geben unsere Testreihen hinweise auf spezifische Stärken und Schwächen der einzelnen Geräte und können so bei der Kaufentscheidung helfen.

Alle Ergebnisse sind in der Tabelle übersichtlich zusammengefasst.