Stress, mangelhafte Ortskenntnis oder Konzentrationsprobleme führen auf Autobahnen regelmäßig zu einem gefährlichen Phänomen: Geisterfahrer. Ursache solcher Fehlleistungen ist in der Regel ein folgenreicher Irrtum beim Abbiegen auf die Schnellstraße. Auch auf Flugplätzen kann es zu solchen mentalen Blackouts kommen. Mancher Pilot hat sogar schon auf dem Taxiway zum Startlauf angesetzt.

Die Unfallmaschine war eine Cessna F 182Q – hier ein Flugzeug gleicher Bauart.
Top VFR-Bedingungen am Unfalltag
Einem ähnlichen Irrtum unterliegt auch der Pilot einer Cessna F 182Q auf dem Sonderlandeplatz Bamberg-Breitenau am 17. September 2023. Dort meldet sich der 61-Jährige am frühen Nachmittag um 13:42 Uhr bei Bamberg Info, um seinen Rückflug nach Hof-Plauen anzukündigen, von wo aus er am Vormittag gestartet war. Die Bedingungen für einen Überlandflug nach VFR sind an diesem Tag sehr gut: Unterhalb 5000 Fuß AGL ist keine Wolke zu sehen, die Bodensicht beträgt mehr als zehn Kilometer. Der Bodenwind weht mit neun Knoten aus 190 Grad. Der Cessna-Pilot ist noch vergleichsweise unerfahren. Er hat seine Privatpilotenlizenz erst im Oktober des Vorjahres erworben und eine Gesamtflugerfahrung von rund 193 Stunden, davon etwa 73 Stunden nach Lizenzerhalt. Geflogen ist er hauptsächlich auf der Cessna 182. Die Fluglehrer, bei denen der Pilot seine Ausbildung 2021 in Hof begonnen, aber nicht abgeschlossen hat, beschreiben seine mentalen und motorischen Fähigkeiten allerdings als "nicht ausreichend". Die Prüfung legte er schließlich mehr als zwei Jahre später in einer anderen Flugschule ab.

Trotz der Aussicht auf eine extrem verkürzte Piste in Richtung 21 setzt der Cessna-Pilot in Bamberg-Breitenau zum Startlauf an.
Von 935 Metern Piste nur 190 genutzt
Der Flugleiter in Bamberg-Breitenau informiert den Piloten an jenem Spätsommertag über die aktuelle Situation am Platz: "QNH eins null eins sieben, Piste zwo eins in Betrieb, der Segelflug ist in Betrieb." Der Pilot bestätigt: "QNH eins null eins sieben, Piste zwo eins, ich achte auf Segelflug." Nur drei Minuten später meldet er sich erneut: "(...) am Rollhalt der Piste zwo eins, abflugbereit." Der Flugleiter informiert ihn jetzt darüber, dass im Moment kein Verkehr in der Platzrunde ist. Der Pilot bestätigt dies: "Verstanden. Ich rolle auf die Piste, gehe auf den Startpunkt, rolle auf den Startpunkt." Daraufhin passiert etwas sehr Ungewöhnliches: Die Cessna rollt vom Taxiway A nach rechts direkt auf die Piste, wo sich jedoch nicht der Startpunkt befindet, denn zur Schwelle 21 müsste der Pilot den größten Teil der Bahn zurückrollen. In diesem Moment meldet sich der Startleiter des Segelfluggeländes: "Wir würden gerne noch schnell einen Segelflugstart machen." Der Cessna-Pilot hört den Funkspruch und meldet seinerseits: "Dann rolle ich los. Okay, danke." Auf der Piste beginnt er nun seinen Startlauf Richtung 21, jedoch unter sehr schwierigen Bedingungen: Denn an dieser Stelle hat er lediglich ein kurzes Stück befestigte Runway vor sich, also nur den kleinen Rest südwestlich der Schwelle 03 – einen Bruchteil der insgesamt 935 Meter langen Asphaltbahn. Im selben Moment meldet sich ein weiterer Pilot über Funk beim Flugleiter, um den Start für einen Lokalflug anzukündigen.

Nur 105 Meter hinter dem Asphalt verunglückte das Flugzeug, die Cessna brannte fast vollständig aus.
Tödlicher Crash im Zaun
Der Flugleiter bemerkt jetzt den fatalen Fehler des Cessna-Piloten und ruft sofort über Funk: "Stopp!" Mit Nachdruck wiederholt er die Aufforderung nochmals. Doch die Cessna beschleunigt weiter und hebt kurz vor dem Ende des befestigten Bereichs ab. Nach dem Take-off schafft es der Pilot aufgrund der geringen Geschwindigkeit aber nicht, weiter an Höhe zu gewinnen. Wenige Sekunden nach dem Startlauf gerät die Cessna in einen überzogenen Flugzustand, dabei überfliegt sie noch die etwa 2,50 Meter hohe Anflugbefeuerung der Piste 03 um Haaresbreite und kippt dann über den rechten Flügel ab. Rund 80 Meter hinter dem Ende der Bahn kommt es zur Bodenberührung mit der rechten Tragfläche, dabei reißt der Randbogen vom Flügel ab. Nach weiteren 13 Metern rasiert der Propeller die ersten Büsche, dann krachen das Bugfahrwerk und das rechte Hauptfahrwerk hart auf den Boden. Dabei überschlägt sich die Cessna, fängt Feuer und bleibt 105 Meter hinter dem Ende der Piste brennend an einem Zaun liegen, der das Flugplatzgelände umgibt. Der Pilot zieht sich bei dem Aufschlag schwerste Verletzungen zu. Ersthelfer kommen ihm innerhalb von nur einer Minute zur Hilfe und versuchen, mit Handfeuerlöschern den Brand zu bekämpfen. Sie schaffen es tatsächlich, den von den Flammen erfassten Piloten lebend aus dem brennenden Flugzeug zu bergen. Er ist zu diesem Zeitpunkt noch bei Bewusstsein. Um das Feuer an seinem Körper zu löschen, tragen sie ihn in einen nahe gelegenen Wassergraben. Kurze Zeit später landet ein Rettungshubschrauber nahe der Unfallstelle und bringt den schwerverletzten Piloten in ein Krankenhaus. Doch die Verletzungen des 61-Jährigen sind zu schwer, er verstirbt noch in der folgenden Nacht im Krankenhaus.

Die Flugplatzkarte (rechts) und der Rollweg mit Startstrecke (grün markiert, links) machen deutlich, dass ein großer Teil der Bahn ungenutzt hinter dem Flugzeug lag.
Menschliches Versagen als Unfallursache?
Da es bei den Ermittlungen zur Unfallursache keinen Hinweis auf ein technisches Problem gibt, das mit dem Unfallgeschehen in Verbindung stehen könnte, geht die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) aufgrund der eindeutigen Indizien schnell von menschlichem Versagen aus. Nicht auszuschließen scheinen dabei eine psychische oder physische Ursache für die ungewöhnliche Entscheidung des Piloten, die dem missglückten Startlauf vorausgegangen war: Auf dem Weg zum Startpunkt rollte der Pilot über den Taxiway A direkt auf die Piste. Die Stelle, von der er dann den Startlauf begann, war aber weder die Schwelle zur Startrichtung 21 noch die Schwelle für die entgegengesetzte Startrichtung 03. Die Richtung 21, in die er sein Flugzeug auf der Piste schließlich ausrichtete, bot für den Startlauf jedoch die denkbar schlechteste Voraussetzung: nur 190 Meter bis zum Pistenende. Von dieser Position aus muss der Pilot sogar den Flugplatzzaun gesehen haben. Ein großer Gebäudekomplex jenseits des Geländes ist dem Startpunkt außerdem so nahe, dass an einen sicheren Start und Anfangssteigflug über das Hindernis von hier aus auch bei perfekten Windverhältnissen kaum zu denken ist. Doch wie konnte es zu einer derart extremen mentalen Fehlleistung vor dem Start kommen? Der Rollweg zum Startpunkt ist am Sonderlandeplatz Bamberg-Breitenau weder besonders kompliziert noch ungewöhnlich: "Der Pilot hätte vom Rollweg A nach links auf die Piste 03 aufrollen, bis zum Abflugpunkt der Piste 21 zurückrollen und den Startlauf auf der Piste 21 durchführen müssen", heißt es im Untersuchungsbericht der BFU. Stattdessen sei er nach rechts auf das Ende der Piste 21 abgebogen und von dort gestartet. Nach einer entsprechenden Flugvorbereitung, so die Ermittler, hätte ihm bewusst sein müssen, dass er zunächst auf der Piste hätte zurückrollen müssen. Auch, dass die Startlaufstrecke in der gewählten Richtung viel zu kurz war, hätte ihm auffallen müssen. Schließlich war er erst kurze Zeit vorher auf derselben Piste gelandet. Darüber hinaus hätte er erkennen müssen, dass die Bahn nach sehr kurzer Distanz endet.

Als eine wesentliche Ursache des Unfallgeschehens sehen die Ermittler insbesondere mangelhaftes Situationsbewusstsein.
Keine Hinweise auf Vorerkrankungen
Die naheliegende Vermutung, eine akute physische Beeinträchtigung könnte die Fehlentscheidung des Piloten verursacht haben, wird durch den Obduktionsbericht der Rechtsmedizin Erlangen nicht bestätigt. Auch eine Vorerkrankung ist bei der Untersuchung nicht nachweisbar. Als Todesursache wird in dem medizinischen Gutachten "Multiorganversagen nach großflächigen Verbrennungen der Hautoberfläche (ca. 80 Prozent) mit Polytrauma" festgestellt.
Mangelhaftes Situationsbewusstsein
Als eine wesentliche Ursache des Unfallgeschehens sehen die Ermittler insbesondere mangelhaftes Situationsbewusstsein. Im Untersuchungsbericht heißt es: "Weiterhin erscheint es plausibel, dass der beabsichtigte Segelflugstart den Stresslevel des Piloten erhöhte und er den Startlauf übereilt begann." Dass er den Startlauf auch dann nicht abbrach, als der befestigte Bereich der Piste zu Ende ging, könne damit erklärt werden, dass er insgesamt durch die Situation überfordert gewesen sei. Zwar hatte der Flugleiter die sich anbahnende Situation in diesem Moment erkannt und versucht, über Funk einzugreifen und den Start noch zu verhindern. Doch die eindringliche Warnung erreichte den Piloten nicht. Möglicherweise auch deshalb, weil dieser in einer Art Tunnelwahrnehmung gefangen und für Interventionen von außen in diesem Moment nicht mehr zugänglich war. Doch auch die Vorgeschichte des Unfalls wirft Fragen auf. Die erste Flugschule, bei der er die Ausbildung begonnen hatte, bescheinigte ihm, dass er fürs Fliegen ungeeignet gewesen sei. Auf Hinweise auf eigene Fehler hatte er demnach zum Teil unbeherrscht reagiert. Seine Fähigkeit, auf unvorhergesehene Situationen zu reagieren, wurde als mangelhaft beurteilt. Dennoch konnte er bei einer anderen Flugschule seine Ausbildung fortsetzen – obwohl der Leiter der ersten Flugschule seine Kollegen über die zuvor aufgetretenen Probleme informiert hatte.