Das Schleppseil strafft sich, und um 14:29 Uhr hebt die SZD-55-2 Nexus mit dem als e-motion bezeichneten Elektroantrieb hinter einer Pipistrel Virus erstmals ab. Auf gut 1000 Meter über dem Flugplatz Giebelstadt klinkt der Pilot aus und aktiviert den Elektromotor, der ähnlich wie beim etablierten Front Electric Sustainer von LZ Design einen kleinen Klapp-Propeller an der Nase des Seglers antreibt. Kurz überprüft der Pilot die Funktion des Systems im Horizontalflug, kurz darauf gewinnt die Nexus erstmals aus eigener Kraft an Höhe.
Mit dem Flug sei ein wichtiger Meilenstein des Entwicklungsprojekts erfolgt, heißt es auf der Website von Allstar PZL Glider. Das Antriebsystem habe bereits beim ersten Flug seine Leistungsfähigkeit hinsichtlich Effizienz und Steigrate unter Beweis stellen können. Nun folge das ausführliche Flugtestprogramm sowie weitere Zertifizierungstests in der Luft und am Boden.

Die SZD-55 Nexus mit aktiviertem e-motion-Antrieb.
Entwicklung mit Partnern
Allstar PZL Glider hat bei der Entwicklung des hauseigenen Elektroantriebs mit Breunig Aerospace kooperiert. Das Team um Firmengründer Dr. Elias Breunig hat den elektrischen Antriebsstrang mit Batteriemodul, das Propellersystem und die Steuerelektronik konzipiert. Kooperationspartner sind zudem das Ingenieurbüro Zimmermann, das die Motorregler beisteuert, sowie das slowenische Unternehmen Emrax, das den Elektromotor zuliefert.
Der Emrax-188-Motor leistet bis zu 18 Kilowatt und wird von zwei Unabhängigen Akkus im Rumpf hinter dem Cockpit gespeist. Die Systemspannung beträgt 60 Volt – und liegt damit deutlich unter den vom etablierten FES genutzten 90-116 Volt.
Weitere technische Daten wie Steigrate und Reichweite hat Allstar PZL Glider noch nicht veröffentlicht.

Das Entwickler-Team des SZD-55 mit e-motion-Antrieb.
Die Nexus – überholt oder noch aktuell?
Das Muster, in dem der Hersteller das e-motion-System erprobt, ist indes keine Neuentwicklung. Die SZD-55 hatte ihren Erstflug bereits im Sommer 1988 und kann als Weiterentwicklung der SZD-48M Brawo, die wiederum eine verbesserte Variante des Jantar Standard 3 war, gesehen werden. Allerdings lehnt sich die 55 mit ihrer spitzeren Schnauze eher an "westliche" Muster wie LS- oder Glasflügel-Flugzeuge an.
Ein besonderes Merkmal sind die elliptisch verlaufenden Tragflügelvorderkanten, von der sich die Konstrukteure eine Reduzierung des induzierten Widerstandes am Randbogen versprachen, ohne dafür Winglets einsetzen zu müssen. Zudem gelang den polnischen Ingenieuren das Kunststück, ohne den Einsatz von Kohlefaser eine Leermasse von nur 215 Kilogramm zu erreichen – rund 15 bis 20 Kiologramm weniger als die ASW 24 oder LS7, die etwa zeitgleich in die Standardklasse drängten. Das ermöglicht bei einer maximalen Abflugmasse von 500 Kilogramm und der Flügelfläche von 9,6 Quadratmetern eine weite Spanne an Flächenbelastungen – bei einem Maximum von 52 Kilogramm pro Quadratmeter.

Der Prototyp der SZD-55 flog bereits 1988. Ein erster, inoffizieller Beiname lautete Promyk, was übersetzt Sonnenstrahl bedeutet.
Dennoch hat sich die Nexus in internationalen Wettbewerben nie wirklich durchsetzen können und wird heute vorwiegend von Privathaltern oder in Clubs geflogen. Dass das Muster Potenzial hat, zeigen hingegen die Flüge von Lars Buchs der SMG Grenchen, der mehrere Flüge zwischen 700 und 800 Kilometern im Schweizer Jura absolviert hat.
Im Zuge der "Elektrifizierung" ist die Nexus auch aerodynamisch überarbeitet worden und erhielt neben verbesserten Querrudern auch Winglets.
Nachrüstung bald möglich
Nach der Zulassung des Antriebssystems sollen alle Neuflugzeuge auf Wunsch mit dem Elektromotor ausgestattet werden können. Zudem arbeitet Allstar PZL Glider an Nachrüstoptionen, um allen SZD-55-Besitzern den Antrieb anbieten zu können – was angesichts des moderaten Preises der 55 auf dem Gebrauchtmarkt interessant sein könnte. Schließlich soll das e-motion-System auch anderen Herstellern für Nachrüstprojekte zur Verfügung gestellt werden.