33. Das ist eine der magischen Zahlen im Segelkunstflug. Damit ist aber nicht etwa eine außergewöhnliche Figur oder eine besonders hohe Wertung gemeint, sondern die Anzahl der gebauten Swift S-1, dem zweifelsfrei besten Segelkunstflugzeug. Wer in der Unlimited-Klasse erfolgreich sein oder gar Weltmeister werden will, kommt um die Konstruktion des Polen Edward Margański nicht herum. Das Problem: die Verfügbarkeit, eben die 33, beziehungsweise nach einigen unfallbedingten Verlusten noch etwas weniger.
Während sich ambitionierte Streckenflieger mit genügend Kleingeld jederzeit ein aktuelles Weltmeisterflugzeug bei den Herstellern bestellen können, geht das im Kunstflug nicht. Denn der Formensatz des Swift wurde verschrottet, eine Neuproduktion ist aus diesem Grund und auch wegen Unklarheiten bezüglich der Designrechte nicht möglich.
Während in vielen Nationen die Spitzenpiloten auf ein einziges Flugzeug, oft im Besitz des jeweiligen Luftsportverbandes, angewiesen sind, war und ist Deutschland Swift-Schlaraffenland, denn fast ein Drittel der noch lufttüchtigen Flugzeuge ist hier in der Hand von Einzelpersonen oder Haltergemeinschaften. Der Traum von einem konkurrenzfähigen Neuflugzeug allerdings blieb lange genau das: ein unerfüllbarer Traum.
Die I-45: Auf den Spuren des Swift
Der Erstflug der I-45 Jay am 18. Dezember 2024 könnte ein Wendepunkt im Swift-Trauma vieler Kunstflieger sein. Denn die Konstruktion des polnischen Luftfahrtinstituts Łukasiewicz wandelt erkennbar auf den Spuren des legendären Seglers und scheint wesentliche konstruktive Details des Swift aufzugreifen. Frappierend ist beispielsweise die Ähnlichkeit des Leitwerks, das aussieht, wie direkt vom Original abgeformt. Im Bereich des Cockpits hingegen erkennt man die Unterschiede.

Die Ahnlichkeit zum Swift ist frappierend - insbesondere Hinterrumpf und Leitwerk scheinen 1:1 übernommen worden zu sein.
Zwar bezeichnet Łukasiewicz in seiner Pressemitteilung die I-45 als "Plattform für die Erprobung und Umsetzung innovativer Segelflugzeugtechnologien", fügt aber hinzu, dass die Konstrukteure hoffen, dass Polen mit der Umsetzung des Projekts, sprich Zulassung und Produktion, wieder "eine führende Rolle in der Segelflugzeugproduktion einnehmen wird" und die Piloten bei Kunstflugwettbewerben "ganz oben auf dem Treppchen stehen werden". Ersteres wäre im Sinne der Weiterentwicklung des Sports wünschenswert, letzteres gelang dem Weltmeister von 2024, Maciej Pospieszyński aus Polen, auch ohne neues Flugzeug, aber auf einem Swift.
Die Entwicklung der I-45 Jay sei erheblich durch die Marktsituation beeinflusst gewesen, da einige der Swifte an die aktuell zulässige Grenze von 3000 Betriebsstunden kommen. Nun sucht Łukasiewicz Investoren, die die Chance ergreifen und mit einem "innovativen Flugzeug in diese Marktlücke stoßen" wollen. "Die I-45 JAY ist Nachfolger weltbekannter Muster wie SZD-21 Kobuz, S-1 Swift oder MDM-1 Fox. Angesichts des Mangels an spezialisierten Kunstflugzeugen auf dem Markt kann davon ausgegangen werden, dass die internationale Gemeinschaft der Kunstflugpiloten das neue Muster schnell in den Wettbewerben der Weltklasse sehen möchte", lässt sich Mariusz Stajewski, Testpilot am Łukasiewicz-Luftfahrtinstitut, zitieren.

Den weit heruntergezogenen Haubenrahmen begründen die Entwickler mit besserer Sicht auf die Box beim Positionieren vor Beginn des Kunstflugprogramms.
Flügel in Prepreg-Bauweise
Eine wirkliche Innovation sind die Tragflächen der I-45, die aus Prepregs hergestellt werden. Bei dieser Technologie kommen Glas- oder Kohlefasergewebe zum Einsatz, die vorab mit Epoxidharz getränkt und getrocknet worden sind. Nach dem Einlegen in die Formen beginnt das Harz durch Erwärmung zu fließen und seine Strukturen vollständig auszubilden und zu vernetzen. Anschließendes Tempern härtet die Harze final aus. Die Bauweise ermöglicht eine hohe Formtreue und gleiche Festigkeit bei geringerem Materialeinsatz im Vergleich zum klassischen Nasslaminat, mit dem Segelflugzeuge bisher hergestellt werden.
Laut Łukasiewicz wurde die gesamte Zelle Mittels CAD entworfen, die Formen entstanden in hochpräzisen CNC-Maschinen unter geringsten Toleranzen. Das Tragflächenprofil sei speziell entwickelt und für den Kunstflug optimiert, wie bei Swift und Fox werden Frise-Querruder verbaut, zu denen es verklausuliert heißt, sie seien "unter Berücksichtigung der spezifischen Anforderungen an Kunstflugsegler angepasst". Rückfragen zum Profil und zu weiteren Details wollte Łukasiewicz unter Verweis auf Geschäftsgeheimnisse nicht verraten. Klar ist indes, dass die zulässigen Lastvielfachen bei +10 und -8 g liegen sollen. Das Cockpit sei so optimiert, dass 90 Prozent der Piloten darin eine bequeme Sitzposition finden, und die Haube weit nach unten gezogen, um optimale Sicht beim Einflug in die Box zu bieten. Die Jay vereinige die besten Eigenschaften polnischer Kunstflugzeuge und sei ergonomisch deutlich besser als ihre Vorgänger, heißt es. "Es ist Zeit für ein Segelkunstflugzeug, das den Anforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird, modern und sicher ist, und das großartig fliegt", kommentierte Weltmeister Maciej Pospieszyński, der bei der Konstruktion beratend involviert war.

Ob die I-45 Jay den Swift beerben kann, wird die Zukunft zeigen.
"Wir glauben, dass Luftfahrthersteller das Potenzial des Segelfliegens erkennen werden und Polen in diesem Wirtschaftssegment wieder eine wichtige Rolle spielen wird", so Dr.-Ing. Paweł Stężycki, Direktor des Łukasiewicz-Instituts für Luftfahrt.
Ihren ersten öffentlichen Auftritt soll die I-45 Jay auf der AERO Friedrichshafen erleben.