Rund 40 Minuten nahmen sich die Parlamentarier am vergangenen Donenrstag noch einmal Zeit, um im Bundestag ihre Positionen zur geplanten Änderung des Luftsicherheitsgesetzes (LuftSiG) zu erläutern. Schließlich stimmten CDU/CSU, SPD und die AfD für die Änderung, FDP und die Linke dagegen. Die Grünen enthielten sich.
Mit der Neufassung des Luftsicherheitsgesetzes geht eine Verschärfung der Zuverlässigkeitsüberprüfung für Privatpiloten einher, denn künftig werden noch mehr Datenquellen für die Bewertung der Zuverlässigkeit herangezogen.
Neue Quellen für die ZÜP
Bisher fragten die zuständigen Luftsicherheitsberhörden bei einer normalen Sicherheitsüberprüfung die Daten von Landespolizei, Landesverfassungsschutz, Bundeszentralregister und Bundesverwaltungsamt ab, in Ausnahmefällen zudem die beim Bundeskriminalamt, beim Zollkriminalamt, beim Bundesverfassungsschutz, beim Bundesnachrichtendienst, beim Militärischen Abschirmdienst und der Stasi-Unterlagenbehörde gespeicherten Informationen.
Laut Neufassung des LuftSiG können künftig die Daten von Bundespolizei und Zollkriminalamt standardmäßig abgefragt werden. Weiterhin können die Luftsicherheitsbehörden dann auf Einträge im Erziehungsregister und im Zentralen Staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister (ZStV) zugreifen. Eine Ausweitung der Zuverlässigkeitsüberprüfung auf Segelflieger, die sich durch eine Folgeänderung der LuftPersV ergeben hätte, mutmaßlich aber vonseiten der Regierung gar nicht beabsichtigt war, wurde durch entsprechende Korrekturen im Gesetzentwurf vermieden. TMG-Piloten müssen allerdings weiterhin regelmäßig ihre Zuverlässigkeit feststellen lassen.
Überdies wurde mit der Gesetzesänderung die Einführung eines zentralen Luftsicherheitsregisters beschlossen, in dem alle bisherigen und laufenden Verfahren zur Prüfung der Zuverlässigkeit von Piloten und Flughafenmitarbeitern erfasst werden sollen. Sein Aufbau und seine Finanzierung sollen in Verantwortung der Länder erfolgen.
Kritik an ZStV und Regelvermutung
Bei der vorbereitenden Sitzung des Innenausschusses Anfang Februar hatten mehrere Experten Kritik an der geplanten Neufassung des LuftSiG geäußert. Insbesondere der Zugriff auf das Zentrale Staatsanwaltschaftliche Verfahrensregister komme einer massiven Verschärfung der ZÜP gleich, da hier aller Verfahren erfasst würden, egal, ob sie zu einer Verurteilung führten oder nicht.
„Der Bundesrat hat hier zu Recht Bedenken geäußert“, erklärte der Arbeitsrechtler Prof. Dr. Wolfgang Däubler, der als Experte in Ausschuss geladen war. „Zum einen ist der Erkenntnisgewinn sehr gering. Zum anderen ist die ZÜP ein Massengeschäft und die Wahrscheinlichkeit groß, dass bei irgend einem Eintrag pauschal abgelehnt wird, ohne das weiter zu überprüfen.“ Der dort verfolgte Verdacht könne sich in Luft auflösen oder sich als deutlich gravierender herausstellen. „Eine Zuverlässigkeitsbewertung darauf zu stützen, dass beispielsweise trotz eines eingestellten Verfahrens ein erheblicher Verdacht geblieben sei, das halte ich für sehr fragwürdig“, so Däubler.

Auch Rechtsanwalt Frank Peter Dörner, der sich mit seiner Münchner Kanzlei auf Luftrecht spezialisiert hat, hält die Einbeziehung des Zentralen Staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregisters für hochproblematisch, weil damit Sachverhalte, die nie zu einer Verurteilung führten, für eine Einschätzung der Zuverlässigkeit herangezogen werden könnten. Überdies fokussierte er sich in seiner Stellungnahme auf die als Regelvermutung bezeichete Passage, derzufolge die Zuverlässigkeit nicht gegeben sei, wenn ein Antragsteller wegen eines Vorsatzdeliktes zu einer Strafe von mehr als 60 Tagessätzen verurteilt worden sei. Seiner Erfahrung zufolge legten nicht Schwerkriminelle oder potenzielle Terroristen Widerspruch gegen eine verwehrte ZÜP ein, sondern Personen, die wegen Verstößen gegen Vorschriften aus dem Insolvenz- und Steuerrecht oder dem Sozialversicherungsbereich verurteilt wurden.
Laut Dörner brauche es vielmehr einen Katalog an Delikten, die zur Verwehrung der Zuverlässigkeit führen, analog zu § 69 Strafgesetzbuch. Dort sei für Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr als Nebenfolge der Entzug der Fahrerlaubnis möglich, wenn bestimmte „Katalogstraftaten“ begangen wurden wie beispielsweise Trunkenheit am Steuer. So könnten Gewaltdelikte, Straftaten mit terroristischem Hintergrund, Straftaten gegen die öffentliche Ordnung oder Gefährdung des Luftverkehrs diesen Katalog zur Ablehnung der Zuverlässigkeit füllen.
Schließlich wies der Jurist auf die Bedeutung des neuen Absatz 12 des §7 LuftSiG hin, dem zufolge Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Widerruf oder eine Rücknahme einer Zuverlässigkeitsfeststellung keine aufschiebende Wirkung haben. „Damit wird der einstweilige Rechtsschutz quasi ausgehebelt, denn bis ein Widerspruch gegen die verwehrte ZÜP durch alle gerichtlichen Instanzen gegangen und geklärt ist, gehen Jahre ins Land, in denen der Pilot die Rechte aus seiner Lizenz nicht ausüben kann.
Debatte teils jenseits der Sachlichkeit
Wer die Debatte im Innenausschuss verfolgte, konnte angesichts mancher Argumentationen nur mit dem Kopf schütteln. Wenngleich es der politische Betrieb mit sich bringt, dass Abgeordnete dabei in erster Linie ihre eigenen Argumente durch Statements der Fachleute untermauern lassen wollen anstatt einen wirklichen Meinungsaustausch zur Konsensfindung zu betreiben, war manches Statement schlicht abstrus. So versuchte Thomas Ehrhorn von der AfD die charakterliche Eignung von Privatpiloten als grundsätzlich problematisch darzustellen und verwies dafür auf die hunderten Near-Miss-Ereignisse, die sich jährlich im deutschen Luftraum ereignen. Freizeitflieger seien vielfach schlecht vorbereitet und dadurch eine Gefahr für den Luftverkehr, daher sei eine intensive Überprüfung unter Einbeziehung einer Vielzahl von Daten notwendig, um die Sicherheit gewährleisten zu können. Eine völlig absurde vermischung von Flugsicherheit und Luftsicherheit. Angesichts dieser sehr weit hergeholten Argumentation eines ausgebildeten und mit laut eigenen Angaben 30 Berufsjahren erfahrenen Verkehrspiloten nahm sich selbst die Aussage von Arnd Krummen als Lappalie aus, der den Gesetzesentwurf aus Sicht der Bundespolizei kommentierte und erklärte, dass Learjets überwiegend von Privatpiloten besessen und bewegt würden, die großes Schadenspotential besäßen und demzufolge die ZÜP für Privatpiloten notwendig sei. Und natürlich wurde der FDP, die einmal mehr eine Abschaffung der ZÜP für Privatpiloten forderte, Klientelpolitik vorgeworfen.
Alle drei Jahre zur ZÜP
Rechtsanwalt Frank Dörner versuchte schließlich, die Abgeordneten auf einen grundsätzlichen Fehler der deutschen Gesetzeskonstruktion hinzuweisen. Demnach sei in der EG-Verordnung 300/2008 die Basis für eine Absicherung des Arbeitsumfeldes Flughafen einschließlich der dort agierenden Unternehmen geschaffen worden. Auf die Überprüfung von Piloten zielte dieses Dokument gar nicht ab, so Dörner. Dies sei vielmehr in der EU-Verordnung 1178/2011 geregelt, auf Basis derer in anderen Staaten die Eignung von Piloten für den Platz im Cockpit überprüft würden. Der Versuch, beides in einem Luftsicherheitsgesetz zusammenzubringen, führe zu den Widersprüchen in der aktuellen Gesetzgebung, die mit der geplanten Änderung aber nicht behoben würden.
Eine Änderung im EU-Recht ist übrigens auch die Ursache, warum deutsche Zuverlässigkeitsüberprüfungen ab 2021 nur noch drei Jahre gültig sind: die Durchführungsverordnung zur EG-Verodnung 300/2008 wurde aktualisiert. Demnach gelten einfache Zuverlässigkeitsüberprüfungen nur noch drei Jahre, erweiterte ZÜPs nur noch 12 Monate.
Hinweis: In einer früheren Version des Artikels hieß es, die Grünen hätten für die Gesetzesänderung gestimmt. Korrekt ist aber, dass sie sich enthielten.