Kaum ist der Motorsegler gelandet und hat wieder vor dem Avieur-Hangar am Flugplatz Eisenach-Kindel gestoppt, sieht man einen nach oben gereckten Daumen. Eine 15-Jährige springt heraus und grinst einmal im Kreis. Das Flieger-Virus hat wieder jemanden angesteckt. Auch von den Jungs und Mädels, die nach einem etwa 20-Minütigen Rundflug im Segelflugzeug wieder festen Boden unter den Füßen haben, hört man Sätze wie „Das war richtig cool!“, „Ich hätte nicht gedacht, dass das so abgeht!“ und „Das will ich auch können!“. In all diesen Fällen kann man getrost das Fazit ziehen: Ziel erfüllt.





30 Jugendliche flogen mit
Zum ersten Mal hatte die Luftsportjugend des Deutschen Aero Clubs in diesem Jahr unter dem griffigen Titel „Jugend Fliegt“ ein Event auf die Beine gestellt, bei dem Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren eine Woche lang nahezu alle Facetten der Fliegerei kennen lernen und zum Teil sogar ausprobieren konnten. Angefangen von Mitflügen im Segelflugzeug und im Motorsegler sowie Fahrten im Heißluftballon über Workshops zum Bau von Ballonen, Bumerangs und Raketen bis hin zu Vorträgen über Themen der Allgemeinen Luftfahrt reichte das Angebot.

30 Jugendliche nahmen das Angebot an, mancher bereits im Luftsport aktiv, mancher völlig unbeleckt. Auffällig viele von ihnen erzählten, dass Eltern oder Freunde Piloten sind und zum Teil beruflich fliegen. Das Elternhaus und der Freundeskreis scheinen also noch immer großen Einfluss darauf zu haben, ob jemand den Weg in den Luftsport findet oder nicht – was gleichzeitig auf ein Defizit in der Eigenwerbung von Motor-, Segel- und Gleitschirmfliegern hindeutet. Viele Kids scheinen sich einfach nicht vorstellen zu können, dass es recht einfach und auch bezahlbar ist, das Fliegen zu erlernen. Eine Hausaufgabe für den DAeC und seine Landesverbände ist damit klar – mehr Werbung. Und vor allem effizientere.
Luftfahrt in allen Facetten
Wer allerdings den Weg zu Jugend fliegt gefunden hatte, dem eröffnete sich in Eisenach tatsächlich die Vielfalt der Luftfahrt. In kleinen Gruppen ging es an verschiedene Bastelstationen, wobei vor allem der Stand der Experimental Raumfahrt Interessengemeinschaft – kurz ERIG – für viele ein Highlight gewesen sein dürfte. Unter Anleitung der Luft- und Raumfahrtstudenten bauten die Teilnehmer – unter denen auffallend viele Mädchen waren – eine eigene Rakete, die am Abend nach Flugbetrieb gestartet wurde und nach Erreichen von etwa 90 Metern Höhe mit einem Plopp einen Fallschirm entfaltete, an dem sie sanft zu Boden schwebte. Auch die Balsagleiter-Station setzte in manch coolem Kerl ungeahnte Akribie frei, wenn es darum ging, die Teile so genau zu bearbeiten und zu verleimen, dass das Gerät anschließend sauber geradeaus flog. Und immer wieder dröhnte vom Vorfeld der Lärm des Motorseglers, der entweder einen Gast in die Luft brachte, oder den Janus, den der Angelika Machinek Förderverein Frauensegelflug zur Verfügung gestellt hatte, mit einem der Teilnehmer auf dem Copilotensitz, in die Luft zog.

Die parallel laufenden Vorträge waren nicht weniger Abwechslungsreich als das Praxis-Programm: Die Bundespolizei und der Deutsche Wetterdienst referierten über ihre Aufgaben und die dazugehörigen Berufsbilder, die Sportsoldaten über ihre Streckenflug-Aktivitäten im In- und Ausland, aerokurier-Redaktionsleiter Lars Reinhold über die Faszination des Segelkunstfluges und die Motorflugschule Egelsbach über den Weg zur Pilotenlizenz. Ein echter Informations-Rundumschlag.
Vorbild Schweiz
Die Idee einer großen, zentralen Jugendveranstaltung, bei der alle Luftsportarten vertreten sind, habe es schon länger gegeben, erklärt Bundesjugendleiter Max Heilmann. „Jetzt haben wir es gemacht, und das Feedback der Teilnehmer zeigt, dass wir damit den richtigen Weg gegangen sind.“ Ein bisschen habe man sich die ProAero-Lager des Schweizer Aero Clubs zum Vorbild genommen. Diese Veranstaltungsreihe gibt es bereits seit 37 Jahren, wobei sie massiv vom Schweizer Militär unterstützt wird, das in den Fluganfängern von heute die Militärpiloten von morgen sieht und entsprechend investiert. Bis zu 190 Teilnehmer gibt es jährlich in der Schweiz – ein Wert, von dem „Jugend Fliegt“ bei der Erstauflage noch weit entfernt ist. „Wenn wir 2020 doppelt so viele Teilnehmer wie heute haben, also irgendwo zwischen 50 und 60 landen, dann können wir zufrieden sein“, zieht Max Heilmann sein Fazit und merkt selbstkritisch an, dass man natürlich auch Verbesserungspotenziale ausgemacht habe. „Das gehen wir an und lernen daraus.“

„Ein guter Anfang“, der Lust auf mehr macht
Selbst DAeC-Präsident Stefan Klett ließ es sich nicht nehmen, die Veranstaltung in Eisenach zu besuchen. „Ich bin stolz auf die Luftsportjugend, die mit ,Jugend Fliegt‘ ein tolles Event auf die Beine gestellt hat, das Schule machen muss“, lobte er. Vor allem freue ihn, dass alle Sportfachgruppen mit Angeboten vertreten seien, und dass sich das Betreuerteam aus zehn DAeC-Landesverbänden zusammengefunden habe. „In einigen Bundesländern gibt es ähnliche Veranstaltungen unter dem Begriff AirLebnis, aber da geht es darum, Jugendliche Luftsportler in andere Sparten hineinschnuppern zu lassen. Hier soll vor allem bei Fußgängern Lust aufs Fliegen geweckt werden, und das gelingt unserer Luftsportjugend toll.“

Sven Schlothauer, Mastermind hinter dem Luftfahrt-Showroom Avieur, zollte den Organisatoren ebenfalls Respekt. „Es ist ein Anfang, und zwar ein guter. Ich finde es wichtig, die Jugend auf diese Weise anzusprechen, denn wenn wir uns da heute nicht drum kümmern, fällt uns das in einigen Jahren so richtig böse auf die Füße.“ Die Lutfahrtindustrie brauche engagierte Fachkräfte, seien es Piloten, technisches PErsonal oder geschickte Organisatoren.
In einem sind sich alle Beteiligten einig: Der Anfang ist gemacht, eine zweite Auflage wird es geben. Wieder Anfang August und wieder auf dem Flugplatz Eisenach-Kindel.