Quax: Ausmotten in Bienenfarm

Trainings-Einheit
Quax: Ausmotten in Bienenfarm

Zuletzt aktualisiert am 29.06.2017

Der charakteristische Sound dreier Sternmotoren mit insgesamt rund 1300 PS aus 27 Zylindern lässt die Piste 30 in Bienenfarm vibrieren, während sich die ungewöhnliche Formation zum Start aufstellt. An Position eins ein absoluter Klassiker: die Boeing Stearman. Offenes Cockpit, keine Motorverkleidung – der Doppeldecker schlechthin. Und mit rund 8500 Stück einer der meistgebauten dazu. Ungezählte Male wurde ihm in Filmen gehuldigt: „Der englische Patient“, „Pearl Harbor“, „Space Cowboys“ – die Stearman ist eine Ikone. An Position zwei der Underdog. Gut 11 500-mal gebaut und trotzdem weitgehend unbekannt: die Vultee BT-13. 450 PS stark, 290 km/h schnell und zumindest eingeschränkt kunstflugtauglich. An Position drei komplettiert ein Trainer für Fortgeschrittene die Formation: die Harvard, ein von der Canadian Car and Foundry gefertigter Lizenzbau der North American AT-6. Kaum merklich größer als die Vultee, aber mit mehr Leistung und Einziehfahrwerk, bringt sie ihren Piloten dem Jäger-Feeling schon sehr nahe.

Diese drei Maschinen waren für Kadetten des United States Army Air Corps und der United States Army Air Forces die Stufen, die es auf dem Weg ins Cockpit einer Curtiss P-40 oder Mustang zu beschreiten galt. Auf der gutmütigen Stearman – ihr Kürzel PT-17 steht für Primary Trainer – lernten sie das Fliegen und stiegen über die BT (Basic Trainer) und die AT (Advanced Trainer) schließlich zu den leistungsstarken Kampfflugzeugen auf. Im Rahmen der Ausmotten-Woche beim Quax-Verein kamen die drei Flugzeuge im April im Havelland zusammen.

Das Ausmotten ist die traditionelle Saisoneröffnung für den Verein, der sich dem Erhalt und Betrieb historischer Flugzeuge verschrieben hat. „Es gibt zwei Gründe für die Quaxe, in der Woche nach Ostern nach Bienenfarm bei Berlin zu kommen“, sagt Alexander Stendel, bei den Quaxen für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. „Zum einen ist es eine tolle Fliegerparty, die die über ganz Deutschland verstreuten Mitglieder zusammenbringt, zum anderen wird hier für die Saison trainiert. Das Ausmotten ist ein elementarer Bestandteil unserer Sicherheitsphilosophie.“ Konkret heißt das: Jeder hat auf den Flugzeugen, die er in diesem Jahr fliegen möchte, einen Check-out zu absolvieren. Ein Flug mit Fluglehrer ist Pflicht, die Fluglehrer checken sich gegenseitig.

„Zudem eignet sich die Woche perfekt, um sich auf ein neues Muster einweisen zu lassen“, sagt Stendel und erklärt, wie der Verein den Aufstieg in einer „Typenpyramide“ organisiert hat. Demnach seien einfach zu fliegende Muster wie Chipmunk, Stampe, PA-18 oder Bölkow Junior als A-Flugzeug der Einstieg für Quax-Neulinge. Dabei spiele es keine Rolle, wie viel Flugerfahrung man mitbringt. „Das A-Rating kann nach einem Flug absolviert sein, wenn der Pilot zeigt, dass er es kann.“ Bücker Jungmann, Klemm 107 oder die Boeing Stearman gehören zur B-Kategorie, Do 27 oder Piaggio P.149 sind Piloten mit C-Typen-Berechtigung und Klemm 35 oder Focke-Wulf Stieglitz Piloten mit D-Berechtigung vorbehalten. Wer das gemeistert hat, darf schließlich die E-Typen fliegen. „In diese Kategorie fällt unsere Bücker Student“, sagt Stendel. „Aber nicht, weil sie schwierig zu fliegen ist, sondern weil es die letzte flugfähige weltweit ist! Da sollte man Erfahrung mitbringen und ein Gefühl für den historischen Wert des Flugzeuges haben.“

Aus dem historischen Wert und dem Alter der Flugzeuge ergibt sich die zweite aviatische Dauerbeschäftigung der Quaxe, die auch beim Ausmotten viel Zeit in Anspruch nimmt: das Schrauben. Kleine Zipperlein gehören bei den Oldies einfach dazu. Mal spinnt der Anlasser, ein Relais klemmt, oder die Batterie weigert sich standhaft, Strom zur Verfügung zu stellen. „Auch diesbezüglich ist das Ausmotten wie ein Trainingslager, denn wenn man etwas repariert, helfen drei, vier andere mit und lernen dabei gleich wieder etwas über unsere Technik“, sagt Alexander Stendel. Das müsse auch sein, denn wenn man mit den Schätzchen mal unterwegs ist und fernab der Heimat, sollte man wissen, wie man seinen Bock wieder flügge macht.

Am Ende der Woche bleibt das Gefühl, eine gute Zeit mit Gleichgesinnten verbracht zu haben. „Du kommst hierher und hast deinen Spaß mit netten Kameraden“, sagt einer, der sonst bei der Bundeswehr Tornado fliegt. Und eine Piper-Cub-Pilotin schwärmt: „Wenn es nach Bienenfarm geht, ist das ein bisschen wie verliebt sein. Ich hab da echt Schmetterlinge im Bauch.“

aerokurier Ausgabe 06/2017