Projekt IP-Plane: Im Team gemeinsam zum fliegenden Traum

Projekt IP Plane
Im Team zum fliegenden Traum

Zuletzt aktualisiert am 17.01.2024
Im Team zum 
fliegenden Traum
Foto: Paul Jacot

Als der aerokurier die "studentische Flugzeugwerft" besucht, steht die Inspektion der Flügel durch OUV-Prüfer Markus Pöschel auf dem Programm. Mit dabei sind an diesem wichtigen Tag alle derzeit am Projekt IP Plane beteiligten Studenten, ein paar Ehemalige und Professor Jochen Brune, selbst Kunstflugpilot mit eigener Pitts S1-S und der Vater des Projekts IP Plane der Hochschule Reutlingen. Als auch ich den hellen Hangar betrete, liegt Brune am Boden und inspiziert den mächtigen M-14-Sternmotor, das Herzstück jener Pitts Model 12, die hier seit etwa drei Jahren aus einem Bausatz entsteht. Der fertig montierte Rumpfrohbau vermittelt schon jetzt einen lebendigen Eindruck des bulligen Doppeldeckers, der in Insiderkreisen Spitznamen wie "Monster Pitts" oder "Macho Stinker" trägt. Die 1993 von Curtis Pitts gezeichnete Model 11 "Super Stinker" war eine Verbesserung der S-1S und erregte als Prototyp viel Aufsehen. Es dauerte aber noch einige Zeit, bis Kits der Model 12 erhältlich waren und sich die Doppeldecker zu Anfang des neuen Jahrtausends in die Luft erhoben. Genau darum geht es bei diesem Projekt der Hochschule: den Bau eines durch und durch unvernünftigen Kunstflugzeugs mit mehr als 400 PS Leistung aus neun Zylindern. Neben dem Spaß an der Sache gibt es allerdings auch einen pädagogischen Hintergrund.

Robert Kapper

In kleinen Gruppen sitzen die angehenden Wirtschaftsingenieure zusammen und arbeiten gemeinsam an ungelösten Problemen rund um die Pitts. Jedem einzelnen von ihnen sind die Faszination und die Begeisterung für das Projekt anzusehen. Immer wieder entstehen in solchen Gruppen überraschende, oft unkonventionelle Lösungen, wie zum Beispiel die Halterungen für die Benzin- und Bremsleitungen, die am Computer entworfen und mit dem 3D-Drucker hergestellt werden. Obwohl viele der Anwesenden in ihrem späteren Berufsleben vermutlich keine Flugzeuge bauen werden, bereitet das Projekt IP Plane die Studentinnen und Studenten des Fachs "Wirtschaftsingenieurwesen – International Project Engineering" – daher der Name IP Plane – auf die Zukunft vor. Die angehenden Führungskräfte sollen Projektmanagement eben nicht nur theoretisch im Klassenraum lernen, sondern ein industriell geprägtes Projekt unter realen Bedingungen voranbringen. Vom ersten Semester an bekommt an der Hochschule Reutlingen jeder die Chance, sich in verschiedenen Projekten zu engagieren. Als Sahnehäubchen gilt der Bau eines Flugzeugs im sechsten Semester: Etwa 20 Studenten sind in wechselnder Besetzung beim IP Plane dabei. Wer in den Bewerbungsgesprächen mit Jochen Brune Willen und Engagement zeigt, ist an Bord.

Paul Jacot

Das Flugzeug ist nur das Vehikel

Geboren wurde die Idee, ein Flugzeug im Unterricht zu bauen, im Jahr 2012. 20 000 Stunden Arbeit, verteilt auf sechs Jahre, und 36 000 Einzelteile stecken in der damals entstandenen Van’s RV-12. Sie wurde auf den Namen "Ingenious Performance" getauft und hob im März 2018 erstmals ab. Der Erlös aus ihrem Verkauf finanziert heute den Bau der Pitts.

Im Gespräch erläutert Jochen Brune, dass es um mehr geht als "nur" um den Bau eines Flugzeugs. Sein Motto: "Teamwork makes the dream work." "Die Studierenden lernen, wie ein Projekt nach industriellen Maßstäben abläuft, und sie müssen für die Umsetzung alle ihre Fachkenntnisse, Fähigkeiten und Stärken einbringen. Wir profitieren von der leistungsstarken Fakultät Technik mit ihren zahlreichen, hervorragend ausgestatteten Laboren. Ein weiterer Vorteil sind die engen Industriekontakte, die die Professoren aus ihrer Zeit in der Wirtschaft pflegen." Entscheidend sei auch "die Kultur des Engagements": Dabei lernen die Studenten, das anspruchsvolle Projekt zusammen mit ihren Professoren in einem vertrauensvollen und persönlichen Verhältnis zu gestalten. Die Arbeit deckt alle Bereiche vom Projektmanagement über Konstruktion, Qualitätsmanagement, Dokumentation, Marketing bis hin zum Risikomanagement ab. "Projektmanagement kann man nicht allein im Hörsaal erlernen", sagt Brune. Da der Studiengang zu fünfzig Prozent aus technischen Fächern besteht, wird auch praktisches Know-how vermittelt – ohne dieses ginge es im Flugzeugbau ohnehin nicht.

Paul Jacot

Mit Beginn eines jeden neuen Semesters erfolgt die Staffelstabübergabe. Nach einem umfangreichen Briefing übernimmt dann ein neues Team die Arbeit aus dem Vorgänger-semester. In einem Zeitraum von acht bis zehn Wochen bauen die Studenten einen weiteren Abschnitt des Flugzeugs, ehe diese ihre Arbeit erneut der nächsten Generation übergeben.

Nachhaltiger Lerneffekt

Larissa Fix, sie leitete das Projekt im Sommer 2022, erinnert sich gern an ihre Aufgaben: Terminpläne erstellen und aktualisieren, Meetings organisieren und die Teammitglieder bei Problemen unterstützen. Geschätzte 230 Stunden hat sie zusätzlich zu Vorlesungen und Seminaren innerhalb eines Semesters in das IP Plane investiert. "Diese Tätigkeit ist sehr vielseitig, und als Projektleiterin bekommt man Einblicke in alle Bereiche und dadurch in das sogenannte ‚Big Picture‘ eines Vorhabens. Viele Lerninhalte aus dem Studium konnte ich außerdem anwenden." Einige Jahre zuvor leitete Pascal Schmidt das RV-12-Projekt. Dabei hat der heute 25-Jährige vor allem gelernt, mit Problemen umzugehen. Einige Episoden haben sich besonders eingeprägt. "Das Flugzeug war eigentlich schon flugbereit. Wir hatten alles vorbereitet, alle auf dem Campus informiert und wollten den Motor anlassen – doch das ging einfach nicht. Ich habe dann mit meinem Vize-Projektleiter noch bis abends im Hangar gesessen und den Anlasser in seine Einzelteile zerlegt, alles sauber gemacht und wieder zusammengebaut", erinnert er sich. Nerven kosteten auch die Motortests der Van’s, bei denen das Kühlwasser schnell zu kochen begann. Die Lösung war dank systematischer Suche schnell gefunden: Das Kühlsystem war zwar eingebaut und befüllt, es wurde aber vergessen, die Transportstopfen zu entfernen.

Paul Jacot

Der Ausblick aufs fertige Flugzeug motiviert, am Ball zu bleiben. Die Model 12 ist ein solides Vehikel mit 845 Kilometern Reichweite, bis zu 150 Knoten Cruise Speed und Lastvielfachen von +6 bis -4,5 g. Zumindest in der Sportsman- und Intermediate-Kategorie ist sie damit ein ernst zu nehmendes Sportgerät. Allerdings machen die Doppeldecker-Konfiguration und der hohe Luftwiderstand die Pitts im Vergleich zu den modernen Mustern etwas behäbig, sodass spätestens in der Advanced-Klasse die Luft dünn wird. Auf Airshows ist die Pitts ein Hingucker mit unverwechselbarem Flugbild und kernigem Sound. Um die Figuren nachvollziehbar an den Himmel zu zaubern, gibt es ein passendes Rauchsystem. Bei moderatem Powersetting darf der Pilot mit einem Kraftstoffverbrauch von knapp unter 50 Litern pro Stunde bei 130 Knoten rechnen. Sparsam ist das nicht, doch dafür ist der Sternmotor ausgesprochen zuverlässig. Im Showmodus sollte man sich allerdings gut anschnallen und die Tankuhr im Auge behalten. Wer es krachen lässt, darf sich über eine Steigleistung von angeblich 3500 Fuß pro Minute freuen.

Paul Jacot

Bei allem Ernst und Eifer soll der Spaß nicht zu kurz kommen. Genauso alt wie das Projekt IP Plane selbst ist die "CaIPi-Night", ein weiteres von Studenten organisierten Projekt. Bei Caipirinha und Cocktails tanzen und feiern hunderte Studenten – logisch, dass auch hierfür die erlernten Skills eingebracht werden. Um bargeldlos bezahlen zu können, wurden "CaIPi-Dollars" entworfen und in der Spritzgussmaschine hergestellt. Klar, dass da auch mal der Chef hinter der Bar steht.