Cessna-Oldtimer in Schottland: eine besondere Reise

Mit einer 1949er Cessna in die Highlands
Eine besondere Reise mit einem besonderem Flugzeug

Veröffentlicht am 02.12.2023

Ende 2022 halte ich die Luftfahrtzeitschrift "Fliegermagazin" in den Händen. Darin wird eine organisierte Reise für zehn bis zwölf Flugzeuge nach England und Schottland angeboten. Ich habe schon lange von einem Flug dorthin geträumt und rufe gleich meinen alten Freund Alex Milanowski an. Er hat sich vor Jahren seine ersten fliegerischen Sporen als junger Berufspilot mit unserer Absetzmaschine am Flugplatz Soest verdient. Alex, inzwischen Jockey eines Jumbo Jets bei Lufthansa, überlegt nicht lange und ist sofort dabei. Nach der Anmeldung vergehen sechs Wochen, bis ich benachrichtigt werde, dass wir in der Reihenfolge der Anmeldungen zu spät seien und deshalb nicht berücksichtigt werden könnten. Wir überlegen nicht lange und beschließen, das Ding allein durchzuziehen.

Norbert Meier

Die Reiseplanung beginnt

Unser Transportmittel soll eine Cessna 170A, Baujahr 1949, mit dem Kennzeichen D-EATA sein. Ich bin zwar nicht mehr der Besitzer des betagten Taildraggers, darf das Flugzeug aber glücklicherweise weiterhin fliegen. Am 14. August soll es losgehen. Alle Karten im Papierformat von Belgien, Frankreich, Großbritannien und Schottland habe ich besorgt, und wir machen uns an die Flugplanung. Unser erstes Ziel soll ein kleines Farm Airfield in der Nähe der Ortschaft Popham sein. Dort baut ein alter englischer Springerfreund das Kitplane Sport Cruiser zusammen. Pete füttert uns schon mal mit allen "Do‘s and Dont‘s" im englischen Luftraum. Wir freuen uns auf das erste Zusammentreffen.

"Woher soll der Motor das wissen?"

Unser erstes Leg führt bei guten VFR-Bedingungen von Soest über Ailertchen nach Le Touquet an der Kanalküste. Dort wollen wir die Formalitäten für Einreise und Zoll mittels General Aviation Report (GAR) erledigen. Da wir keine Total-Fuel-Karte besitzen, ist der Preis fürs Avgas mit weit über drei Euro pro Liter mehr als fürstlich. Dann geht es an die Kanalüberquerung, und wir legen die Schwimmwesten an. Die werden wir für den Rest unseres Trips im Cockpit nicht mehr ablegen, da wir jeden Tag mehr oder weniger weit übers Wasser fliegen. Der Spruch "Woher soll der Motor wissen, dass wir übers Wasser fliegen?" wird für die kommenden acht Tage zum Ritual.

Norbert Meier

Von der Südküste nach Southampton

Nach Überfliegen des Kanals passieren wir Eastbourne an der englischen Südküste und wollen dann um London herum einen weiten Bogen nach Westen machen. Das typisch englische Wetter macht uns allerdings einen Strich durch die Rechnung, denn die Untergrenzen sinken auf rund 700 Fuß, und das ansteigende Gelände verschwindet kurze Zeit später in den Wolken. Also fliegen wir eine 180-Grad-Kurve und nehmen Kurs zurück nach Shoreham an der Südküste. Nach zwei Stunden hat der Himmel von Westen her aufgeklart, jetzt können wir weiter Richtung Southampton. Eine Anfrage beim Towerlotsen für einen Durchflug der CTR ergibt wider Erwarten: "Stand by, I work something out for you." Der Lotse führt uns bei 700 Fuß Wolkenuntergrenze quer durch die CTR. Unsere englischen Freunde werden später übereinstimmend sagen, dass so etwas hier noch niemand vorher geschafft hat. Etwa 20 Minuten später liegt unser Tagesziel, das Firs Farm Airfield, vor uns. Es gibt im Vereinigten Königreich über 300 solcher Farm Airfields mit 500 bis 600 Meter langen Graspisten, die keine ICAO-Kennung haben. Nach Anmeldung (PPR) bekommt man in der Regel eine Freigabe zur Landung. Unser Freund Pete hat in Newbury ein Hotel für uns gebucht. So verbringen wir unseren ersten Abend auf der Insel gut gelaunt bei ein paar Pints.

Ed Jones

Viel Verkehr im LFC

Am Tag danach soll es Richtung Glenforsa in Schottland gehen. Pete verabschiedet sich noch mit guten Ratschlägen für den Low Flying Corridor zwischen der CTR von Liverpool und Manchester. Er warnt uns nachdrücklich, die obere Begrenzung von 1300 Fuß und die seitliche Begrenzung von vier Nautischen Meilen nicht um einen Fuß zu überschreiten. Als wir uns kurze Zeit später bei London Information anmelden und unser Routing durchgeben, kommt als erste Frage, ob wir uns mit dem Low Flying Corridor vertraut gemacht haben. Man muss sich vorstellen, dass sich in dieser geringen Höhe und auf einem sehr schmalen Korridor alle VFR-Flieger auf dem Weg von Süd nach Nord begegnen. Es sind also höchste Aufmerksamkeit und eine gute Luftraumbeobachtung gefragt. Direkt nach dem Durchfliegen des Korridors peilen wir den Flughafen Manchester/Barton an, um unsere alte Cessna vollzutanken. Hier erleben wir zum ersten Mal, wie luftfahrtbegeistert die Briten sind. Etliche Flughafenmitarbeiter und auch einige Spotter zücken ihre Kameras oder Handys und fragen uns, ob sie unser Schmuckstück fotografieren dürfen.

Norbert Meier

Schottland: schroffes Gelände und herzliche Menschen

Je weiter wir nach Norden fliegen, desto überwältigender wird die Landschaft. Schroffe Küstenstreifen und zahllose kleine Inseln prägen das Bild. Der Gedanke, hier eine Notlandung einleiten zu müssen, erregt ein wenig Unbehagen. Mein Blick heftet sich immer öfter auf Öldruck und Öltemperatur – jedes Zucken der Nadeln wird kritisch beäugt. Wir erreichen den schottischen Luftraum und werden gleich an Scottish Information weitergegeben. Beim Funken stellen wir fest, dass sich die Meldungen zuerst wie eine Art Maschinengewehrfeuer anhören. Aber sobald wir uns mit dem D-Kennzeichen melden, schalten die Lotsen auf "Einzelfeuer", sprechen langsam und artikuliert. Auf diese Weise sind sogar die Schotten gut zu verstehen. So erreichen wir bei bestem VFR-Wetter nach vier Stunden und 15 Minuten den Flugplatz Glenforsa auf der Isle of Mull mit 780- Meter-Grasbahn. Dort steht ein wunderschönes Hotel im kanadischen Blockhausstil. Taildragger werden hier besonders freundlich willkommen geheißen, da der Flugplatzbesitzer, Brandon Walsh, eine eigene Boeing Stearman im Hangar stehen hat und mehrmals im Jahr an diesem Ort Taildragger-Treffen organisiert. Wir freunden uns sofort an und verbringen einen fröhlichen Abend.

Norbert Meier

Strandlandung

Am nächsten Morgen fliegen wir zum Tanken zu dem zehn Minuten entfernt gelegenen Flughafen Oban. Denn wir haben einen verwegenen Plan für diesen Tag: Bei guten VFR-Bedingungen steht der Flugplatz Barra auf dem Programm. Die gleichnamige Insel gehört zu den Äußeren Hebriden und hat eigentlich gar keinen richtigen Flugplatz, sondern eine flache Bucht, die nur bei Ebbe anfliegbar ist. Täglich gibt es hier zwei Linienflüge mit der Twin Otter von und nach Glasgow – allerdings jeden Tag zu verschiedenen Zeiten, da sich Ebbe und Flut nicht an Flugzeiten halten.

Norbert Meier

Abenteuerflug zu den Äußeren Hebriden

Unser erstes Ziel auf der Tour zu den Äußeren Hebriden ist der kleine Flugplatz Plockton. Es gibt dort lediglich eine 597 Meter lange Betonbahn, keine Menschenseele ist dort zu sehen. Wir setzen eine Blindmeldung ab, schauen bei einem Überflug, wie der Wind steht und ob Schafe oder Gänse auf der Bahn sind. Dann landen wir. Zum Bezahlen der Landegebühr gibt‘s eine "Honesty Box".

Norbert Meier

Landebahn oder Pfütze?

Nach einem Spaziergang durch das Fischerdörfchen Plockton fliegen wir weiter nach Barra. Leichte Wolken mit Untergrenzen von 1500 Fuß und Sichten bis zum Horizont bei drei Knoten Wind machen uns die Entscheidung für diesen Tagestrip leicht. Als wir Barra erreichen, wird mir trotzdem mulmig, denn wir können tatsächlich nichts außer einer großen Bucht mit riesigen Pfützen sehen. Die drei in der Anflugkarte verzeichneten Bahnen sind nicht erkennbar. Wir bekommen vom Towerlotsen die Landerichtung 25 zugewiesen. Ich teile Alex meine größten Bedenken für dieses Unterfangen mit. Seine Antwort: "Lass uns den Anflug fortsetzen, bei zehn Fuß über Grund können wir immer noch durchstarten." Also konzentriere ich mich auf Anflug- und Sinkgeschwindigkeit. Irgendwann erwacht die Stall-Warnung quäkend zum Leben. Im gleichen Augenblick berühren die Räder den Boden. Jetzt ist zum Glück auch die letzte große Wasserpfütze unter uns durch.

Norbert Meier

Mast wird "gelöscht"

Wir rollen über den steinharten, glatten Strand bis zum Tower und warten, bis der Adrenalinspiegel wieder einen normalen Wert erreicht. Zu allem Überfluss geht am Tower in diesem Moment eine Alarmsirene los, und wir befürchten das Schlimmste. Die Flughafenfeuerwehr nutzt unsere Landung für eine Übung, rast mit Blaulicht und Horn über den Strand und wässert am Horizont einen Holzmast, der bei Ebbe aus dem Wasser auftauchend den Beginn der Piste markieren soll. Als wir unsere Landegebühr bezahlen, teilt uns die Towerlotsin mit, dass unsere Landung besser war als viele Landungen der Twin Otter. Ich glaube, dass sie das allen fremden Piloten sagt, die sich hierher ans Ende Europas verirren. Trotzdem bin ich stolz. Etwas später fliegen wir zurück nach Oban zum Auftanken sowie zum Abspritzen von Fahrwerk und Bremsen mit Süßwasser.

Norbert Meier

Eingekesselt von Bergen und Wolken

Wir wollen an diesem Tag noch nach Edinburgh und machen uns gleich wieder auf den Weg. Da die Wolken auf den Highlands bis 3000 Fuß aufliegen, gibt es für uns nur einen Weg: den Great Glen. Dieser Korridor besteht aus drei langgezogenen Seen, angefangen im Südwesten bei Fort Williams mit dem Loch Lochy, Loch Oich und Loch Ness und zieht sich über rund 120 Kilometer ohne Hindernisse bis Inverness. Das Fliegen durch dieses Tal gleicht einer Fahrt durch einen Tunnel, denn die aufliegenden Wolken verhindern einen Kurswechsel nach Norden oder Osten. Erst kurz vor Inverness lichten sich die Wolken, und wir können direkten Kurs auf Fife/Glenrothes nehmen. Auch hier ist keine Menschenseele am Funk. Wir geben wieder Blindmeldungen ab und landen.

Fly-Over und Haggis: Edinburgh hat viel zu bieten

Zwei nette Menschen, die gerade an ihrer RV -8 schrauben, bieten sofort an, uns zum Zug Richtung Edinburgh zu bringen. Dort erwartet uns ein besonderes Spektakel, denn im August findet hier das Edinburgh Festival statt. Die historische Altstadt brummt und vibriert von Tausenden Besuchern, die sich die täglich und überall in der Stadt organisierten Straßenkonzerte und Acts ansehen. Unser Highlight ist das Royal Military Tattoo, ein militärisches Musikfestival in einem eigens dafür gebauten Stadion unterhalb des Schlosses für 9000 Zuschauer Der höchste RAF-General wird als Ehrengast begrüßt. Exakt 20 Sekunden vor Beginn der Show fliegt ein Eurofighter Typhoon in 300 bis 400 Metern Höhe über das Stadion, zündet genau overhead den Nachbrenner und verschwindet donnernd in den Wolken. Bei uns wäre der Bund der Steuerzahler Amok gelaufen, oder der Pilot hätte seine Lizenz auf Lebenszeit verloren. Aber hier ist es der allabendliche Auftakt der Show. Am Abend zuvor war es eine C5 Galaxy der US Air Force. Die zweistündige Performance ist atemberaubend. Hunderte Dudelsäcke in solcher Perfektion gespielt erlebt man nur selten. Wir verbringen zwei Tage in der Stadt. Alex probiert sogar das schottische Nationalgericht Haggis, gefüllter Schafsmagen – kann man machen, muss man aber nicht.

Verschollen unter der Wolkendecke

Zwei Tage später soll es wieder nach Süden gehen, nach Ashott zum Tanken und dann Richtung Duxford. Das Wetter macht uns aber einen Strich durch die Rechnung, denn etwa fünf Nautische Meilen vor unserem ersten Ziel sinken die Wolken auf 300 Fuß overcast, obwohl uns das TAF 1400 Fuß Untergrenze versprochen hat. Das Wetter hat den TAF offenbar nicht gelesen. Also 180-Grad-Kurve und in 500 Fuß zurück nach Fife/Glenrothes. Scottish Information kann uns auf dem Radar weder sehen noch empfangen. Mehrere Airliner fungieren als Relaisstation und fragen uns nach Standort und Flughöhe. Die Controller sind hörbar erleichtert, als sie uns wieder auf dem Radarschirm haben.

Kleiner Schreck

Am nächsten Tag starten wir den nächsten Versuch. Diesmal lässt uns Newcastle Tower auf 6500 Fuß steigen und führt uns in dieser Höhe on top quer durch die CTR. Diesmal ist Sherburn-in-Elmet unser erstes Ziel zum Tanken. Beim Wiederstart kommt dann der unerwartete Adrenalinstoß, als sich direkt nach dem Takeoff mit einem Knall die linke Motorcowling löst. Wir melden ohne Zögern eine Umkehr mit Landung. Der Towerlotse erkennt das Problem sofort und scheucht alle anderen Maschinen in eine erweiterte Platzrunde. Dann meldet er: " D-TA, you are number one,cleared to land." Auch die Flughafenfeuerwehr erwartet uns schon an der Landebahn. Eine Halteklammer, die sich gelöst hat, ist am Boden in zwei Minuten mittels einer Spitzzange wieder gerichtet. Weitere fünf Minuten später sind wir tatsächlich wieder in der Luft.

Norbert Meier

Das Mekka für Warbirds

Als wir uns Duxford, dem heiligen Boden der Warbirdszene, nähern, hören wir im Funk gleich eine Spitfire sowie eine P-51 Mustang. Sie spielen offenbar "Fangen". Nach der Landung sehen wir, wie vier Tiger Moths, zwei De Havilland Dragon Rapide, eine T 6 und eine doppelsitzige Spitfire den ganzen Nachmittag zu Passagierflügen starten: 30 Minuten für rund 3470 Euro! Den nächsten Tag haben wir für das Imperial War Museum reserviert. Was dort an Warbirds aller Art zusammengetragen und zum großen Teil flugfähig restauriert wurde, ist beeindruckend. Ich zähle allein elf flugfähige Spitfire in den Hallen. Am Tag darauf steht die Heimreise an. Nachdem wir alle Formalitäten erledigt haben, fliegen wir erstaunlich flott über Aachen/Merzbrück – wo die Bundespolizei zur Stelle ist – und weiter über Ailertchen zurück nach Soest.

Norbert Meier