Tausend Meter Piste aus ziegelroter Erde, die bei rund 250 Regentagen pro Jahr oft aufgeweicht sind und wenig Tragkraft besitzen – bei diesen Bedingungen können nur wenige Flugzeuge operieren. Lange galt in Kolumbien die DC-3 als das einzige Transportmittel für Versorgungsaufgaben, aber ihre Tage scheinen gezählt. Nach mehreren Unfällen ist nur noch eine Maschine regelmäßig unterwegs, um Fracht und Passagiere zu den weit entfernten Städten und Dörfern im Süden des Landes zu bringen. Diese sind über eine Fläche halb so groß wie Deutschland verteilt. Die Aufgabe ist für ein einziges Flugzeug somit nicht erfüllbar.

Eine An-26 der AmazonAir und eine Cessna begegen sich im Dschungel. Die Fähigkeit auf kurzen Pisten Starten und Landen zu können, ist hier essentiell.
In die entstandene Lücke sprang Amazon Air mit einer Flotte aus Antonow An-26 und An-32. Ein Totenkopfäffchen ziert die Maschine mit der Kennung HK-4729, die als erste in der Lackierung der neuen Airline erstrahlt. Weitere Motive mit Tieren aus dem Regenwald zieren nach und nach auch andere Flugzeuge, die momentan noch das Farbschema der Muttergesellschaft AerCaribe tragen. Diese hat ihren Hauptsitz in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá, die Frachtflüge mit der Antonow werden jedoch in San José del Guaviare abgewickelt.

Die etwa 55 000 Einwohner zählende Stadt löst allmählich Villavicencio, das lange auch als Hauptstadt für die DC-3 in Kolumbien galt, als Basis für die Lebenslinie in den Regenwald ab. Die Hauptstadt des Departements Guaviare liegt etwa 200 Kilometer südlich von Villavicencio und somit nochmals deutlich näher an der Grenze zum Regenwald. Die dortige Stationierung der Flugzeuge reduziert nicht nur die Flugzeiten, sondern auch die Transportkosten erheblich. Weiter nach Norden geht es mittlerweile über eine gute ausgebaute Straßenverbindung bis nach Bogotá.

Allmorgendlich stehen auf dem Vorfeld in San José drei Antonows für den Flugbetrieb bereit, verlässliche Abflugzeiten gibt es jedoch nicht. Das Wetter ist der bestimmende Faktor für den Start und auch für den Rückflug, der üblicherweise am Nachmittag stattfindet, wenn sich hier nahe dem Äquator die kilometer-hohen, gewittrigen Wolkentürme über dem Amazonasbecken aufbauen.

Gegen Vormittag versammelt sich ein Dutzend Passagiere, bis es dann irgendwann zur Maschine geht. Das Boarding erfolgt direkt über die geöffnete Klappe im Heck. Im Frachtraum geht es rustikal zu, viel Komfort haben die Passagiere nicht zu erwarten. Wo die DC-3 noch halbwegs bequeme Pritschensitze bietet, sind es bei der Antonow harte Metallschalen. Der Ursprung der Turboprop als Truppentransporter für Staaten des Warschauer Pakts ist unverkennbar. Eine Rückenlehne ist auch nicht vorhanden, und die gekrümmte Kabinenwand sorgt für keine gesunde Körperhaltung. Im Vergleich zur mehrstündigen Fahrt über die Dschungelpisten ist der Flug zweifelsohne die bequemere Option, denn immerhin bietet das Flugzeug eine Druckkabine und eine relativ hohe Reisegeschwindigkeit von 330 Kilometer pro Stunde.

Vollgestopfter Frachtraum mit Kartons aller Art.
Im Cockpit geht es im Vergleich deutlich bequemer zu, auch wenn die Ventilatoren aus der Sowjetzeit der schwülen Außenluft nur wenig entgegenzusetzen haben. Eng und laut ist es. Das Instrumentenbrett zeigt sich vollgepackt mit Anzeigen, deren ehemals russische Beschriftung mit entsprechenden englischen Bezeichnungen überklebt wurde. "Die Antonow ist ein riesiger Uhrenladen. Während des Fluges bin ich ständig beschäftigt, alle Instrumente im Blick zu behalten. Daher haben wir meistens auch einen Technischen Offizier mit an Bord", so Co-Pilot Andrés Bejarano.

Auffällig an der Mittelkonsole des Transporters mit seinen zwei Turboprops sind die drei Schubhebel. "Ja, ich fliege im Endeffekt eine dreimotorige Maschine", erklärt Bejarano. Der dritte Hebel ist nämlich für eine zusätzliche Turbine in der rechten Triebwerksgondel bestimmt. "Das ist keine Hilfsgasturbine wie bei anderen Maschinen, die nur dazu dient, dem Flugzeug beim Starten der Triebwerke Strom und Druckluft zur Verfügung zu stellen. Diese Turbine liefert auch noch zusätzlichen Schub, sodass wir sie bei unseren Starts auf den unbefestigten Pisten einsetzen. Das ist insbesondere hilfreich, wenn die Startstrecke verkürzt, der Boden durch den Regen wieder einmal aufgeweicht ist oder die Piste etwa eine Steigung besitzt. Und für Außenstehende ist es auch ein imposantes Spektakel, wenn die An-26 mit großem Lärm so gar nicht nach ‚Propellerflugzeug‘ klingt."

Drei Hebel bei einer Zweimot? Der kleine Schubregler steuert das Turbojet-Triebwerk in der rechten Motorgondel - ein kleiner Booster für mehr Power beim Start.
Der Lautstärkepegel ist auch in der Kabine nicht zu unterschätzen, nichtsdestotrotz ist das Piepen unzähliger Küken aus einer Palette Pappkartons während des Fluges nicht zu überhören. Sie sind aber nur ein kleiner Teil der Fracht, die diesmal in den Dschungel gebracht wird. Nach etwa 30 Minuten geht es in den Queranflug. Kurz zuvor hatte sich die Maschine zwar bereits über Funk angemeldet, aber ein letzter Kontrollblick auf eine hindernisfreie Piste ist in der Dschungelfliegerei gang und gäbe. Zudem ist der Vorbeiflug für die Bewohner am Boden ein deutliches Zeichen, die Landebahn zu räumen.

Die Versorgungsflüge bringen Abwechslung in den Dschungelalltag
Nach dem Ausrollen wartet bereits das Empfangskomitee auf die bis zu fünfeinhalb Tonnen Güter im Frachtraum, der ein Volumen von 30 Kubikmetern bietet. Neben den Küken sind diesmal auch Kühlschränke, Schreibtische, Fahrräder und Fernseher an Bord. Der Transporter ist hier mitten im Dschungel wahrlich die Verbindung zur Außenwelt. Und im Vergleich zur DC-3 spielt er mit seiner absenkbaren Frachtrampe deutliche Vorteile aus beim Entladen, das per Hand geschieht.

Die Heckrampe erleichtert das Be- und Entladen der Maschine enorm.
Nach nicht mal einer Stunde Stehzeit ist der Frachtraum geleert, etwas Fisch und Obst sind eingeladen und die Pause der Crew vorbei. Es geht wieder zurück nach San José und anschließend auf die zweite Tour des Tages, diesmal über den Äquator nach Leticia, direkt am Ufer des Amazonas.