Tragschrauber Brako Gyro GT

Tragschrauber
Brako Gyro GT

Zuletzt aktualisiert am 24.02.2016
Brako Gyro GT

Wer hierzulande mit einem neuen Tragschrauber erfolgreich sein möchte, der muss schon überzeugende Argumente liefern. Rückläufige Verkaufszahlen deuten auf einen gesättigten Markt hin, den sich die etablierten Mitbewerber nicht leicht streitig machen lassen. Trotzdem: Das italienische Unternehmen Carpenterie Pagotto aus Treviso versuchte auf der AERO mehrfach, mit seinem Brako GT genannten Tragschrauber bekannt zu werden. Ohne deutsche Musterzulassung fand der konventionelle Tandemsitzer aber kaum Beachtung.

Doch Claudio Pagotto, Chef der Firma, arbeitete im Stillen an der Zulassung, die der DULV im Januar 2014 ausstellte. Vertriebspartner ist Herbert Lehner aus dem niederbayerischen Eggenfelden, dessen Firma Gyrotrade den deutschen Luftraum für den Brako Gyro GT erschließen möchte.

Ich treffe ihn am Flugplatz Eggenfelden. Auf den ersten Blick sieht der gelbe Brako Gyro GT fast wie ein MTOsport aus: offene Bauweise, Tandemsitzanordnung, unverkleideter Rotax-Motor, Leitwerk mit drei senkrechten Finnen. Bei näherer Betrachtung fällt der lackierte Mast aus Edelstahl auf. Das robuste Fahrwerk besteht aus einer geschweißten Kastenrohrschwinge aus Aluminium. Die Zelle ist aus Carbon laminiert. Eine verriegelbare Klappe erleichtert dem Piloten den Einstieg, für den Hintermann gibt es eine kleine Trittstufe.

„Lass mich doch gleich mal die Sitzprobe machen“, sage ich zu Herbert und bin gespannt, wie ich meine 1,90 Meter Körpergröße auf den Pilotensitz bringe. Obwohl ich auch bei diesem Muster nicht auf den Zellenboden treten darf, ist der Einstieg einfach. Auch im Innenraum stören meine Beine nicht, und meine Knie verdecken auch keine Instrumente. 

Unsortiertes Panel, gutes Platzangebot

Das Panel beherbergt einen regelrechten „Uhrenladen“: In der oberen Reihe sind Benzindruckanzeige, Variometer, Fahrtmesser und  Höhenmesser angeordnet, in der zweiten Reihe Pneumatikdruck, Ladedruck, Rotordrehzahl (digital), Motordrehzahl (analog), Funkgerät und Magnetkompass – das alles leider ohne erkennbare Logik. Schalter und Sicherungen hingegen liegen übersichtlich nebeneinander in dritter Ebene.

Dann nehme ich hinten Platz. Auch hier ist das Platzangebot gut, nur der Sitz könnte breiter sein, denn ich spüre deutlich die Sitzkanten rechts und links. Die Rückenlehne des Vordermannes ist weit hochgezogen, weshalb die Windschutzscheibe eher niedrig gehalten ist.

Die Rotorblätter aus Aluminium werden im eigenen Hause hergestellt. Zum Vorrotieren des 8,50-Meter-Rotors wird die Motorenergie mittels einer mechanischen Spannrolle abgenommen und über eine starre Welle nach oben geführt. Auffällig bei diesem System ist das robuste Umlenkgetriebe. Die Rotorbremse arbeitet pneumatisch, ist jedoch nicht wirklich effektiv und erfordert Nachbesserung.

Um mehr Motorleistung zu erhalten, wurde in diesem Brako der Rotax 912 mit einem Turbolader aus dem Automobilbereich eingebaut. Claudio Pagotto nennt diesen 125 PS (92 kW) starken Motor 912 Super Turbo. „Zugelassen ist der Brako ja bereits mit dem Rotax 914. Für den stärkeren Motor wurde aber eine Erweiterung der Zulassung erforderlich“, erklärt Herbert Lehner. Und weiter: „Deshalb fliegen wir noch mit VVZ.“ Es ist heiß am Flugplatz Eggenfelden. 36 Grad Celsius zeigt das Thermometer. Genau richtig für das Fliegen mit offenem Cockpit, aber ein hartes Stück Arbeit für den Motor. Als Dichtehöhe überschlage ich knapp 4000 Fuß. Beim Rollen lässt sich der Brako leicht und präzise steuern und bremsen.

Das Flugverhalten ist rundum ausgewogen

Zum Vorrotieren schiebt man einen Hebel auf der linken Seite – ähnlich dem weiter vorne platzierten Gashebel – langsam nach vorne und führt dabei Motorleistung zu. Hat der Rotor 200 U/min erreicht, lässt man los, und der Hebel springt zurück in die Ausgangsposition und verriegelt selbstständig. Beim Rollen hebt sich die Nase zwar schnell, starkes Nachdrücken ist aber nicht erforderlich. Bei 80 km/h geht es mit 3,5 m/s dem Himmel entgegen – wohlgemerkt mit fast maximalem Abfluggewicht (470 kg) und bei hohen Außentemperaturen. Der Motor dreht dabei mit 5400 Umdrehungen, der Rotor mit 360 U/min. Im Horizontalflug steigt die Fahrt bei diesem Powersetting schnell auf 165 km/h, der VNE. Nun reduziere  ich die Motordrehzahl auf 4800 und lese 150 km/h ab, bei 4300 U/min sind es noch  100 km/h. Auffallend dabei ist die hohe Eigenstabilität im Horizontalflug.

Bis 35 km/h TAS kann ich die Höhe halten, dann stellt sich Sinken ein. In der vertikalen Autorotation zeigt das Vario 9 m/s, ein guter durchschnittlicher Wert für diese Gewichtsklasse. Während aller Manöver sind deutliche, aber nicht übermäßig starke Steuerkräfte erforderlich. Um das Drehmoment des Turbomotors im Griff zu halten, muss ich ordentlich Pedaldruck geben. Als ich den Brako im Endanflug schwanzlastig trimmen möchte, und den unteren der beiden übereinander angeordneten Taster am Steuerknüppel drücke, stelle ich dabei keinerlei Wirkung der elektrischen Trimmung fest. Am Boden erfahre ich von Herbert Lehner, dass ich den oberen Knopf hätte betätigen müssen. Ein Punkt, der möglichst bald angepasst werden sollte.

Flugfertig kostet der Brako GT inklusive dem 125 PS (92 kW) starken Motor und Funkgerät ab 60 700 Euro. Damit liegt der  Tragschrauber unterhalb der Preise vergleichbarer Mitbewerber. Angesichts der gutmütigen Flugeigenschaften und der robusten Konstruktion dürften sich Einsteiger und Flugschulen angesprochen fühlen.

Technische Daten

Carpenterie Pagotto Brako Gyro GT

Bauweise: offener Tragschrauber mit Tandemsitzen in Gemischtbauweise
Antrieb: 912 Super Turbo mit 92 kW (125 PS) und Duc-Dreiblattpropeller

Abmessungen

Länge :4,98 m
Breite: 1,90 m
Höhe: 2,68 m
Rotordurchmesser: 8,50 m

Massen und Mengen

Leermasse: 280 kg
MTOW: 470 kg
Tankinhalt: 60 l/43 kg

Leistungen   

Reisegeschwindigkeit: 155 km/h
zul. Höchstgeschwindigkeit: 164 km/h
Mindestgeschwindigkeit: 35 km/h

aerokurier Ausgabe 10/2015