Es begann mit einem Anruf aus Mengen in der aerokurier-Redaktion. Am Telefon: Waseem Qureshi, die neue Nummer eins beim schwäbischen UL-Hersteller Comco Ikarus, wie wir später noch erfahren werden. Warum wir in unserer Meldung über die Ultraleichtzulassungen im Jahr 2024 schreiben würden, dass nur eine C42 – zudem als Re-Import ausgewiesene – neu zugelassen wurde, möchte der Mann wissen. Da kommt dann die Sache mit dem Journalismus ins Spiel, kontert der Redakteur: Wenn der aerokurier Comco Ikarus als Marktführer lobt, schreibt er eben auch, wenn es mal nicht rund läuft. Es folgte prompt die Einladung nach Mengen, um die ganze Geschichte hinter der Statistik zu erfahren. Angenommen, wir sind dabei!
Angekommen im Werk direkt am Flugplatz, empfangen mich Geschäftsführer Horst Lieb und Waseem Qureshi, der sich seit letztem Jahr unter anderem um die Vermarktung des populären Schulterdeckers und die Materialbeschaffung kümmert. Die Struktur der C42 besteht fast ausschließlich aus verschraubten Aluminiumrohren, Flügel und Leitwerk sind bespannt. Die einfache Bauweise ist fester Bestandteil des Erfolgsrezepts von Comco Ikarus. Metallteile wie Bugradgabel, Motorträger, Wärmetauscher und Teile der Steuerung werden von der AM Schweißerei in Bisingen produziert. Rumpfverkleidung, Cowling sowie viele weitere Teile sind aus GFK und CFK gefertigt, die von der ungarischen Firma Flytech zugeliefert werden – oder besser gesagt wurden. Denn dort lagen die Probleme, die zum vorübergehenden Stillstand der Produktion führten, wie Qureshi erklärt: "Die Kunststoffteile der Firma Flytech waren stets von höchster Qualität und wurden deshalb auch von anderen Herstellern geschätzt. Das bescherte dem Unternehmen einen Großauftrag eines renommierten Flugzeugherstellers, welcher gerne angenommen wurde. Dieser Auftrag überstieg allerdings die Fertigungskapazitäten. Es wurde jedoch ein anderes Unternehmen in Ungarn gefunden, welches von Flytech die Negativformen erhielt, um die Produktion für Comco weiterhin sicherzustellen. Im guten Glauben an eine zeitnahe weitere Lieferung in der bewährten Qualität wurde diese Übergabe leider weder dokumentiert noch vertraglich abgesichert."

Dank eines neuen Zulieferers stimmt die Qualität der Kunststoffteile wieder.
Formen in den falschen Händen
Schon bald wurden die für die Produktion dringend benötigten Kunststoffteile angeliefert, doch beim Öffnen der Kisten offenbarte sich eine "Katastrophe", wie es Qureshi ausdrückt "Die Qualität der Teile war vollkommen unakzeptabel. Neben der mangelhaften Maßhaltigkeit und Oberfläche fanden sich Lufteinschlüsse und Fehler bei der Verarbeitung des Gewebes." Daraufhin habe Comco Ikarus die sofortige Herausgabe der Formen verlangt, was aber verweigert wurde. Stattdessen habe das Unternehmen behauptet, Eigentümer der Formen zu sein und für deren Rückgabe eine Auftragsentschädigung in Höhe von 700.000 Euro gefordert. Im folgenden Gerichtsverfahren habe Flytech sogar das Eigentumsrecht von Comco Ikarus an den Formen bezeugt – das ungarische Gericht entschied dennoch anders und man hatte nunmehr weder Composite-Teile noch die zugehörigen Formen.
In der Folge musste die Produktion unterbrochen werden und es konnten vorerst keine weiteren Flugzeuge ausgeliefert werden. Die Zahlungsverpflichtungen an die anderen Zulieferer und die Löhne der Mitarbeiter liefen indes weiter. "Das wurde zu einer unkalkulierbaren Belastung für das Unternehmen", sagt Qureshi.
Auch die AM Schweißerei GmbH in Bisingen als Hauptzulieferer war von dem Produktionsstopp direkt betroffen, sicherte aber mit dem notwendigen Kapital im Rücken den Fortbestand des angeschlagenen Flugzeugbauers. So wurden im September 2024 sämtliche Geschäftsanteile von Comco Ikarus an AM übertragen. Offizielle Beziehungen zwischen Waseem Qureshi und dem Unternehmen bestehen nicht, wenngleich er dort involviert ist und sich etwas geheimnisvoll als "Sprecher" von AM bezeichnet. Das passt zum Wesen von Qureshi, der sich auch nicht für ein Foto zur Verfügung stellen möchte. Horst Lieb ist weiterhin als alleiniger Geschäftsführer an Bord.
Nach diesem Gespräch führt mich Qureshi durch die Produktionshalle, in die das Leben zurückgekehrt ist. Drei fertige C42 sowie zwei weitere im Rohbau zeugen von der wieder aufgenommenen Arbeit. Ein Mitarbeiter zeigt mir eine Cowling aus der aktuellen Serie – in der Composite-Produktion setzt der schwäbische Hersteller wieder auf Qualität "Made in Germany". Insgesamt 46 Formen wurden neu gefertigt, aus denen jetzt wieder Teile in bewährter Qualität kommen. Verantwortlich ist ein neuer Zulieferer aus der Region.

Die Regale sind prall gefüllt mit Teilen, die man zum Bau neuer C42 braucht.
Alle Materialregale sind bis oben gefüllt – allein die Menge an Propellerspinnern, Kühlern und sonstigen Teilen untermauert Qureshis Aussage, dass Aufträge für 48 Ultraleichtflugzeuge im Wert von mehr als fünf Millionen Euro vorliegen. In einem Nebenraum stehen Kisten mit neuen Rotax-912-Vergasermotoren, von denen insgesamt 50 Stück bestellt worden seien. Die beiden Produktionshallen sollen im nächsten Jahr mit einer weiteren, 800 Quadratmeter großen Halle verbunden werden. Die Planung dafür hat begonnen.

Rund 50 Rotax-Motoren sind bestellt, um die Aufträge abzuarbeiten.
Neues Modell in Entwicklung
Obwohl der Trend bei Ultraleichtflugzeugen eindeutig in die Richtung "höher, schneller, weiter, teurer" geht, bleibt die C42 ihrem Marktsegment als vergleichsweise preisgünstiger Allrounder treu. Privatkunden, Flugschulen und Vereine schätzen sie als robustes Arbeitstier, das sich bei einer Reisegeschwindigkeit von bis zu 190 Kilometern pro Stunde und einer Zuladung von bis zu 270 Kilogramm nicht hinter den Wettbewerbern verstecken muss. Die C42 fliegt in mehr als 30 Ländern, eignet sich zum Segelflugzeug- und Bannerschlepp und kann sowohl mit Schwimmern als auch mit Ski ausgerüstet werden. Sogar als Sprühflugzeug war sie schon mancherorts im Einsatz.
Stand in den vergangenen Jahren Produktpflege der C42 bis zur aktuellen Version CS auf dem Programm, ist jetzt mit externer Hilfe ein neues Modell in Arbeit. Einige Details werden dem aerokurier schon verraten: mehr Kopffreiheit, verstellbare Einzelsitze und Doppelsteuerung statt zentralem Steuerknüppel sollen die Neue von Comco auszeichnen. Anschauen und fotografieren? Dazu kommt es bei unserem Treffen leider nicht mehr, aber das Versprechen, dass noch in diesem Jahr einiges zu erwarten sei. Das Ziel ist jedenfalls klar: Comco Ikarus schaut optimistisch in die Zukunft und möchte in der Zulassungsstatistik bald wieder ganz weit oben landen.
Hintergrund: Die Geschichte von Comco Ikarus
Der am Flugplatz Mengen-Hohentengen beheimatete Hersteller von Ultraleichtflugzeugen begann unter Firmengründer Rolf Lieb vor einem halben Jahrhundert mit dem Bau von Hängegleitern, die schnell zum bevorzugten Fluggerät erfolgreicher Wettbewerbspiloten wurden. 1982 erschien die Sherpa, Comcos erster einsitziger Dreaichser, dessen kontinuierliche Weiterentwicklung über die C22 schließlich zur bekannten C42 führte. Mit insgesamt mehr als 1500 verkauften Fluggeräten der unterschiedlichen Modelle etablierte sich Comco Ikarus als Weltmarktführer im Ultraleichtflugzeugbau. Das Unternehmen ist zudem Pionier bei der Installation von Gesamtrettungssystemen.