Was ein Segelflieger liebt, ist für Ballonfahrer ein Graus

Interview
„Was ein Segelflieger liebt, ist für Balloner ein Graus“

Zuletzt aktualisiert am 11.11.2021
„Was ein Segelflieger liebt, ist für Balloner ein Graus“
Foto: Andreas Baus, DFSV
Deutschland ist nach Angaben des DAeC die Ballon-Nation Nummer eins: Rund 1300 Ballonfahrer sind im Deutschen Freiballonsport-Verband und den DAeC- Landesverbänden organisiert. Von Unfällen hört man dennoch selten. Ist Ballonfahren im Vergleich zu anderen Luftsportarten sicherer?

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nahm der Ballonsport sehr schnell wieder Fahrt auf, und nach kurzer Zeit wurde auch der Deutsche Freiballonsport-Verband gegründet. In unserer über 70-jährigen Tradition sehen wir nach wie vor unsere Kernaufgabe darin, alles dafür zu tun, das Ballonfahren in Deutschland zu fördern, und dies vor allem sicher und unfallfrei. Grundsätzlich sind Sicherheit und auch Naturschutz die obersten Prioritäten beim Luftsport. Bei uns Ballonfahrern wird auf diese Thematik bereits in der Ausbildung besonders Wert gelegt. Natürlich sind Ballone vom Wetter deutlich abhängiger als Flächenflieger, weshalb die richtige Einschätzung meteorologischer Daten besonders gelehrt und in Auffrischungen verinnerlicht wird. Ich bin davon überzeugt, dass alle Luftsportarten bei verantwortungsvollem Handeln sehr sicher sein können.

Andreas Baus, DFSV
Im Jahr 2019 verunglückte ein Heißluftballon nahe Korbach bei der Landung, vor Kurzem ist der Abschlussbericht der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) veröffentlicht worden. Sind Pilotenfehler beim Ballonfahren, wie ihn die BFU auch in diesem Fall feststellte, vergleichbar mit Pilotenfehlern bei Unfällen von Motor- und Segelflugzeugen?

Ja, natürlich. Leichtsinn oder Fahrlässigkeit durch Piloten sind das größte Risiko für Unfälle in der Luftfahrt. Aber trotzdem ist es bei Unfällen wichtig, die Zusammenhänge genau zu analysieren und zu reflektieren. Wir sind immer bestrebt, in unseren Fortbildungen die daraus gewonnenen Erkenntnisse einfließen zu lassen und auch beispielsweise in Standardverfahren bereits bei der Ausbildung zu trainieren. So wären in dem von Ihnen angesprochenen Unfall durch die Anwendung des Standardverfahrens "Pilotflamme beim Landen löschen" die schlimmen Folgen der Brandverletzungen zu verhindern gewesen. Gerade Standardprozesse und regelmäßiges Anwenden führen unmittelbar zu mehr Sicherheit.

Der Luftraum in Deutschland wird auch für Ballonfahrer immer enger. Welche Gefahren sehen Sie für Flächenpiloten durch Ballonfahrer und umgekehrt?

Wenn alle Nutzer des Luftraumes sich an Regeln und Vorschriften halten und vor allem Rücksicht und Vorsicht walten lassen, ist sicheres Fliegen und Fahren für alle Beteiligten ohne Risiko möglich. Ballonfahrer haben natürlich gerade in den Sommermonaten den Vorteil, dass in den frühen Morgenstunden beziehungsweise am Abend der Luftraum weniger frequentiert ist. Daher der alte Ballonfahrerspruch: Morgens die Ersten und abends die Letzten.

Wie reagieren Ballonpiloten bei gefährlichen Annäherungen von Segel- oder Motorflugzeugen?

Ballonfahrer können einem Flugzeug höchstens durch Steigen oder Sinken ausweichen. Wir fahren im und mit dem Wind und haben somit keine Möglichkeit, den Ballon in horizontaler Richtung zu steuern. Daher müssen wir uns auf die Achtsamkeit der Luftsportkameraden verlassen. Zum Glück sind Ballone aber auch nur sehr schwer in der Luft zu übersehen und bewegen sich eher langsam. Aber sehr wichtig ist es besonders im kontrollierten, aber durchaus auch im unkontrollierten Luftraum, sich an die Regeln zu halten. Auch hier sind Respekt und gegenseitige Achtsamkeit der oberste Garant für ein unfallfreies Miteinander in der Luft.

Welche fliegerischen Besonderheiten haben Ballone, von denen Flächenpiloten meist nichts wissen und aus denen sich Gefahrenpotenzial bei Begegnungen ergibt? Kann man Ballonfahrer über Funk erreichen?

Wichtig ist vor allem zu wissen, dass ein Ballon, wie bereits angedeutet, nicht steuerbar ist. Hinzu kommt, dass die Sicht nach oben im Ballonkorb sehr schlecht ist, weil die riesige Hülle sie verdeckt. Besonders gefährlich für Ballone sind die Wirbelschleppen von Privat- und Verkehrsflugzeugen oder auch Turbulenzen, die ein Hubschrauber auslöst. Daran sollten unsere Freunde der anderen Luftsportarten immer denken. Das heißt also: Bitte einen möglichst großen Abstand beim Überfliegen einhalten! Wie fast alle Luftfahrzeugführer haben auch Ballonfahrer ein Funkgerät und immer häufiger auch einen Transponder an Bord. Gerne können uns Flächenflieger über die entsprechende Frequenz anfunken. Die allgemeine Ballonfrequenz ist der Kanal 122.255. Wenn wir nicht zeitnah antworten, wird in dem Augenblick bestimmt gerade geheizt. Also einfach etwas Geduld.

Ballone sind vorwiegend in den frühen Morgenstunden und abends unterwegs, wenn die Luft besonders ruhig ist. Gibt es bestimmte Wettersituationen oder Regionen, in denen Flächenpiloten mit Ballonen rechnen sollten?

Ja, so ist es. Was ein Segelflieger liebt, ist für den Ballonfahrer ein Graus, nämlich die Thermik. Sie kann dazu führen, dass sich der Ballon unkontrolliert bewegt. Das ist der Grund dafür, warum Ballonfahrer die thermikfreien Zeiten für eine sichere Fahrt wählen. Aber Vorsicht: Unsere Gasballöner sind im Sommer auch gelegentlich tagsüber in größerer Höhe anzutreffen. Natürlich gibt es Tageszeiten und auch Regionen, in denen Ballone besonders häufig unterwegs sind. Für uns sind eine ruhige Wetterlage und ein nicht allzu dicht besiedeltes oder bewaldetes Gebiet vorteilhaft, vor allem natürlich beim Landevorgang. Wenn dann der Luftraum entsprechend frei nutzbar ist, entspricht das genau den gewünschten Voraussetzungen für das Ballonfahren.

Wie sollten Flächenpiloten bei gefährlichen Annäherungen reagieren?

Hier gilt es vor allem, gefährliche Annäherungen erstmal zu vermeiden. Wenn man dann doch mal etwas zu nahe kommt, sollte man möglichst rasch nach rechts oder links ausweichen. Außerdem ist darauf zu achten, wie der Ballonpilot reagiert und ob es augenscheinlich zu Schwierigkeiten bei ihm kommt.

Bei dem Unfall nahe Korbach wurden zehn Menschen verletzt. Bereits beim Start herrschten grenzwertige Windverhältnisse. Stehen Ballonpiloten unter größerem Druck, eine Fahrt durchzuführen, wenn viele Passagiere am Korb warten?

Die Anzahl der Passagiere dürfte weniger ein Grund sein. Doch die Intention, also der Anlass für Aufbau und Start, spielt mit Sicherheit eine Rolle bei der Entscheidung für eine Ballonfahrt. Da kann dann schon mal ein größerer Druck entstehen. Jeder Pilot muss sich immer wieder bewusst machen, welche Verantwortung er gegenüber sich und seinen Mitfahrern hat. Das Risiko einzugehen, bei unsicheren Witterungsverhältnissen zu starten, darf keine Option sein. Dabei macht es keinen Unterschied, wie viele Fahrgäste an Bord sind.

Was können Flächenpiloten von Ballonfahrern lernen und umgekehrt?

Es gibt viele Punkte, bei denen man voneinander lernen kann. Ich erinnere mich noch an meine Zeit als kleiner Junge, als wir samstagabends auf dem Segelflugplatz standen. Damals hatte mein Vater, der mittlerweile seit über 40 Jahren aktiv Ballon fährt, die landenden Segelflieger gefragt, wie stark die Thermik noch sei. Dies ist für mich ein schönes Beispiel für ein Miteinander. Wichtig ist, dass jeder den anderen Luftsportler kennt und akzeptiert. Auch der Austausch bei einem kühlen Bier in der Fliegerklause, in der jeder von seiner Leidenschaft berichtet, schafft Kenntnis über die andere Luftsportart und fördert Verständnis und Achtsamkeit füreinander. Alle sollten hier über ihren Tellerrand schauen, auf die anderen achten und diese akzeptieren.

Welches besondere Erlebnis bietet das Ballonfahren aus Ihrer Sicht, und welche praktischen Vorteile haben Ballone gegenüber Segel- und Motorflugzeugen?

Ballone sind sehr unterschiedlich im Vergleich zu anderen Fluggeräten. Wir bewegen uns in einem Luftfahrzeug, das dem aeronautischen Gesetz "leichter als Luft" gehorcht. Wir fahren mit dem Wind in einem Luftmeer. Die fehlende Möglichkeit zu steuern verleiht dem Ballon eine unglaubliche Art von Freiheit. Man schwebt fast geräuschlos und sanft dahin. Stellen Sie sich vor, Sie stehen absolut windstill bei 140 km/h: Wir fahren mit dem Wind, über dem Alpenhauptkamm, haben nur einen kleinen Sauerstoffschlauch in der Nase und genießen völlig frei die gigantische Aussicht. Ein Vorteil gegenüber dem Fliegen ist die recht große Flexibilität, die wir bei der Wahl der Startregion genießen. Unter bestimmten Voraussetzungen sind wir nicht an Flugplätze gebunden und können den geeigneten Startplatz wählen, um die bestmögliche Fahrtroute zu wählen.