Wer sich in der Luftfahrt den Umgang mit einer neuen Technik aneignen möchte, kommt in vielen Fällen nicht um eine Differenzschulung herum. Beispielsweise sollte der Umstieg von Bug- auf Spornrad geübt sein, möchte man sich bei Start und Landung nicht mit einem Ringelpietz ins Grüne verabschieden. Verstellpropeller, Einziehfahrwerk, Turbomotoren und Druckkabine erfordern vom Piloten Kenntnisse über die Systeme und den Umgang mit ihnen, insbesondere dann, wenn es mal nicht nach Plan läuft. Auch elektrisch angetriebene Flugzeuge haben ihre Besonderheiten (siehe Flight Training Special in aerokurier 3/2022). Sogar für die vermeintlich selbsterklärende Einhebelbedienung von Triebwerk und Propeller ist ein solches Training erforderlich. Der Eintrag der frisch antrainierten Fertigkeiten erfolgt abschließend in das Flugbuch, nicht in die Lizenz – eine Prüfung gibt es nicht, ein Verfallsdatum ist bei SEP (Single Engine Piston) und TMG ebenfalls nicht vorgesehen.

Fluglehrer Stefan Marqua unterrichtet an der Flugschule Advanced Aviation Training in Bonn/Hangelar den Umgang mit dem Glascockpit.
Ist eine Schulung überhaupt nötig?
Die von der EASA geforderte Umschulung aufs Electronic Flight Instrument System (EFIS), umgangssprachlich Glascockpit genannt, sorgt immer wieder für Debatten unter Piloten. Braucht man für ein digitales Cockpit tatsächlich eine Schulung? Ist es nicht egal, ob die Daten digital oder analog präsentiert werden? Dass der Umstieg eben nicht ganz trivial ist, möchte Stefan Marqua, Inhaber und Gründer der Flugschule Advanced Aviation Training in Bonn/Hangelar, mit der EFIS-Schulung vermitteln – ein Angebot, das angesichts der fortschreitenden Digitalisierung in der Luftfahrt viele ATOs im Programm haben.
Was ist ein EFIS eigentlich?
Am Anfang des Kursus steht die grundlegende Frage: Wann gilt die Avionik eines Flugzeugs eigentlich als EFIS? Die Antwort gibt der Fluglehrer und Prüfer mit Blick auf die auf der Website skybrary.aero veröffentlichten Definition: "Als EFIS gelten ein Primary Flight Display (PFD), welches alle konventionellen Instrumente (six-pack) auf diesem Instrument vereint, und ein EHSI, also ein Electronic Horizontal Situational Indicator, auch als Navigation Display (ND) bezeichnet." Das gilt auch für Variationen und Kombinationen, also vereinfacht gesagt für alle elektronischen Instrumente, die den analogen Uhrenladen ersetzen. Somit dürfen viele aktuelle Flugzeuge nur nach erfolgter EFIS-Schulung geflogen werden.

Es gibt viel zu lernen
Rund vier Stunden dauert bei Advanced Aviation Training die Theorie, ein bis zwei Stunden wird im Simulator trainiert, bevor Pilot und Lehrer das Gelernte im Flug umsetzen – zu viel, um das ganze Programm an einem Tag zu bewältigen. Es geht dabei keineswegs bloß darum, zu zeigen, dass Fahrt- und Höhenmesser sowie Variometer auf den Bildschirmen als durchlaufendes Zahlenband, sogenannte Tapes, dargestellt werden oder dass der künstliche Horizont nicht mehr mechanisch, sondern über elektronische Sensoren arbeitet. Vielmehr steckt der Teufel im Detail, und das kann zu brenzligen Situationen führen, wenn der Pilot die Geschehnisse nicht einordnen und entsprechend reagieren kann. Ein wichtiges Element der Schulung ist auch der digitale Autopilot. Genau genommen ist er zwar nicht unmittelbarer Bestandteil des EFIS, seine Einstellungen werden aber in den meisten aktuellen Flugzeugen über das Primary Flight Display zur Anzeige gebracht. Ziel der EFIS-Schulung ist es, zusätzlich die damit in Verbindung gebrachten Systeme so gut kennenzulernen, dass sie im Flug, egal ob IFR oder VFR, zum Helfer und nicht zur Hürde werden.
Vom Umgang mit Assistenzsystemen
Damit sind wir mittendrin im Thema: Bei der Flugschule in Bonn/Hangelar ist das Training auf die Avionik von Garmin zugeschnitten, die sich auch in den Schulflugzeugen findet. Der Simulator stellt eine Piper PA-28 Arrow dar, den echten Flug machen wir später auf der Cessna 172 mit identischer Avionik. Die grundlegende Philosophie der digitalen Instrumente ist bei den meisten Avionikherstellern ähnlich – viele Elemente ziehen sich von der Einmot bis zum Airliner durch. In unserem Kurs geht es um das Garmin GTN 750, das mit zwei G5 (Attitude Display Indicator, ADI, und Horizontal Situation Indicator, HSI), dem Autopiloten GFC 500 und einem zweiten Funkgerät gekoppelt ist. Über die Servos des Autopiloten greift das AFCS (Autoflight Control System) tief in die Steuerung des Flugzeugs ein, denn "unter der Haube" verbirgt sich noch ein allgegenwärtiger Helfer namens Electronic Stability and Protection (ESP).

ESP – der digitale Wächter im Cockpit
"Wenn sich das ESP aktiviert, erschrecken sich viele Piloten, weil sie davon gar nichts wissen", sagt Stefan Marqua. Garmins Assistent hat die Aufgabe, das Flugzeug im sicheren Betriebsbereich zu halten. Überschreitet der Pilot ein Limit, gibt also beispielsweise mehr als 45 Grad Schräglage, versucht die Elektronik über die Servos, den Wert auf maximal 30 Grad zu reduzieren. Kritische Anstellwinkel und zu niedrige Fahrt quittiert das Flugzeug mit energischem Gegensteuern. Lediglich in die Motorleistung kann eine Ein- oder Zweimot ohne automatische Schubregelung naturgemäß nicht eingreifen. Fliegt der Pilot über einen längeren Zeitraum unkoordinierte Manöver, die der Software nicht schlüssig erscheinen, aktiviert sich der digitale Wächter ebenfalls. Das System wacht insbesondere dann über den Flugzustand, wenn der Autopilot gar nicht aktiviert ist. Möchte also ein Lehrer seinen Flugschüler an die Grenzen des Flugzeugs heranführen, muss er das System zum Beispiel über die Menüs gezielt abschalten. Auch der blaue Level-Button sollte jedem Piloten bekannt sein: Gerät ein VFR-Pilot in schlechtes Wetter oder verliert aus anderen Gründen die Kontrolle über sein Flugzeug, genügt das Drücken des blauen Knopfs, um in eine Straight-and-Level-Fluglage zurückzukehren.

Kann das Gerät nicht? Gibt’s nicht!
Beide Geräte, GTN 750 und G5, bieten eine riesige Funktionsvielfalt. Beispielsweise beinhaltet das kompakte Primary Flight Display des kleinen G5 einen elektronischen Horizont, Angaben über die unterschiedlichen Fluggeschwindigkeiten (IAS, TAS und GS), Anstellwinkel, Höhe, Steig- und Sinkrate, Heading sowie Kurs über Grund und manches mehr. Im Instrumentenanflug werden zudem Localizer und Gleitpfad angezeigt. Aktivieren lässt sich auch der Flight Director als magentafarbenes Chevron. Die Einstellungen des Autopiloten werden farbig im oberen Bereich des G5 angezeigt, der Statusbox für das Automatic Flight Control System.
Die Farben auf dem Display
Umfangreich sind auch die Funktionen des GTN 750. Was zunächst wie ein übersichtliches Navigationssystem ausschaut, hält in den Tiefen des Menüs so ziemlich alles bereit, was VFR- und IFR-Piloten brauchen. Routen lassen sich eingeben, Procedures und Karten sind je nach Software im System hinterlegt, und nebenbei kontrolliert der Pilot über das berührungsempfindliche Display die Einstellungen von Funk, Transponder und Audiopanel. Frequenzen lassen sich über die Wegpunkte in der Flugplanung aufrufen. Alle Features zu erklären, würde den Umfang des Berichts sprengen. Nicht ohne Grund stellt Garmin Handbücher und Trainings-Apps im Internet bereit. Wichtig fürs grundlegende Verständnis von Garmin GTN 750 und G5 sind die Farben. Was erst mal bunt und freundlich leuchtet, verfolgt eine konsequente Systematik:
- Grün: aktive Modi (active)
- Weiß: vorgewählte Modi (armed)
- Cyan: direkte Eingaben des Piloten am Instrument (Heading und Altitude Bug, QNH bzw. editierbare Felder)
Noch eine weitere Bedeutung erhalten bei Garmin die Farben bei der Navigation: Grüne Anzeigen stehen für bodengebundene Funknavigation VOR/LOC/GS. Magenta werden die Anzeigen, wenn GPS als Quelle ausgewählt ist. Das gilt zum Beispiel auch für die Geschwindigkeit über Grund oder für GPS-gestützte Anflüge.
Kernkompetenz "mode awareness"
Von der Powerpoint-Präsentation geht es in den Simulator und später ins echte Cockpit, um das Gelernte in die Tat umzusetzen. Die Übergänge zwischen den beiden Trainingseinheiten sind fließend. Im Simulator bleibt mehr Zeit, um einzelne Punkte zu besprechen und bestimmte Szenarien ohne Rücksicht auf andere Verkehrsteilnehmer zu üben. Im realen Flug sollten die Handgriffe dann schon weitgehend sitzen, um sich nicht in Menüs zu verlieren. Eine Kernbotschaft, die Stefan Marqua den Piloten mit auf den Weg gibt, lautet "mode awareness". Es geht darum, stets die Einstellungen und Modi zu prüfen, insbesondere dann, wenn ein Autopilot an Bord ist. Das beginnt mit dem Check vor dem Start. Statt wie im analogen Cockpit auf verschiedenen Instrumenten Frequenzen, Höhenmesser und Kurskreisel einzustellen, gilt das Augenmerk jetzt voll dem EFIS.
GTN 750: alles bereit für Take-Off?
Zunächst fällt der Blick aufs GTN 750: Ist das GPS als Navigationsquelle auf das EHSI aufgeschaltet? Stimmen die Frequenzen? Welcher Wegpunkt ist nach dem Take-off aktiv? Ist bei Bedarf die Frequenz einer Bodenstation eingestellt? Die Farben verraten, was Sache ist. Schließlich gilt die Aufmerksamkeit dem G5, wo neben dem QNH die Einstellungen des Autopiloten sichtbar werden: Ist der Heading Bug auf die Ausrichtung der Piste gesetzt? Andernfalls könnte der Autopilot das Flugzeug nach dem Abheben in eine ungewünschte Richtung steuern, falls er versehentlich aktiviert wird. Ebenso sollte vor dem Take-off die anfangs gewünschte Höhe eingestellt werden, um einem versehentlichen Überschießen vorzubeugen. Einmal in der Luft, ist es vor allem der Autopilot, der aufgrund falscher Einstellungen zur Stolperfalle werden kann. Höhe, Steig- oder Sink-rate beziehungsweise Geschwindigkeit müssen über das Bedienpanel eingestellt sowie Track-, Heading- oder Nav-Mode aktiviert sein. Ist ein Flugplan aktiv? Ist das GPS als Quelle gesetzt (magenta) oder soll ganz klassisch ein VOR-Radial (grün) angeschnitten werden? Nur wer das System in Grundzügen verinnerlicht hat, kommt mit digitaler Unterstützung sicher ans Ziel.
Übung bringt Ruhe
Angesichts der Informationsvielfalt qualmt bereits beim VFR-Flug der Kopf, im Simulator ebenso wie beim abschließenden Flug. Wie mag erst der Workload im IFR-Betrieb aussehen, wenn das Wetter schlecht und die Verfahren komplexer sind? Stefan Marqua vermittelt Ruhe und lässt dem Schüler sowohl im Simulator als auch während des Flugs Zeit, eigene Erfahrungen zu sammeln. Immer wieder gibt er praxisgerechte Hinweise. Etwa, dass ein langer Klick auf den Home-Button des GTN 750 immer zurück zur Karte führt, ganz egal, wo im Menü man sich gerade verirrt hat. Wir üben, Wegpunkte zu aktivieren, Frequenzen rauszusuchen, Streckenabschnitte zu aktivieren oder mittels Garmin G5 die OBS-Linie auf dem GTN 750 zu verschieben. Letzteres ist einer von vielen Wegen, um mit dem Autopiloten einen Luftraum zu umschiffen oder das Flugzeug in den Anflug zu einer bestimmten Piste zu bringen. Eine praktische Funktion sind im HSI-Modus des G5 die Windanzeige und die aktuelle Track-Darstellung in Form eines magentafarbenen Diamanten: Bringt man diesen in Deckung mit dem Heading Bug, folgt das Flugzeug dem Kurs über Grund, auf den der Heading Bug gesetzt ist. So berechnet das G5 im Hintergrund stets den passenden Vorhaltewinkel.

Training vermittelt die wichtigsten Grundlagen
Am Ende des Trainings ist klar, dass die Umschulung wesentlich umfangreicher ist als zunächst gedacht. Der Eintrag im Flugbuch ist dann eine solide Basis für das eigenständige Üben. Mit dem erworbenen Wissen sollte der Pilot verstanden haben, wie EFIS und Autopilot im Zusammenspiel funktionieren und in welchen Situationen das ESP eingreift. Wer jedoch ein EFIS in seiner vollen Bandbreite verstehen möchte, muss mehr Zeit und Geduld aufbringen, als dies in zwei, drei Flugstunden möglich ist. Vor allem drei Punkte haben sich dauerhaft in meinem Kopf eingebrannt. Erstens: Mode awareness ist wichtig. Zweitens: Mit dem ESP fliegt stets ein Bodyguard mit. Drittens: Farben dienen eben nicht nur dazu, freundlich auszusehen.