Die Probleme im Referat L6 des Luftfahrt-Bundesamtes bekommen eine statistische Basis. Die seit sieben Tagen laufende Umfrage auf unserer Website wurde bisher von knapp 180 Betroffenen genutzt, um uns ihre Erfahrungen mit dem LBA mitzuteilen. Bereits ein Blick auf die reine Statistik ist spannend, wenn es um Verfahrensdauern, Erreichbarkeit der Behörde oder Ausflaggungstendenzen geht.
Lange Verfahrensdauern, schlechte Erreichbarkeit
Eine umfassende Bewertung und Einordnung der Daten werden wir erst am Ende des Umfragezeitraums vornehmen, aber einige Schlüsse lassen die Antworten bereits jetzt zu. So dauern die Verfahren rund um die medizinische Tauglichkeit in mehr als der Hälfte der bisher von uns erfassten Fälle länger als sechs Monate, 14 Prozent 12 bis 24 Monate und 17 Prozent länger als 24 Monate.

Bei mehr als der Hälfte der Umfrageteilnehmer dauert die Bearbeitung ihres Falls länger als sechs Monate.
Auch die Erreichbarkeit des Referat L6 wird extrem schlecht bewertet. Nur 12 Prozent der Teilnehmer antworteten auf die Frage, ob das LBA auf ihre Anfrage(n) bzw. die ihres Anwalts geantwortet hat, mit "ja, überwiegend zeitnah". 17 Prozent wählten die Antwort "ja, überwiegend mit Verzögerung", 31 Prozent mit "ja, aber überwiegend nur nach Erinnerung" und 39 Prozent klickten auf "nein, bisher nicht". Das passt zu Nina Coppiks Äußerung, dass man es Seitens des Referats L6 mit der zügigen Bearbeitung von Anfragen nicht ganz so genau nimmt.

Das Antwortverhalten des Referats L6 bei Anfragen von Betroffenen oder deren rechtlichen Vertretern ist ein Armutszeugnis.
Problematisch ist dabei, dass es im deutschen Recht keine verbindlichen Fristen für Verwaltungsakte gibt. Man kann allerdings aus § 75 der Verwaltungsgerichtsordnung ableiten, dass ein solcher Akt innerhalb von drei Monaten entschieden sein sollte. Überdies stellt § 10 des Verwaltungsverfahrensgesetzes klar, dass ein Verwaltungsverfahren nicht an bestimmte Formen gebunden ist, soweit keine besonderen Rechtsvorschriften für die Form des Verfahrens bestehen. Zitat "Es ist einfach, zweckmäßig und zügig durchzuführen." Zumindest gegen diesen Grundsatz wird im LBA offensichtlich immer dann verstoßen, wenn Mediziner Befunde anfordern, die viele Jahre zurückliegen oder mit dem eigentlichen Sachverhalt nichts zu tun haben.
Kuriose Fälle zum Kopfschütteln
Doch nicht nur die reinen Zahlen sind bemerkenswert, auch die Beschreibungen der Fälle, in denen Piloten mit dem Referat L6 und dessen Entscheidungspraxis konfrontiert waren, lesen sich wie Geschichten aus Absurdistan.
Besonders einprägsam ist der Fall von Christian Bischoff der sich um ein Tauglichkeitszeugnis der Klasse 1 für einen CPL bemüht hat. Er hat der Veröffentlichung seiner Geschichte zugestimmt, daher nennen wir hier seinen Namen.
Bischoffs Erstuntersuchung im August 2022 folgte aufgrund seiner Untschenkelprothese eine Verweisung, im Rahmen derer er alle vom LBA geforderten Dokumente mit positivem Ergebnis beibrachte. Im Vorfeld gab es zudem einen Überprüfungsflug mit einem externen Gutachter zwecks Klärung, ob die Bedienung der Pedalerie mit der Prothese möglich ist. Der Fachmann, der sonst für das DLR und die Bundeswehr aktiv ist, empfahl, ein Tauglichkeitszeugnis der Klasse 1 auszustellen. Im März 2024 erhielt Christian Bischoff allerdings ein Medical der Klasse 2 mit Auflagen, eine davon AHL, was bedeutet, dass er nur mit zugelassener Handsteuerung fliegen darf. Diese Auflage ist im Helikopter im Gegensatz zum Flächenflugzeug allerdings gar nicht umsetzbar, weil der Pilot ständig beide Hände für Steuerknüppel und Kollektivhebel braucht. So ging der Fall ins Widerspruchsverfahren und wurde vom Fliegärztlichen Auschuss geprüft, woraufhin Bischoff im März 2025 die Mitteilung erhielt, er sei im Gremium besprochen worden, der Bescheid bliebe aber bestehen.

In Flächenflugzeugen können Piloten mit körperlichen Einschränkungen mit einem speziellen Umbau das Seitenruder per Hand steuern. Diese Technik ist im Hubschrauber nicht umsetzbar - und wird dennoch vom LBA gefordert, ob wohl der Pilot mir seiner Prothese die normale Pedalerie problemlos bedienen kann.
Bereits 2024 hatte Bischoff die PPL(H)-Ausbildung begonnen und bis dato knapp 100 Stunden völlig problemlos und ohne Umbauten absolviert. Soloflüge waren für ihn allerdings aufgrund der Auflage nicht möglich – weil sie, wie oben beschrieben, betrieblich nicht umsetzbar ist. Ein erneuter Widerspruch durch seinen Anwalt mit der technischen Erklärung stieß Anfangs laut dem Betroffenen auf positive Rückmeldung, aber die Behörde forderte erneut einen Überprüfungsflug mit einem LBA-Sachverständigen. Auch hier wurde der Beweis erbracht, dass die Steuerung des Helikopters mit Prothese auch ohne Umbauten möglich ist, doch die Verantwortlichen im Referat L6 weigerten sich, die Auflage zu streichen.
Bischoffs Fall liegt jetzt als einer der sechs von Nina Coppikals exemplarisch an die Behördenleitung gegebenen Sachverhalte beim Bundesverkehrsministerium zur Überprüfung. Seinen Widerspruch hat er in der Zwischenzeit zurückgenommen, um ausflaggen zu können und den Fall über Austro Control neu beurteilen zu lassen. Die gesamte Prozedur dauert inzwischen drei Jahre und zwei Monate.
Nichtigkeiten, Ewigkeiten, Unklarheiten
Etliche weitere Piloten haben ihre Erfahrungen mit dem Referat L6 des Luftfahrt-Bundesamtes beschrieben, und es kristallisiert sich heraus, dass sich die Ärzte teils an Nichtigkeiten aufhalten, teils Befunde zu Ereignissen anfordern, die mitunter Jahrzehnte
zurückliegen oder die Betroffenen schlicht im Unklaren lassen, woran es eigentlich hakt.Die Umfrage läuft noch knapp drei Wochen, und wir freuen uns über jeden, der daran teilnimmt.
Für Anfang November hat der aerokurier einen Gesprächstermin im Bundesverkehrsministerium erbeten, um sich mit denjenigen auszutauschen, die die Aufsicht über das Luftfahrt-Bundesamt haben. Dabei wollen wir mit den gesammelten Daten und einer Auswahl von Fällen auf das Thema aufmerksam machen und herausfinden, ob nach Jahren des Nichtstuns endlich Aktivitäten zur Beseitigung der Missstände in Gang kommen.