Dass das Referat L6 des Luftfahrt-Bundesamtes weitgehend dysfunktional ist, Entscheidungen über die Tauglichkeit nicht zwingend mit dem notwendigen medizinischen Sachverstand getroffen und Verfahren unnötig in die Länge gezogen werden, ist weithin bekannt. Was indes im Dunkeln bleibt, sind die Gründe, warum die Zustände so sind wie sie sind.
Wie kompetent sind die LBA-Mediziner?
Angesichts der Zwischenergebnisse unserer Umfrage und den Detailinformationen zu ihren Fällen, die die Piloten uns mitgeteilt haben, haben wir jüngst eine Anfrage zur medizinschen Kompetenz des Referats L6 an das Luftfahrt-Bundesamt gerichtet. Damit wollen wir herausfinden, wie viele Ärzte überhaupt im LBA angestellt sind, welche Fachkompetenzen sie auf verschiedenen medizinischen Gebieten haben und wie viele von ihnen vollumfänglich ausgebildete Fliegerärzte sind. Auch haben wir nachgefragt, wie sichergestellt wird, dass Verweisungsfälle mit der entsprechenden medizinischen Fachkompetenz beurteilt werden, beispielsweise Herz-Kreislauf-Fälle durch Kardiologen, Augenbefunde durch Fachärzte für Augenheilkunde etc. Schließlich wollen wir wissen, wie es sein kann, dass ein LBA-Arzt die Einschätzung zweier Gutachter, ein Aspirant mit Unterschenkelprothese könne die Pedalerie eines Hubschraubers problemlos bedienen, ignoriert und die Auflage "Handsteuerung" ins Medical schreibt, die betrieblich gar nicht umsetzbar ist.

Galgenhumor, oder ein Screenshot, der witzig sein könnte, wenn es nicht so traurig wäre. Sollte der fliegerärztliche Ausschuss tatsächlich so besetzt ist, sind die Probleme in Braunschweig noch viel größer als man sich vorstellen kann...
Vereinigung Cockpit geht ins Detail
In die gleiche Kerbe schlägt eine aktuelle Anfrage der Pilotengewerkschaft VC, die ebenfalls einen Katalog an Fragen an die Bundesoberbehörde geschickt hat. Darin geht es beispielsweise um konkrete Zahlen zu Verweisungen, Widerspruchsverfahren, Auflagenänderungen, durchschnittliche Verfahrensdauern etc. Besonders heikel für die Verantwortlichen im LBA dürften jene Fragen sein, die Rechtsverstöße ansprechen. So ist es immer wieder vorgekommen, dass Piloten im Rahmen von Anträgen zur Auflagenänderung bzw. Streichung die Flugtauglichkeit komplett aberkannt wurde – was dem Grundsatz, dass ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in keinem Fall eine Verschlechterung der Situation für denjenigen herbeiführen darf, der das Rechtsmittel eingelegt hat, komplett zuwider läuft. Auch die Rechtsauffassung des LBA, dass während einer Verweisung im Rahmen eines Klasse-1-Antrages auch die Rechte der Tauglichkeitsklassen 2 und LAPL nicht genutzt werden dürften, wird hinterfragt, weil sich das aus Part-MED der EU-Verordnung nicht ableiten lässt.
Begrenzte Auskunftsfreude
Man darf gespannt sein, ob und vor allem in welcher Tiefe das Amt Stellung zu den Fragen bezieht. Dass die Debatte um L6 inzwischen ein solches Ausmaß angnommen hat, dass die Salami- und Hinhaltetaktik, mit der man am Anfang noch versuchte, die Wogen zu glätten (Stichwort "sechs Fälle"), nicht mehr aufgeht, dürfte inzwischen selbst den Verantwortlichen im LBA klar geworden sein.
Allerdings: ein paar spannende Informationen haben die Braunschweiger Beamten auf die Anfrage eines Piloten dann doch herausgegeben, und zwar zu den ausgeflaggten Lizenzen und den Verfahren, die gegen die Behörde liefen und noch laufen. Demnach transferierten 2020 243 Piloten ihre Lizenz ins Ausland, in den folgenden Jahren waren es 313, 284, 335 und im Jahre 2024 sogar 511. Für das laufende Jahr gab das LBA Mitte September 271 an. In der Summe haben seit 2020 fast 2000 Piloten ihre Lizenz ausgeflaggt.
Nicht weniger Interessant ist die Zahl der Untätigkeitsklagen gegen das LBA. Seit 2020 wurden 28 solcher Verfahren anhängig, allein 25 davon betrafen das Referat L6! Schließlich wollte der Pilot noch wissen, wie lange Verfahren bezüglich Lizenztransfers durchschnittlich dauern und wie oft in solchen Fällen rechtswidrig verspätet gehandelt wird. Darauf konnte das LBA nicht antworten, weil die Bearbeitungszeiten nicht erfasst werden, wie die Behörde mitteilt.