Zu Besuch bei BRP-Rotax: Die Motoren-Macher

Zu Besuch bei BRP-Rotax
Die Motoren-Macher

Zuletzt aktualisiert am 17.02.2025

Ein gezielter Hammerschlag? Ernsthaft?" "Genau. Ein gezielter Hammerschlag!" Sein verschmitztes Lächeln deutet darauf hin, dass der Mitarbeiter des Gunskirchener Werks von BRP-Rotax nicht so richtig versteht, warum ich bei seiner Ausführung aus allen Wolken zu fallen scheine. Wenige Augenblicke zuvor hat der gelernte Kfz-Mechaniker eine Kurbelwelle aus einem Lagerbock genommen, in eine Vorrichtung eingespannt und aufmerksam die drei Messuhren beobachtet, deren Zeiger beim Drehen der Welle sukzessive ausschlagen. Die Zeiger werden per Messtaster bewegt, die jene Stellen der Welle abtasten, mit denen dieses zentrale Motorenteil später in den Kurbelwellenlagern rotiert. Keine der kleinen Ungenauigkeiten, die bei den vielen verschiedenen Bearbeitungsschritten im Produktionsprozess zwangsläufig entstehen, entgeht bei dieser Prüfung dem geschulten Auge des alten Hasen. So weit komme ich als technisch interessierter Laie auch noch mit. Dass dann für den "final touch" aber nicht etwa irgendeine Hightech-Maschine aus dem riesigen Werkzeugpark zum Einsatz kommt und hier und da ein My abträgt, sondern ein Schonhammer, geführt mit Gefühl und jahrzehntelanger Erfahrung, das überfordert mich komplett. Marc-André Becker, Head of Aircraft Business, mein Ansprechpartner bei BRP-Rotax, kann sich ein Grinsen nicht verkneifen. Er scheint diese Reaktion zu kennen und zu wissen, warum Johannes Christian, Group Leader After Sales, auf der Werkstour gezielt diese Station ansteuert. Ein Hammerschlag, ich kann es immer noch nicht fassen. Allerdings, dieser archaisch anmutende Arbeitsschritt wird demnächst der Automatisierung zum Opfer fallen.

Lars Reinhold

Zu Besuch in der Rotaxstraße 1

Begonnen hat der Tag im Empfangsgebäude von BRP-Rotax, Adresse: Rotaxstraße 1, mit der Ausgabe von Schutzbrille und Stahlkappen-Überschuhen. Ordnung muss sein, und Arbeitsschutz wird hier großgeschrieben. 170 Tage ohne "Unfall mit Ausfall" zeigt ein großer Bildschirm am Eingang zur Produktionshalle an. Sieht vorbildlich aus. Gleiches gilt für eine Tafel mit Fotos von Mitarbeitern, die Verbesserungsvorschläge eingebracht haben. "Bei uns gilt der Grundsatz, dass jeder Kollege, der eine Idee hat, wie man die Produktion effizienter und sicherer gestalten kann, diesen auch selbst umsetzt", sagt Marc Becker. "Wenn man tagtäglich mit den Prozessen zu tun hat, dann merkt man am besten, was funktioniert und was gegebenenfalls besser ginge."

Der erste Eindruck in der Werkhalle ist Respekt einflößend: Hier große Dreh- und Fräsmaschinen, die vollautomatisch Werkstücke bearbeiten, dort Fertigungsstraßen, in denen Mitarbeiter von Hand aus Einzelteilen die Motoren zusammensetzen. Aller Anfang ist das Logistikzentrum in einem anderen Gebäude, wo Zulieferteile, die BRP-Rotax weltweit einkauft, geprüft und für die Verarbeitung vorbereitet werden. Dazu gehören beispielsweise Rohlinge für Kurbel- und Nockenwellen sowie Pleuel, aber auch Teile in höheren Fertigungsgraden wie Kolben, Kabelbäume oder Nebenaggregate wie beispielsweise Anlasser. Allein die Logistik hinter dem Werk, das in den letzten 40 Jahren mehr als zehn Millionen Motoren gebaut hat, ist irre. In die Luft geht indes nur ein Bruchteil der Aggregate, die meisten landen als Ein-, Zwei- und vor allem Dreizylinder in Powersport-Fahrzeugen – so bezeichnet BRP Quads, Schneemobile, Jet-Skis und Karts – sowie in speziellen Nutzfahrzeugen. "Die Luftfahrtabteilung, die ist schon ein bisschen speziell und hat ein ganz besonderes Selbstverständnis", sagt Becker, während wir einmal längs durch die Halle laufen und die Montagestrecke für Rotax 912, 914 und Co erstmal rechts liegen lassen. Johannes Christian will uns zunächst zeigen, wo der Produktionsprozess für die Herzstücke der Motoren, die Kurbel- und Nockenwellen, beginnt.

Lars Reinhold

Eine Maschinen-Allee von 250 Metern Länge

So stehen wir kurz darauf am Anfang einer beinahe 250 Meter langen Gasse, die von Maschinen bis zur Höhe eines zweistöckigen Hauses gesäumt ist. An ihrem Eingang warten Gitterboxen mit Gussteilen, die mal Wellen, Hubzapfen oder Pleuel werden möchten. Während wir die Schlucht aus Präzisionsmaschinen durchschreiten, referiert Christian über die einzelnen Arbeitsschritte. Drehen, Fräsen, Bohren – die klassischen Methoden der Metallbearbeitung – sorgen für reichlich Späne, die neben den Maschinen in großen Behältern aufgefangen werden. Kreislaufwirtschaft und Rohstoff-Rückgewinnung, das sind die Schlagworte in einer Zeit, in der viel Fokus auf Effizienz und Nachhaltigkeit liegt. "Das gilt nicht nur fürs Metall, sondern auch für Kühl- und Schmiermittel. Das wird gesammelt, gereinigt und wenn möglich wiederverwendet", sagt Christian und deutet auf einen Fräsautomat, durch dessen Scheibe angesichts der Fontäne aus Schneidöl kaum etwas vom Werkstück zu erkennen ist. Bei den langsam drehenden Fräsen sieht man schon mehr vom Arbeitsgang. Ein Highlight für mich ist eine Art Aquarium mit einem einarmigen Roboter, der sich Kurbelwelle für Kurbelwelle aus einer Halterung greift und sie nachein-ander an fünf verschiedene Werkzeugköpfe hält, die hier ein Loch bohren, dort eine Kerbe fräsen oder eine Kante anfasen. Ich stehe fasziniert da und glotze durch die Scheibe wie ein Kind ins Gorillagehege.

Lars Reinhold

Weniger spektakulär, aber nicht minder spannend, geht es bei der Induktionshärtung der Wellen zu. Hier bekommen die Stellen, die später in Lagern laufen und entsprechend hohen Belastungen ausgesetzt sind, eine Oberflächenbehandlung durch elektrischen Strom. Für einen kurzen Moment glüht das Metall in der Maschine, bevor es durch eine Emulsion abgeschreckt wird. Bei den Wellen in den Transportgestellen, die neben den Maschinen stehen, ist der sukzessive Bearbeitungsfortschritt erkennbar. Der rohe Klumpen Metall speckt merklich ab und nimmt Form an, und die stumpfe Gussoberfläche weicht dem Glanz, den Fräsklingen und Bohrer hinterlassen haben. Der eingangs beschriebene Schlag mit einem Schonhammer hingegen, der der eher kleinen Zahl mehrteiliger Kurbelwellen (mehr dazu im nächsten Absatz) noch ihr Balance-Finish verpasst, ist auf der Oberfläche nicht zu sehen.

Metallarbeit – bis heute ein brutales Geschäft

Generell ist die Metallbearbeitung trotz kleinster Fertigungstoleranzen noch immer ein recht brutales Gewerk. Das wird nirgendwo deutlicher als beim "Cracken" – auf Deutsch: "Bruchtrennen" – der Pleuel. Dazu holt Johannes Christian ein bisschen aus. "Manche unserer Motoren haben Kurbelwellen aus mehreren Einzelteilen, andere aus einem Stück. Bei ersteren werden die Pleuel vor dem Verpressen der Wellenteile aufgesteckt, bei letzteren geht das natürlich nicht, sodass ihre Pleuellager zweigeteilt ausgeführt werden müssen." Eine Säge könnte die geforderten Geometrietoleranzen aber nicht einhalten, erklärt er. Daher werde das Pleuelauge auf einen Spreizdorn gelegt und dieser hydraulisch geöffnet, bis es an definierten Stellen bricht. "Diese beiden Bruchstücke passen anschließend perfekt zueinander, wenn die Pleuel auf der Kurbelwelle montiert werden."

Lars Reinhold

Eine derartige Passgenauigkeit ist beispielsweise auch bei den geteilten Kurbelgehäusen nötig, wie ich an einer weiteren Station erklärt bekomme. Beim Gehäuse des Motors bezieht sich das aber vor allem auf die Lagergassen, die in beiden Hälften exakt fluchten müssen. Daher werden sie nachgearbeitet, nachdem sie in einer Vorrichtung genauestens ausgerichtet sind. "Ab diesem Moment gehören die beiden Gehäusehälften zusammen", macht Johannes Christian deutlich.

Am Ende der "Maschinenallee" angekommen, biegen wir um die Ecke und stehen vor der Großserienmontage. Hier werden gerade Dreizylinder in einer Art Fließbandfertigung zusammengesetzt, wobei fahrerlose Transportwagen anstatt eines Bandes die Motoren langsam durch die Montagelinie bewegen, sodass jeder Arbeiter seine Handgriffe unterstützt von den entsprechenden Werkzeugen zügig durchführen kann. Bei meinem Besuch im Januar sind es Motoren für Onroad-Fahrzeuge, im Sommer werden jene für Schneemobile gefertigt – azyklisch zur Saison. Aggregate für Wasserfahrzeuge indes sind das ganze Jahr über in Produktion.

Handarbeit in der Flugmotoren-Montage

Jetzt kommen wir zurück zur Flugmotorenfertigung. Hier läuft alles etwas anders ab als bei den Powersports-Antrieben. "25 bis 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind hier beschäftigt, die im Schnitt ebenso viele Motoren pro Tag zusammenbauen und viele Arbeitsschritte von Hand erledigen", erklärt der Leiter dieser Montagelinie. Der Ausgangspunkt sind die oben erwähnten Gehäusehälften. An der ersten Station werden die Kurbelwellenlager und die Welle selbst eingesetzt, unmittelbar darauf folgt der lauteste Akt: Das Typenschild wird mit einem Hammer händisch aufgenietet. Der Hammer, so scheint es mir, zieht sich als archaisches Werkzeug und Inbegriff der Handwerkskunst durch die Produktion bei BRP-Rotax.

Lars Reinhold

Wir folgen den Motorblöcken auf ihrem Weg durch die Fertigung, sukzessive werden Anbauteile wie Getriebe, Ölpumpe und Anlasser montiert, später kommen Kolben, Zylinderköpfe, Ventildeckel und schließlich Airbox, Verkabelung und Schläuche für Öl, Kühlwasser und Kraftstoff hinzu. Über jedem Arbeitsplatz hängt ein Monitor, auf dem der "digitale Zwilling" des Motors alle Stationen parallel zum realen Aggregat mitabsolviert. Zum einen sind in der Datei die vom Mitarbeiter zu erledigenden Arbeiten samt benötigter Teile, Hilfsstoffe wie Dichtmasse und Kleber sowie Parameter wie Drehmomente und Toleranzen hinterlegt, zum anderen laufen hier die Seriennummern von Motor und Anbauteilen zusammen. "Bei den Nebenaggregaten lässt sich exakt bestimmen, was wo verbaut wurde. Kleinteile wie Schrauben etc. können wir zumindest noch bis auf die Charge zurückverfolgen, wenn irgendwo ein Fehler oder Schaden aufgetreten ist und wir Ursachenforschung betreiben müssen", erklärt Marc Becker.

An Arbeitsplätzen neben dem Hauptmontageband bauen Mitarbeiter in der Vormontage aus Einzelteilen Teilkomponenten wie Getriebe, Ölpumpe oder die Kombination aus Abgasturbolader und Schalldämpfer zusammen, die dann von ihren Kollegen an die Motoren montiert werden. "Die Motorentypen werden flexibel produziert. Je nachdem, was gerade bestellt wurde, folgt ein 914 mit Turbo und Vergaser auf einen 916er mit Turbo und elektronischer Einspritzung oder einen 912-Saugmotor", erklärt Johannes Christian. Jeder der Mitarbeiter in der Flugmotorenmontage beherrsche, unterstützt von der Software, das ganze Portfolio. Wie aber kommt man bei BRP-Rotax in die eingeschworene Gemeinde der Aviatiker? "Jeder, der Interesse daran hat, kann sich bewerben und wird entsprechend angelernt. Eine Raketenwissenschaft ist das nicht, aber es braucht das Bewusstsein dafür, dass die Zuverlässigkeit eines Rotax-Flugmotors für die Sicherheit von Menschen von entscheidender Bedeutung ist."

100 Prozent Kontrolle bei den Flugmotoren

Um die reibungslose Funktion der Aggregate zu gewährleisten, geht jedes Triebwerk über den Prüfstand und absolviert einen 30- bis 45-minütigen Testlauf mit verschiedenen Betriebszuständen. "100 Prozent Kontrolle ist im Luftfahrtbereich ein Muss", erklärt BRP-Rotax-Aircraft-Manager Becker. Hat der Motor seine Prüfung bestanden, wird er für den Versand vorbereitet. Bevor sich die Holzkiste schließt, dokumentieren mehrere Kameras, dass das Aggregat korrekt gebaut und der Lieferumfang vollständig ist, dann folgen erneut ein paar Hammerschläge, um vorstehende Metallnasen um die Ecken der Kiste zu legen und den Motor sicher einzuschließen. Im Anschluss kommt das fertige Stück Gunskirchener Ingenieurskunst ins Lager, von wo aus es zu Händlern und Flugzeugherstellern in aller Welt geht.

BRP-Rotax

Zurück am Empfang, kann ich Schutzbrille und Stahlkappen-Slipper abgeben und bin fasziniert vom Prozess, der aus rohen Gussteilen kraftvolle Motoren werden lässt. Und vom Hammerschlag, der, an wichtigen Stellen mit Bedacht ausgeführt, auch in Zeiten hochpräziser Werkzeugmaschinen noch immer unentbehrlich ist – auch wenn seine Tage offenbar gezählt sind. "Übrigens", lässt mich Marc Becker zum Abschluss wissen, "ist es ein Mythos, dass wir am Ende der Produktion selektieren und die "guten" Motoren das "C" für "Certified" bzw. "F" für "FAA" erhalten und die "weniger guten" in ULs landen. Bei jedem Motor steht von Anfang an fest, welchen formalen Ansprüchen er genügen wird. Technisch sind sie alle gleich. Das heißt: alle gleich gut und denselben Qualitätsmaßstäben folgend."