Deutschlandflug 2015
Kann es einen schöneren Auftakt geben?! In ganz Deutschland herrscht Mitte Juni störungsfreies Hochsommerwetter, ideal für den Anflug zum Startplatz Bitburg in der Eifel. 34 Besatzungen, die sich für die Touristikgruppe gemeldet haben, und die 28 der Wettbewerbsgruppe fallen nach und nach auf der ehemaligen Militärbasis ein. Ein Störgefühl lässt sich an dem lauen Abend im Biergarten des „Eifelstern“ aber nicht ausblenden, haben doch die Meteorologen schon mitleidlos erklärt, dass am folgenden Morgen in der Hocheifel mit aufliegenden Wolken und Regen zu rechnen sei.
Schnell beginnt die Suche nach Alternativen. Der erste Wettbewerbsflug nach Marburg dürfte erst am Nachmittag möglich werden. Das scheint schon mal sicher. Doch was macht die Touristikgruppe? Hier stehen als Etappenort Lachen-Speyerdorf und als Tagesziel Ansbach in Franken auf dem Plan. Das bedeutet, mit der nach Südosten abziehenden Kaltfront mitfliegen zu müssen. Ansbach scheidet damit aus.
Aber man könnte es ja bis Lachen-Speyerdorf schaffen. Dann wäre zumindest das dort auf dem Grill brutzelnde Spanferkel nicht umsonst gestorben. Gesättigt könnte man wieder nach Bitburg zurückkehren und das alte Quartier beziehen, zieht Wolfgang Müther, Präsident des Luftsportverbands DAeC, in Erwägung. Aber dann lässt auch das die Front nicht zu. Gleich am Vormittag geht‘s in Bitburg zurück ins Hotel. Auf eine verzweifelte Zimmersuche für mehr als 80 Personen in Lachen-Speyerdorf und Umgebung will man sich jedenfalls nicht einlassen. Das zweite Etappenziel der Touristikgruppe, Auerbach im Vogtland, soll am nächsten Tag aber erreichbar sein.
Marburg ist machbar. Die ersten Aufgabenbögen verteilt Ralf-Rainer Schmalstieg noch unter konturlos grauem Himmel. Werner Krüger und David Oelschner mit der Wettbewerbsnummer 1 bekommen den Umschlag in die ebenso graue Piaggio P149 gereicht. Mit 100 Knoten Wettbewerbsgeschwindigkeit sind sie die Schnellsten. Die Langsameren folgen gestaffelt im Abstand von zwei Minuten. Wer kann, fliegt langsamer , so wie Christiane und Axel Maurer mit ihrer Morane MS880. Bei 65 Knoten huscht denn doch nicht alles so schnell vorbei. An den Wendepunkten müssen die Kontrollfotos verifiziert und auf den einzelnen Kursabschnitten die Motive der Streckenfotos erkannt und in die richtige Reihenfolge gebracht werden.
Ab Erhalt des Aufgabenumschlags läuft die Zeit. In 45 Minuten müssen die mit Kursen und Wendepunkten versehenen Karten entsprechend dem beigelegten, nach aktuellem Wind berechneten Zeitplan präpariert werden. An einzelnen Wendepunkten lauern Zeitkontrollen. Schon ein vermasselter Pünktlichkeitsstart kostet Strafpunkte. Mit Abstand folge ich als Begleitflugzeug dem Tross und habe erst einmal Mühe, die Turbo 182 auf ungewohnt gemütliche 100 Knoten herunterzutrimmen. Auf dem Kniebrett unterstützt mich das iPad mit dem Jeppesen Mobile FliteDeck VFR. Hierin lässt sich die Karte schön aufzoomen, sodass die Wegpunkte exakt definiert werden können. Ambitionierte Teams haben die fixe Eingabe der Koordinaten trainiert. Da kann dann nichts ins Rad gehen.
Ehrgeiz geweckt

Es ist die Einstiegsaufgabe, auch als Solopilot – allerdings entlastet von der Zeitwertung – fühle ich mich nicht überfordert. Es geht zudem über bekanntes Gelände quasi durch die erweiterte Heimatplatzrunde. Über Gerolstein beginnt der Wertungsteil. Am Ostrand der Nordschleife des Nürburgrings ist wieder ein neuer Kurs aufzunehmen. Der Rhein zieht bei Rheinbrohl unter den Flächen durch, das hier aufgenommene Streckenfoto habe ich schon vor dem Start identifiziert. Dann verläuft die Route quer über den Westerwald.
Robert Deppe freut sich später in Marburg. „Die Strecke führte genau über mein Haus in Maxein!“ Mit Vater Robert sind gleich zwei weitere Deppes von der LSG Haiger aus Breitscheid dabei: das Geschwisterpaar Robert und Carla mit einer Cessna 172. Zur Vereinsmannschaft gehören auch Marcus und Astrid Ciesielski, als Deutsche Meister im Rallyeflug zählen sie zu den Favoriten. Von Heimvorteil auf dieser Strecke will aber keiner von ihnen sprechen.
In Marburg versammeln sich schnell alle um den Großbildschirm, der wenige Minuten nach dem Eintreffen die Wertungsliste zeigt. Ein Novum für den Deutschlandflug, dass so schnell das Ergebnis feststeht. Und mancher Neuling reibt sich die Augen: Da stehen die Maurers ganz oben in der Liste mit nur sieben Strafpunkten. Dass man auf der Strecke und mit einer verpatzten Ziellandung auch mehr als 2500 Punkte sammeln kann, zeigt sich an den Letztplatzierten.
Der Ehrgeiz jedenfalls ist geweckt und reichlich Diskussionsstoff für die Teams gegeben. Was hat Punkte gekostet, was machen wir morgen besser? Und dann steht schon ein bisschen entgeistert wie hilflos die Frage im Raum: „Wie fliegt man eine Null?“
Zum sportlichen Vergleich gibt‘s am Abend die Kletterpartie durch Marburgs Altstadt hoch zum Schloss. Ein wenig Kultur gehört immer mit zum Deutschlandflug. Das Abendessen ist im Fürstensaal des Landgrafenschlosses organisiert.
Der Kurhessische Verein für Luftfahrt von 1909 e.V. Marburg hat sich für seine Gäste mächtig ins Zeug gelegt. Für die reibungslose Bodenorganisation hat man sogar eigens eine Ground-Frequenz eingerichtet.
Nur richtig freundliches Wetter erwartet die Deutschlandflieger am nächsten Tag nicht. Dicke Schauer auf der Wertungsstrecke lassen den Weiterflug nach Hodenhagen erst für den späten Nachmittag möglich erscheinen. Mit Wettbewerbsleiter Ralf Grunwald und Hauptschiedsrichter Arnold Grubeck kommt aber keine Langeweile auf. Sie rufen kurzerhand den eigentlich noch für den Vortag geplanten Rundkurs von Marburg aus auf. Im verkürzten Abstand wird der Wettbewerb einmal um Alsfeld geschickt. Die Aufgabe passt exakt ins Wetter.
Am Nachmittag ist dann auch die Aufgabe nach Hodenhagen drin, und zwar etwas verschärft mit deutlich mehr Bildtableaus. Es stehen zwar kräftige Schauer herum, aber nur zwei Teams erwischt es so, dass sie sich für eine Sicherheitslandung entscheiden müssen. Auch sie erreichen am Abend noch den Etappenort – im Juni gibt es ja lange genug Tageslicht.Was auf der Strecke bleibt, ist an den langen Tagen das Begleitprogramm, so der Besuch im Safaripark bei Hodenhagen. Von allen begrüßt dagegen wird die längere Morgenruhe. Auf die letzte Etappe nach Jena geht es denn auch wieder mit Verspätung, sodass alle ohne Komplikationen durchkommen.
Spannend war die Rallye. Für ein Motorseglerteam sogar so sehr, dass es am Ende erklärte, seinen Heimflug ganz gemächlich im umgekehrter Richtung über die Wettbewerbsstrecken fliegen zu wollen, um dann einfach nur genießen zu können.
Platzierungen
Deutschlandflug 2015 (26 Besatzungen)
Platz | Piloten | Punkte |
1 | Christiane u. Axel Maurer | 195 |
2 | Helmut Bäder/Gerhard Spreng | 198 |
3 | Marcus u. Astrid Ciesielski | 212 |
4 | Robert Deppe/Carla Moses | 219 |
5 | Helmut u. Jan Flederhoff | 349 |
6 | Theo Kibler/Eugen Scheuerle | 562 |
7 | Joachim Ostwald/Andrea Schaub | 566 |
8 | Christian Ehret/Hendrik Peusch | 596 |
9 | Rolf u. Rouven Oblöer | 664 |
10 | Werner Lindner/Peter Denzler | 692 |
In der Touristikgruppe flogen 34 Besatzungen.
aerokurier Ausgabe 08/2015