MiG-21 für Privatpiloten: So fliegen Sie Ihren Russen-Fighter

MiG-21 für Privatpiloten
So fliegen Sie Ihren Russen-Fighter

Zuletzt aktualisiert am 20.07.2023

Wo sonst wenn nicht im Größer-geht-immer-Bundesstaat Texas steht derzeit eine MiG-21 zum Verkauf. Das Marine Aviation Museum in Friendswood, Texas, will sich von der Ikone des Kalten Kriegs trennen. Das Besondere an dem Mach-2-Jet: Bis zuletzt ist die MiG-21 noch von ihrer Basis am Flugplatz Houston-Ellington (KEFD) abgehoben, der 1974 gebaute Warbird ist nach Angaben des Brokers Raptor Aviation derzeit voll lufttüchtig.

Raptor Aviation

Sie können sich also für Spielzeuge begeistern, die kurzen, intensiven Spaß bereiten? Dann ist dieses Flugzeug das richtige für Sie, und Sie sollten gleich zum Hörer greifen und Albert Heidinger in Port St. Lucie im sonnigen Florida anrufen, der bei Raptor Aviation für die Kaufabwicklung der MiG-21 zuständig ist.

Nur wenige US-Piloten haben MiG-Erfahrung

Falls Sie noch nie eine "Fishbed" oder "Mongol", so die NATO-Codes des Russen-Jets, geflogen sind: keine Angst! Immerhin ist die zum Verkauf stehende MiG-21 mit der Registrierung N21EV die Version "UM", also eine der zweisitzigen, die für die Pilotenschulung genutzt wurden. Dann braucht es nur noch einen Fluglehrer. Aber das ist gar nicht so leicht. Zwar war die MiG-21 mit über 12.000 gebauten Maschinen in mehr als 50 Ländern im Einsatz. Doch so sehr die USA den Ruf eines Fliegerlands genießen, aus verständlichen Gründen gibt es nur eine Handvoll Piloten dort, die Flugerfahrung auf dem Ostblock-Jäger mitbringen.

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Vielleicht können Sie ja Jim "JB" Brown überreden, mit Ihnen ein paar Runden zu drehen und Ihnen die MiG so nahezubringen, dass Ihnen die US-Luftfahrtbehörde am Ende ihren "Letter of Authorization", ausstellt, mit dem Sie den Jet fliegen dürfen. Der 68-jährige JB ist nicht nur Testpilot, sondern der Chef der National Test Pilot School in Kalifornien. Auch diese Testpilotenschule betreibt eine MiG-21 UM, Brown hat sie von Delaware quer durch die USA an die Westküste überführt. Man kann den Mann also wärmstens empfehlen!

National Test Pilot School

Flughandbuch war einst top secret

Vermutlich wird er Ihnen zunächst einmal das Studium des Flughandbuchs auftragen. Wir können Ihnen sagen: Das ist schwere Kost! Die Flughandbücher für den Russen-Jet waren einst in den USA Geheimdokumente mit der Klassifizierung "top secret", heute sind sie frei im Internet verfügbar. Doch die Übersetzung ins Englische ist lausig, sogar bei der Version, die zu den offiziellen Papieren Ihres neuen Jets gehört. Wo wir gerade dabei sind: Wie sieht es eigentlich mit Ihren Kenntnissen der kyrillischen Schrift aus? Zwar hat die US-Luftfahrtbehörde für die Zulassung den Tausch einiger Instrumente gegen "lesbare" gefordert, genügend Beschriftungen im Cockpit sind aber noch original geblieben. Sie sollten wissen, was diese bedeuten!

Seien Sie sparsam mit Ihrer Druckluft!

Sind Sie dann bereit und haben sich ins Cockpit geschnallt, kann es endlich losgehen. Schon das Rollen ist mit der MiG eine Herausforderung: Das Bugrad ist nicht angesteuert, Richtungsänderungen sind nur mit den pneumatischen Radbremsen möglich. Der Lufttank, der sie speist, wird vor dem Start aufgefüllt. Ist sein Inhalt aufgebraucht, dann war's das mit dem Bremsen. Gehen Sie also sparsam mit Ihrer Druckluft um! Denn haben Sie sie schon beim Taxi verschwendet, bereuen Sie das spätestens dann, wenn Sie den Vogel nach der Landung zum Stehen bringen wollen. Testpilot Brown hat für große Plätze eine besondere Rolltechnik zum Abflugpunkt: Ab 40 Knoten lässt sich auch mit dem Seitenruder die Richtung und das Flugzeug auf der gelben Linie halten.

Start mit Nachbrenner

Was passiert, wenn Sie in der Startposition den Leistungshebel nach vorne schieben und der Nachbrenner zündet, beschreibt Brown mit einem Grinsen auf den Lippen als "ziemlich knackige Beschleunigung". Bei 175 Knoten hebt die MiG ab. Besondere Überraschungen bietet sie dabei nicht: Den Horizont auf den korrekten Winkel für den Steigflug zu halten, sollte in der "21" kein Problem sein.

300 Liter Verbrauch – pro Minute!

Sie besitzen eine Tankstelle oder gar eine Ölquelle? Gut! Gewöhnen Sie sich an einen Verbrauch von 40 Litern. Nicht pro Stunde wie beim Platzrunden-Schrubben in Ihrem Cessna-Hochdecker während der Flugausbildung. Nein, soviel Kerosin verbrennt die MiG im Reiseflug pro Minute – und das ist eine der sparsamsten Leistungseinstellungen des Überschalljets. Zünden Sie den Nachbrenner, dann schiebt das Tumanski-Triebwerk die MiG mit rund 60 Kilonewton an und gönnt sich dabei – bitte setzen Sie sich – schlappe 330 Liter pro Minute. Das russische Flughandbuch hält es für eine gute Idee, sich zu vergewissern, dass die Nase des Flugzeugs dann bereits in die Richtung zeigt, in der ihr späteres Landeziel liegt. Umdrehen und hoffen, dass der Sprit bis nach Hause reicht, ist kein guter Plan.

Landung am Startplatz? Eher nicht!

Selbst als die "21" in der damaligen Sowjetunion als Abfangjäger eingesetzt wurde, war eine Landung am Startplatz nicht wirklich vorgesehen. Mit Nachbrenner auf Einsatzhöhe, amerikanische Bomber eliminieren und dann irgendwo landen, wo es gerade möglich ist – so die Taktik der Ostblock-Strategen. Mit ihrer 80 Zentimeter hohen und 20 Zentimeter breiten Bereifung und robusten Fahrwerksbeinen war die MiG-21 auch für den Einsatz auf unbefestigtem Untergrund geeignet – aber das sollten Sie in Ihrem fliegerischen Alltag vielleicht besser nicht ausprobieren.

Ehrliches Schütteln

Die MiG ist ein sehr ehrliches Flugzeug. Bei hohem Anstellwinkel beginnt sie, sich zu schütteln und zeigt so den bevorstehenden Strömungsabriss an. Verpassen Sie dann nicht, die Nase herunterzunehmen: Dem Stall folgt gerne eine Rolle, oder die "21" gerät ins Trudeln. Dann haben Sie hoffentlich nicht vergessen, den hinteren Schleudersitz zu entsichern. Denn wenn es notwendig wird, das Flugzeug zu verlassen, wird der zuerst aktiviert, bevor Sie vorne dran sind. Ist der hintere Sitz gesichert, bleiben Sie auch vorne sitzen.

Eine Dienstgipfelhöhe ist im Handbuch übrigens nicht angegeben: Wenn Sie wollen – und die Flugsicherung Ihnen das Ok gibt -, steigen Sie mit Nachbrenner problemlos über Flugfläche 500. Aber übertreiben Sie es nicht: Zu hoch, und das Triebwerk stellt seinen Dienst ein, der Fighter wird zum Segelflugzeug. Womöglich ist die Sache mit dem Nachbrenner und den Mach 2.05 für den gemütlichen Kaffeeflug auch gar nicht nötig, der Auftritt in der MiG ist so schon beeindruckend genug.

30 Minuten, dann sind die Tanks leer

Mit dem größten Centerline-Tank unterm Rumpf hat Brown auf seinem Cross-Country-Flug durch die USA im Schnitt 400 Nautische Meilen geschafft. Ohne Zusatzsprit passen knapp 3000 Liter in die Flügel. "Aber wenn Sie zur Startposition gerollt sind, reicht das bestenfalls für 30 Minuten", warnt Brown. Effizienz ist der MiG ein Fremdwort.

Raptor Aviation

Während dieser halben Stunde können Sie jedoch richtig Spaß haben. Weil sich fast die gesamte Masse des Flugzeugs im Rumpf befindet, rollt die MiG um die Längsachse wie der Teufel. Nur schade, dass Sie dabei von der Landschaft nicht viel mitbekommen – die Aussicht vom vorderen Sitz ist mehr als bescheiden, der Fluggast hinten hat überhaupt keine Sicht nach vorne. Die MiG-Konstrukteure hatten dafür eine kreative Lösung und ein Periskop im Kabinendach untergebracht, damit der Fluglehrer bei der Landung überhaupt die Bahn sieht.

..und plötzlich hört sie auf zu fliegen

Dass die MiG ein schnelles Flugzeug ist, wird Ihnen bei der Landung klar: Im Gegenanflug hat sie 250 bis 300 Knoten drauf, die erste Stufe Klappen sollten Sie im Queranflug bei gut 210 Knoten fahren. Sind die Landeklappen im Endanflug ganz draußen, wird Zapfluft aus dem Triebwerk über die Klappen geblasen – so bleibt die MiG auch bei der "niedrigen" Speed steuerbar. Der Rest ist schon fast Kinderfasching: Zwölf Grad Anstellwinkel halten und die MiG in den Boden fliegen. Selbst Testpilot Brown vermeidet den Begriff "Landen" oder "Ausschweben". Sobald sie die Power herausnehmen, fehlt schlagartig auch der Auftrieb, für den die Luft der Boundary Layer Control bis dahin sorgte. Die Folge: Die MiG-21 beendet schlagartig das Fliegen. Im Bodeneffekt sollten Sie den eigentlich viel zu langen Knüppel kräftig zum Bauch ziehen: Nur dann setzt sich das Bugrad akzeptabel sanft auf den Asphalt.

Worauf warten Sie noch?

Haben wir Sie jetzt neugierig genug gemacht? Zwar gibt der Verkäufer der N21EV keinen Kaufpreis an, aber soviel ist klar: Sie sollten Ihren Kontostand nicht vorher checken müssen, wenn Sie ernsthaft mit Kaufgedanken spielen. Von den laufenden Kosten ganz zu schweigen. Aber vielleicht ist es ja auch nur die soziale Komponente, wegen der Sie die MiG-21 begeistert: "Egal, wo Sie mit der MiG vorrollen, Sie erregen bestimmt Aufmerksamkeit und werden garantiert freundlich begrüßt", verspricht Testpilot Brown.