So viel vorweg: Diese Geschichte wird nicht auf einen Äpfel-Birnen-Vergleich zweier Flugzeuge hinauslaufen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Carbon Cub und Extra NG, zwei Spaßgeräte der Oberklasse mit völlig verschiedenen Konzepten und Einsatzzwecken, treffen in diesem Bericht ganz zwanglos aufeinander. Warum? Weil es Spaß macht. Ihr Besitzer heißt Tomasz Fortuna, und wir treffen ihn an seiner Homebase am Flughafen Pobiednik in Krakau. Wir wollen mit Extra und Carbon Cub eine Runde spielen gehen und erleben, wie sich die beiden ungleichen Fluggeräte über der Tatra in Szene setzen lassen und was sie draufhaben.
Beim Betreten des beheizten Hangars fällt der Blick sofort auf die Carbon Cub SS, die in der Mitte drapiert ist: ein wunderschönes Flugzeug auf XL-Rädern, prädestiniert für Starts und Landungen auf unbefestigten Pisten. Als Buschflugzeug trägt sie die DNA der legendären Piper Cub in sich. Direkt daneben steht die Extra NG in roter und silberner Lackierung. Sie ist ein State-of-the-Art-Kunstflugbolide der Extraklasse "made in Germany", konkret in Hünxe am Flugplatz Dinslaken/Schwarze Heide. "Flieg mit mir. Lass es krachen!", scheint sie schon beim ersten Kontakt sagen zu wollen. Die NG ist Walter Extras erster komplett in Kohlefaser-Monocoquebauweise realisierter Entwurf. Zudem parkt das (Ultra-)Leichtgewicht Sinus Flex von Pipistrel im Hangar. Schärfer könnten die Kontraste kaum sein.
Doch was wären Flugzeuge ohne die Menschen, die sie in Schuss halten und fliegen? Gastgeber Tomasz hat 1999 mit dem Gleitschirm- und Segelfliegen angefangen. Seine Flugstunden hat er auf Reisen durch Europa, im Kunstflug und bei zahllosen Rundflügen mit Freunden gesammelt. Mit im Team sind heute auch Jakub Śliwiński und Maciej Kulaszewski, die beide über umfangreiche Erfahrung in verschiedenen Spielarten der Fliegerei verfügen, auch im kommerziellen Bereich und im Kunstflug. Ich kenne sie seit Jahren und erlebe unseren Kontakt als gutes Beispiel für gegenseitige Inspiration bei fliegerischen Projekten. Für heute planen wir Formationsflüge, also brauchen wir einen weiteren erfahrenen Piloten. Hier kommen Dymitrij Ryszkows-ki und die Cessna 172 Rocket ins Spiel. Meine Rolle bei dem Ganzen: dabei sein, Spaß haben und fotografieren.

Tomasz Fortuna und Jakub Śliwiński in Nowy Targ: zwei passionierte Flieger freuen sich auf die Runde durch die Tatra.
Bei einem Kaffee im Gästezimmer oben im Hangar erzählt Tomasz, wie die Carbon Cub SS und die Extra NG in seine Flotte kamen. "Mein erstes Flugzeug war die Pipistrel Sinus Flex, mit der ich im ersten Jahr über 700 Stunden geflogen bin. Im darauffolgenden Jahr habe ich die Privatpilotenlizenz erworben, die mir die Tür zum Fliegen in ganz Europa öff-nete – die Luftfahrt hatte mich in ihren Bann gezogen", sagt er. Sein zweites Flugzeug war die auf dem EAA AirVenture im Juli 2019 vorgestellte Extra NG. Beim ersten Kunstflug war es um ihn geschehen: "Als ich meine erste Fassrolle mit solcher Leichtigkeit drehte, wusste ich, was ich will. Meine Erfahrung im Segelflug erwies sich als nützlich. Dabei lernen Piloten, das Medium Luft zu spüren, während Kunstflug sie Beherrschung und Präzision lehrt und ihnen gleichzeitig ein unglaubliches Gefühl von Freiheit vermittelt."
Ein Wort gibt das andere, und wir kommen auf die Carbon Cub von CubCrafters aus dem US-Bundesstaat Washington zu sprechen. Auch hier ist die Erinnerung an den ersten Flug intensiv: Am Steuerknüppel saß Red-Bull-Pilot Luke Czepiela, der im März 2023 mit einer Carbon Cub auf dem Helipad des Burj Al Arab landete. "Manöver in einem halben Meter Höhe, Fliegen am Rande des physikalisch Machbaren und eine Menge positiver Aufregung führten dazu, dass ich nicht widerstehen konnte und eine Carbon Cub für meine Sammlung bestellte. Sie bietet ein ähnliches Maß an Freiheit wie die Extra, aber auf einer bodenständigeren Ebene", sagt Tomasz.
Verliebt in Extra und Carbon Cub
Seine Augen funkeln vor Freude und Leidenschaft, als er das sagt. Ist es nicht das, worum es beim Fliegen geht? Ich kenne Menschen, die diesen Funken in sich verloren haben. Vielleicht können eine Prise Kunstflug oder ein paar abenteuerliche Kurzstarts diese Magie zurückbringen? Probieren wir es aus.
Ein Vergleich der beiden Flugzeuge ist unmöglich. Äpfel und Birnen eben. Also schaue ich sie mir einzeln an. Spätestens seit Luke Czepielas medienwirksamem Stunt in Dubai – 23 Meter auf dem Helipad genügten ihm zum Landen – ist die Carbon Cub SS für ihre STOL-Eigenschaften weltbekannt. Tomasz’ Flugzeug hat gleiche grundlegende Flugeigenschaften. Gut, ein paar Modifikationen hatte Red Bull dem Flugzeug für das extreme Manöver dann doch angedeihen lassen. Vor allem beim Gewicht musste das ohnehin leicht gebaute Modell des US-amerikanischen Herstellers noch einmal Federn lassen. Noch leichter baut CubCrafters nur ihre neue Carbon Cub UL (aerokurier 12/24). Das auftriebsfreudige Tragflächenprofil mit den besonders wirksamen Klappen in Kombination mit dem 180-PS-Motor bietet enorme Leistungsreserven in allen Fluglagen. In weniger als 100 Metern hebt die Carbon Cub SS ab und hält sich bei voll ausgefahrenen Klappen auch mit weniger als 30 Knoten am Stau noch in der Luft. Ein technisches Sahnestück ist ihr Fahrwerk. "Manchmal lande ich in sehr schwierigem Gelände, deshalb habe ich meine Carbon Cub mit 32-Zoll-Niederdruckreifen und AMCE-Federung ausgestattet. Wenn man das Flugzeug in zwei Metern Höhe zum Stillstand bringt und es zu Boden plumpst, macht das auf die Cub keinen großen Eindruck. Federung und Reifen absorbieren den Aufprall und halten die Räder am Boden, sodass ich sofort bremsen kann."

Überdimensionale Reifen, top Federung und ein modernes Cockpit, gepaart mit 180 PS: Die Carbon Cub SS ist die moderne Interpretation eines Buschflugzeugs.
Das Cockpit ist typisch für Spornradflugzeuge mit Kurzstart- und -landeeigenschaften. Der Klappenhebel ist unter der Kabinendecke angebracht, und die Türen dürfen während des Flugs geöffnet bleiben. Das ist an heißen Sommertagen ein mega Feature, über das sich auch Fotografen freuen. Bemerkenswert ist der Passagiersitz, oder sollte ich eher "Korb" schreiben? Jedenfalls ist dieser mit Gurten unter der Decke aufgehängt, aber dennoch bequem. In der zweiten Reihe geht es ohnehin spartanisch zu. Es gibt zwar keine Instrumente, jedoch einen freien Blick durch die Glasscheibe im Kabinendach. Wie wir später sehen werden, ist das besonders bei Formationsflügen sehr hilfreich.
Leistungssportlerin mit Luxus
Und die Extra NG? Sie verspricht ebenfalls maximalen Spaß für zwei Personen. Auf den ersten Blick ahnt man, welches Potenzial in Walter Extras neuester Konstruktion steckt, vor allem in Kombination mit dem 315 PS starken Lycoming AEIO-580-B1A. Das Flugzeug hat einen Carbonrumpf in Monocoque-Bauweise, verstärkt durch einen als "rigid base frame" bezeichneten, biegesteifen Grundrahmen. Etliche Neuerungen stecken im Detail, in erster Linie die insgesamt deutlich verbesserte Aerodynamik und die dadurch hörbar leisere Kabine. Als Leistungssportlerin beherrscht sie alle Arten von Kunstflug mit Leichtigkeit, bis hin zum Unlimited-Level mit Belastungen von +/-10 g.
Auf Luxus muss die Crew dabei nicht verzichten: Die Kabinenausstattung ist eleganter als bei anderen Extra-Modellen. Ledersitze und das Garmin G3X sprechen alte Hasen und Novizen in dieser Flugzeugklasse gleicher-maßen an. Erwähnenswert ist auch, dass die NG als erste Extra mit einem Autopiloten zugelassen ist, der den Piloten auf längeren Flügen entlastet. Tomasz verwendet ihn nur selten, da er seine NG hauptsächlich zum Turnen verwendet.

Moderne Avionik von Garmin und das luxuriöse Interieur mit Ledersitzen machen die Extra NG zu einem ganz besonderen Flugzeug „made in Germany“.
Wir haben unseren Kaffee ausgetrunken und die Flugzeuge betankt. Auf geht’s nach Nowy Targ, südlich von Krakau an der Grenze zur Slowakei am Rande der Tatra gelegen. Jakub und Tomasz fliegen in der Carbon Cub voraus und statten den Bergen einen Besuch ab. Mit Erlaubnis eines Grundbesitzers dürfen sie abseits der Flugplätze landen, sogar an Berghängen – eine fliegerisch anspruchsvolle Disziplin und ein Einsatz wie für die Carbon Cub gemacht. "Wie bei den meisten Spornradflugzeugen näherten wir uns der Landung im Schiebeflug, ergänzt durch gezielten Einsatz der Klappen. Obwohl mein Sichtfeld vom hinteren Sitz aus eingeschränkt ist, bin ich beeindruckt, was mit der Carbon Cub möglich ist", schwärmt Mitflieger Jakub.

Majestätische Berge und ein magischer Sonnenuntergang machen den Fotoflug zum vollen Erfolg.
Dymitrij und ich nutzen die Gelegenheit, um in der Cessna eine Formation mit derExtra NG mit Maciej Kulaszewski am Knüppel zu fliegen. Ich habe schon viele Extras fotografiert, aber die NG, insbesondere in dieser Lackierung, sieht verdammt cool aus. Die Berge im Hintergrund bringen sie so richtig zur Geltung. Das Rauchsystem ist dabei das i-Tüpfelchen auf den Fotos. Viel zu früh endet unser Flug mit der Landung in Nowy Targ. Kurz nach uns setzt auch die Carbon Cub auf.

Smoke on: Mit Rauchsystem und rot-silberner Lackierung macht die Extra NG im Kunstflug ordentlich Eindruck.
Zeit für einen heißen Tee bei einem Blick auf die Tatra in der Ferne und ein wenig Fachsimpeln über das Fliegen in den Bergen. Auch wenn wir in sicherer Höhe über den Gipfeln unterwegs sein werden, behalten die Regeln ihre Gültigkeit. Der Wind in all seinen Spielarten bis hin zu tückischen Rotoren kann Piloten das Leben schwer machen, dazu kommt in den Sommermonaten die Dichtehöhe als Performance-Killer.
Nach dem Briefing rollen wir auf die Piste von Nowy Targ, zuerst die Cessna, dann Carbon Cub und Extra. Im Funk erreicht uns eine Bitte, der wir mit Vergnügen nachkommen: "Macht doch mal einen schönen Überflug!" Maciej kommt dieser Bitte nach. Smoke on, Hebel auf laut, und schon vollführt die Extra einen wundervollen Tanz mit all ihrer Kraft. Mit einem kurzen Hüpfer erreichen wir die Umgebung von Zakopane in den Bergen und bilden eine Formation mit der Carbon Cub mit Tomasz und "Kuba".

Zwei Flugzeuge, die unterschiedlicher kaum sein könnten, formieren sich über herbstlicher Kulisse.
Respekt vor den Bergen bewahren
Natürlich würden wir gerne so nah wie möglich an den Bergen entlangfliegen, aber da setzt uns eine Flugbeschränkungszone im Tatra-Nationalpark das Limit. Kein Problem, denn so kann ich auf den Fotos die imposante Bergkette im Hintergrund einfangen. Ich habe in der Vergangenheit schon viele Fotos an den verschiedensten Orten gemacht, aber in der Tatra ist mir das nur sehr selten gelungen. Dieser Flug macht mir bewusst, wie wundervoll und fotogen dieses Stückchen Erde nahe meiner Heimat ist.
Wir kurven und wechseln die Positionen innerhalb der Formation, um die beiden Maschinen vor dem Gebirge bestmöglich zur Geltung zu bringen. Die Herbstfarben der Bäume strahlen im goldenen Nachmittagslicht. Wir kehren mit einem kleinen Umweg nach Krakau zurück und statten auch dem slowakischen Luftraum einen Besuch ab, um die Gegend aus einer anderen Perspektive einzufangen. Die erfahrenen Piloten zeigen, was "Good Airmanship" bedeutet, beherrschen ihre Geräte virtuos und haben dabei einen Riesenspaß.

Tomasz Fortuna hat sich in Extra NG und Carbon SS gleichermaßen verliebt.

Was lag näher, als gleich beide in die eigene Flotte aufzunehmen?!
Wir landen pünktlich zum Sonnenuntergang in Pobiednik und schieben die beiden Flugzeuge in die Hangars. Tage wie dieser sind unvergesslich: wunderschöne Natur, tolle Menschen, hervorragende Flugzeuge und eine satte Ladung Endorphine. Was braucht man mehr im Cockpit?!