Zugegeben: Meine Leidenschaft für das Fliegen in betagten Militärjets mag in diesen Zeiten anachronistisch erscheinen. Aber ab und an juckt es mich eben doch, und der letzte Flug mit meiner Lieblingsmaschine, der Aero L-39 C Albatros, fand noch vor Corona statt.
Um den Trip effizient zu gestalten, besuche ich zuvor den Sohn meiner Lebensgefährtin Trudi im kalifornischen Palo Alto und düse dann noch zu Verwandten in Calimesa, ebenfalls im südwestlichsten US-Bundesstaat gelegen. Die Frage, wie ich von dort aus nach Santa Fe in New Mexico komme, ist ganz einfach zu beantworten: Zunächst geht’s mit dem Auto 300 Meilen gen Westen nach Prescott, Arizona, und wenn das Wetter gut ist, mit dem Flugzeug 370 weitere Meilen in dieselbe Richtung bis Santa Fe. Bei Schlechtwetter muss ich auch die zweite Etappe wohl oder übel im Auto zurücklegen.
Als dritte Mitfliegerin neben meiner Co-Pilotin Trudi kann ich einmal mehr Hedi gewinnen, eine 87-jährige Verwandte, die mit mir schon oft geflogen ist. Sie kann zwar schlecht gehen, aber für einen Fliegertrip ist sie immer zu haben. Also chartere ich wie bei meinem letzten Besuch eine Cessna 172, mit der ich damals meine 1500. Flugstunde zelebriert habe (aerokurier 01/2024), und hoffe auf VFR-Wetter. Kurz bevor es losgeht, erfahre ich, dass die Cessna zur Wartung muss, ich aber eine PA-28-180 Cherokee als Ersatz bekomme. Auf der Piper habe ich nur wenige Flugstunden und teile mit, dass ich zum Check-out noch etwas Training benötige. Das erweist sich indes als nicht notwendig. Vielmehr erfahre ich zwei Tage vorher, dass noch eine Zusatzversicherung erforderlich ist, um die 5000 Dollar Selbstbehalt abzudecken. Ich bin verblüfft, dass ich das über Nacht hinkriege. Dann packen wir unser Kurzreisegepäck, etwa 15 Kilogramm für uns drei sowie Hedis fürchterlich sperrigen Rollator, in den Kofferraum ihres Acura und fahren am Mittwochmittag die fünf Stunden nach Prescott.

Die Cherokee ist ein kommodes Reiseflugzeug und hat genug Zuladung für drei Personen, Gepäck und Sprit.

Trudi (r.) und Hedi sind dieses Mal Peter Schneiders Begleitung.
Am nächsten Morgen bin ich mit Rachel verabredet, einer jungen CPL-Inhaberin, die sich mit der alten Cherokee sehr gut auskennt und mit mir um acht Uhr den Check-out beginnt. Um 9:30 Uhr sind wir wieder zurück, und ich fahre in die Stadt, um die beiden Damen abzuholen. Zwischenzeitlich ist die Piper aufgetankt worden, und wir beladen das Flugzeug. Der Rollator passt gerade so durch die Gepäcktür. Hedi müssen wir auf den Flügel schieben, und sie macht es sich auf den hinteren Sitzen bequem. Weight & Balance sind im grünen Bereich, wir haben mit unserer Spritmenge fünf Stunden Reichweite. GRAMET zeigt uns hohe Cirren, ansonsten finde ich für die nächsten vier Tage auch eine gute Wetterprognose, um problemlos zurückzukommen. Die Route geht ostwärts vorbei an Sedona nach Gallup und weiter nach Santa Fe. So vermeide ich die teils recht hohen Berge, die über die Reisehöhe von 9500 Fuß weit hinausragen. Die 180 PS reichen gerade so aus, um safe auf dieser Höhe die Auf- und Abwinde auszusteuern. Den Autopiloten probiere ich aus, muss ihn aber nach fünf Minuten wieder ausschalten, um nicht seekrank zu werden. Nahe des wunderschönen Sedona, dessen bunte Klippen in der Morgensonne leuchten, ist die Reisehöhe erreicht. Der Mormon Lake enthält jetzt nicht viel Wasser, voriges Jahr sahen wir ihn verschneit. Über Winslow, Arizona, sehen wir den Typen aus dem Eagles-Song "Take it Easy" noch immer nicht "at the corner" stehen … Altbekannte Gegenden ziehen vorbei: die Painted Desert und der Petrified Forest, ansonsten öde Hochwüste. Die versteinerten Bäume aus der Dinosaurierzeit erkennen wir aus dieser Höhe freilich nicht. Gallup ist auf der Route für den Fall eingeplant, dass jemand einen Komfort-Stopp benötigt, was aber nicht der Fall ist.

Die Landschaft nahe Sedona. Im Sonnenlicht leuchten die roten Felsen.
Kurz vor dem Anflug auf den Santa Fe Airport mit seinen drei Pisten überqueren wir den zum Cochiti Lake aufgestauten Rio Grande. Hier, über dem Reservat der Cochiti-Indianer befindet sich die Exercise-Area für meinen geplanten Aerobaticflug mit der L-39C. Santa Fe Tower nimmt uns in Empfang, wir landen auf der 8366 Fuß langen Piste 20 und rollen zum Signature Flight Support. Larry Salganek, Gründer des Jet Warbird Training Center, hat sein Büro hier im Gebäude. Wir kennen uns seit inzwischen 20 Jahren, entsprechend herzlich ist das Hallo. Behutsam helfen wir Hedi beim Aussteigen aus dem Flugzeug, das sogleich angekettet wird, und ich kümmere mich um ein Mietauto. Signature bietet einen Pickup für 1200 Dollar an. Ich beiße die Zähne zusammen und erkläre, dass wir den eigentlich nicht kaufen, sondern nur mieten wollen. Im Terminal gegenüber gibt es aber einen Hertz-Schalter, und da erhalte ich für vier Tage ein Mittelklassefahrzeug für 450 Dollar. Mit Larry verabrede ich mich für den nächsten Tag.

Ein Teil der Flugstrecke verlief entlang der Interstate 40.
Nach einem schönen Abend mit deftigem Essen im Cowgirl’s, das ich nun auch schon seit 18 Jahren kenne, fahren wir raus zum Flugplatz. Während die Mädels sich unterhalten, rekapituliert Larry mit mir die wesentlichen Verfahren vor dem Flug mit dem Jet. Das betrifft die Backup- und Emergency-Systeme, den Anlassvorgang mit der Hilfsturbine und nicht zuletzt auch das Notausstiegsverfahren. Den Jet bin ich 2017 das letzte Mal geflogen, kenne aber noch alle Knöpfe und Hebel. Inzwischen wurden ein neues Funkgerät und ein ADS-B-Transponder mit Traffic Display eingebaut. Die L-39C mit der Tailnumber N24189 hat für ihre Flüge den Squawk 0124, sodass Albuquerque Center immer im Bilde ist, was vor sich geht. Wir sprechen ab, was ich da gerne fliegen will. Eine Kubanische Acht soll auf jeden Fall dabei sein. Gemächlich schlendern wir rüber zum Jet, den die Signature-Leute ausgehallt und betankt haben. Etwa eine gute halbe Tonne Jet A-1 werden wir verheizen, die Flügelspitzentanks bleiben leer.

Vor allem im Ostblock und in afrikanischen Staaten wird die L-39 noch als Militärtrainer zur Pilotenschulung eingesetzt.
Nach gründlichem Außencheck klettere ich in den vorderen Sitz, Larry überwacht den kritischen Anlassvorgang mit der Saffire-Hilfsturbine. Die Haube ist geschlossen, die Druckkabine aktiviert. Larry brieft mich nochmals hinsichtlich einiger wichtiger Bedienelemente, die nur ich vorne erreichen kann. Ich rolle los zur Piste 20, währenddessen erhalten wir die Clearance zum Departure. Sauber ausrichten, Bremsen feststellen und Schubhebel nach vorne, bis N1 auf Maximum anliegt, das sind heute 107 Prozent. Dann Bremsen lösen; ab 40 Knoten wirkt das Seitenruder, vorher auf keinen Fall mit den Radbremsen steuern. Mit 110 Knoten und 10 Grad Pitch heben wir ab und steigen 160 Knoten schnell mit 4000 Fuß pro Minute.
In der Training Area beginne ich mit einem Power-on-Stall zur Auflockerung, dann ein paar Steilkurven rechts und links mit 2 bis 3 g. Danach steigen wir auf 17 500 Fuß. Larry meint, wir sollten zunächst mal einen Loop fliegen. Dazu wird die potenzielle Energie in Geschwindigkeit umgesetzt – heißt: anstürzen, bis 350 Knoten anliegen. Das sieht schon irre aus, wenn man den felsigen Boden, der hier auf 5000 bis 6000 Fuß MSL liegt, auf sich zuschießen sieht und sich der Zeiger des Höhenmessers wie ein Quirl dreht. Ausgelevelt in 11 000 Fuß, ziehe ich 4 bis 5 g, und hoch geht’s mit Pressatmung, um zu verhindern, dass das Blut in die Beine sackt und es zum Blackout kommt. Nach dem Scheitel in 17 500 Fuß geht’s wieder bergab und in die nächsten 4 g zum Ausleiten des Loops. Kurze Erholung beim erneuten Aufstieg, und dann das Ganze nochmal. Ich bin so beeindruckt, dass ich die Kubanische Acht völlig vergesse. Wir machen uns auf den Rückweg, und stattdessen gibt es vor Erreichen der Platzrunde noch einen Immelmann, auch bekannt als Aufschwung. Heißt: halber Loop in Rückenlage, halbe Rolle in den Normalflug.
Um fit zu werden, möchte ich vor der Abschlusslandung noch ein paar Touch-and-Gos machen. Auch die gelingen mir sehr gut; von hinten kommt jedes Mal "very nice, very nice!", wenn es mit vollen Klappen, mindestens 80 Prozent Schub und 110 Knoten am Stau über den Zaun geht. Der Schub bringt uns dabei zum Aufsetzpunkt, das Höhenruder bleibt stur so, dass im Final 120 Knoten anliegen. Der Seitenwind macht bei dem Tempo nicht viel aus, und die Piste ist mit ihren mehr als 8000 Fuß lang genug. Die Bremsen schonend, rolle ich erst beim Exit D1 zurück zur Ramp. Wir befinden uns auf einer Höhe von 6300 Fuß MSL, und als ich den gelben Hebel für die Haubenentriegelung nach vorne hiebe, knackt es im Ohr. Der Luftdruck draußen und der im Kopf müssen sich erst ausgleichen. Alle 16 Schalter auf "Aus" und den Schubhebel auf "Idle Cut-off", die Musik verstummt.
Nach meinem ersten Albatros-Flug 2004 und einem zweitägigen Upset-Recovery-Training war diese Stunde mein siebter Flug auf dem tschechischen Trainer. Insgesamt komme ich auf etwa zehn Stunden und mehr als 25 Landungen. Es würde fast schon fürs Rating reichen, wenn das einen Sinn ergäbe und ich den IFR-Eintrag in der Pappe hätte. Zugegeben, der Spaß hat seinen Preis, allein der Sprit heute hat etwa 1400 Dollar gekostet.

Bei Larry Salganek kann jeder, genug Kleingeld vorausgesetzt, das Fliegen auf der Albatros erlernen.
Larry eskortiert unseren innerhalb der Ramp geparkten Mietwagen zu einem Gate am nördlichen Ende des Airports, und wir verabschieden uns. Den für den nächsten Tag geplanten Flug mit der Cherokee nach Los Alamos kassiere ich, weil der Flugplatz dort drei Kilometer vom Zentrum entfernt ist und wir wieder einen Ground Transport gebraucht hätten. Stattdessen fahren wir mit dem Auto und besichtigen das Museum und den Ort, wo Oppenheimer die Bombe entwickelte. Den Flugplatz musste ich trotzdem erkunden. Er liegt schmal in Ost-West-Richtung genau an einem Sperrgebiet längs eines der vielen Erosions-Canyons eines riesigen Schildvulkans. Wir fahren durch einen Checkpoint in das Sperrgebiet R-5101 des Atomforschungszentrums – Fotografieren verboten! Am White Rock Overlook blicken wir in den Diablo Canyon, unten fließt der Rio Grande zum Cochiti-See. Im Geiste sehen wir Apachen und Cochitis durch die Schlucht reiten …
Nach einem weiteren Abend im Cowgirl‘s ist für Sonntagmittag der Rückflug geplant. Abends ziehen noch ein Gewitter über Santa Fe her, und die "broken clouds" in 1000 Fuß halten sich sogar bis zum nächsten Vormittag. GRAMET verspricht ab Mittag Auflockerung und unterwegs typische Arizona-Cumuli.
Die Dichtehöhe am Flugplatz beträgt 7973 Fuß! Wir schwingen uns in die vollgetankte Piper, und beim Run-up wird sorgfältig auf höchste Drehzahl geleant. Richtung Gallup steigen wir auf 10 500 Fuß. Einige Berge sind höher, auch der Boden kommt schon mal näher. Bei Gallup muss die R-5117 umflogen werden, sie reicht bis zu uns herauf. Zwischenstopp ist Sedona, Elevation: 4736 Fuß. Wie sich’s gehört, raste ich AWOS. Das empfiehlt Landerichtung 03. So melde ich 10 Meilen und dann Downwind 03 an Sedona Traffic. Unten steht ein Business Jet am Holding der 21 und will starten, weil das talwärts geht und nicht in Richtung der hohen Berge. Nun, der muss halt warten. Die Landung auf dem "Flugzeugträger", meine sechste, ist aus der Cockpitperspektive einfach toll! Ein FBO-Mann fährt uns zum Flugplatzrestaurant, und während wir essen, füllt er zehn Gallonen Avgas nach.
Nach dem Snack fliegen wir zügig das letzte Leg zurück nach Prescott und ketten die Cherokee an ihren Stellplatz. Achteinhalb Flugstunden trage ich in die Flugzeugkladde ein, Mücken werden weggeputzt, Gepäck mitsamt Rollator ausgeladen. Noch Schlüssel und Papiere in der Leighnor-Baracke abgeben, dann geht es zurück nach Calimesa in Kalifornien, wo wir eine Stunde Zeit zurückgewinnen.

Im Anflug auf den Airport Prescott – eine überraschend grüne Oase in der Wüste.
Nicht nur mein Jetflug, auch der Besuch der Atomforschungsstadt Los Alamos war für uns die viertägige Reise wert, insbesondere für mich als pensioniertem Nuklearmediziner. Die Kubanische Acht behalte ich mir fürs nächste Mal vor!