Zynisch formuliert könnte man sagen: Wenn genaue Kenntnisse für eine kognitive Auseinandersetzung fehlen, wird oft affektiv, sprich: emotional argumentiert. Aber es ist tatsächlich auch dem Hintergrund geschuldet, dass wir in der UL-Szene besonders die Unterscheidung kennen: Bewahrer – für die muss ein UL immer noch wie ein fliegender Gartenstuhl aussehen und so fliegen – und fortschrittsaffine ULer. Für die gilt der Grundsatz: höher, weiter, schneller. Das sind schier unvereinbare Gegensätze. So was schreit nach Emotionalität.
Sie wollen mich jetzt auf das Glatteis der ersten Frage locken? Mal austesten, ob ich für den Fortschritt bin oder ein Bewahrer? Das betrifft jeweils den entsprechenden Standpunkt. Ich kann Ihnen sagen, dass ein fliegender Gartenstuhl schlicht keinen Autopiloten braucht. Aber genauso verstehe ich die Leute, die mit einem schnellen UL lange Strecken fliegen wollen. Anders formuliert kommen wir der Sache näher: Autopiloten in ULs sind nirgends verboten – sie sind derzeit nur nicht erlaubt. Die Verordnung zur Prüfung von Luftfahrtgerät (LuftGerPV) besagt, dass in der Musterprüfung eines Luftsportgeräts geprüft wird, ob das Muster den Bauvorschriften für Luftfahrtgerät entspricht und keine Merkmale oder keine Eigenschaften aufweist, die einen sicheren Betrieb beeinträchtigen. Nun, für die Selbststeuerungsanlage gibt es keine Bestimmungen in den Bauvorschriften, demnach kann ein UL mit Autopilot auch nicht konform sein mit dieser Forderung.
Richtig. Sehr zu unserem Leidwesen. Streng genommen ist es eine Ungeheuerlichkeit, die jene Hersteller und Händler vollbringen. Auch hier wieder die gleiche Ausgangslage: Die LuftGerPV besagt: "In der Stückprüfung eines Luftsportgeräts wird geprüft, ob das Luftfahrtgerät mit dem Muster übereinstimmt und lufttüchtig ist." Tut es dann natürlich nicht – aus den vorher genannten Gründen. Es ist doch auch wirklich bescheuert: Wir machen einen Terz zum Beispiel um die Lärmmessung, und ausgerechnet in so etwas Sensibles wie die Steuerung wird beliebig eingegriffen – nur weil es der Geldbeutel des Kunden hergibt.
Weil ich die Schnauze voll hatte von dem emotionalen Pro und Contra. Und weil die Hersteller, wie Sie eben sagten, immer dreister werden. Seit geraumer Zeit haben wir die Hersteller für die Stückprüfung in die Pflicht genommen und ihnen auferlegt, dass sie mit dem UL eine Konformitätserklärung ausliefern müssen. Wir wollten damit die Firmen auch in die Haftung nehmen. Bisher haben nur unsere Prüfer den Satz unterschreiben müssen: "Stimmt mit dem geprüften Muster überein". Das unterschreiben die auf DULV-Papier und nehmen damit den DULV in die Haftung. Nun müssen diesen Satz die Hersteller auf ihrem Papier vorher unterschreiben – machen die auch blindlings. Es ist doch so: In der etablierten Luftfahrt machen die Hersteller die Stückprüfung selbst. Da kommt wohl kaum einer auf die Idee, etwas derart Wahrheitswidriges zu unterschreiben. Die riskieren Kopf und Kragen, nämlich den Verlust ihrer Herstelleranerkennung. Diese haben wir aber bei ULs – noch – nicht. Da unterschreibt der DULV-Prüfer namens und im Auftrag des DULV, und der Hersteller kann vor Gericht diesen Prüfschein hochhalten: Bitte, ich habe doch nur gebaut wie geprüft! Hier steht es. Da haben wir das gleiche Dilemma wie früher mit den Gewichten. Hier ist weniger die Kompetenz als die Charakterfestigkeit der Prüfer gefordert. Mit den 600 Kilogramm sind wir dabei, diese Hürde zu nehmen. Und prompt stehen wir jetzt wieder vor dem gleichen Dilemma mit den Autopiloten. Das ist mit der Grund dafür, weshalb ich mich in eine Lösung dieses Problems eingespreizt habe: "Legalize it" ist mein Slogan. Und ich kann den auch vertreten. Richtig und geordnet eingesetzt, sind Autopiloten kein Teufelszeug.
Wenn es nach mir ginge, schon. Ich wünsche mir die Modalitäten so, dass ein sicherer Flugbetrieb möglich ist. Ich hoffe sehr, dass wir das Verkehrsministerium und das Luftfahrt-Bundesamt mit unserer Vorlage davon überzeugen können, dass wir an der richtigen Stellschraube drehen.
Auch in dieser Frage steckt wieder viel Potenzial für Glatteis. Ich muss Ihnen verraten: In launigen Stunden nenne ich die UL-Hersteller intern "Kistenschieber". Und natürlich sind die froh über jede unserer Initiativen, die ihnen hilft, die Kisten über den Ladentisch zu schieben. Hinten herum erfahre ich aber auch, dass manche Hersteller uns unterstellen, dieses Engagement als Pfründesicherung zu betreiben. Deswegen würden wir die Zertifizierung der Autopiloten vorantreiben. Das sorgt mich aber weniger. Wir sind ein Mitgliederverband für Piloten und kein Herstellerverband.
Ich habe mir abgewöhnt, mir etwas nicht vorstellen zu wollen. Was davon mit unserer Unterstützung Realität werden soll, ist etwas anderes. Aber das kommt immer auch auf die Gegebenheiten an. Natürlich kann ich mir sogar ein Fliegen ganz ohne Piloten vorstellen. Aber mal eine Gegenfrage: Können Sie sich vorstellen, dass ein Vorsitzender eines Schachclubs glücklich ist bei der Vorstellung, dass Schachcomputer nächstens die Mitglieder in seinem Verein ablösen? Wenn wir keine begeisterungsfähigen Menschen mehr im Verband haben, können wir den Laden zusperren.
Natürlich kenne ich zum Beispiel auch das Argument, dass die ULer mit dem Autopiloten in IMC-Bedingungen einfliegen wollten. Da frage ich aber immer zurück, ob man die ULer grundsätzlich für doofer hält als zum Beispiel Echo-Piloten. Schindluder bei schlechtem Wetter kann auch ein PPLer treiben – mit dem Unterschied, dass ihm das technisch ermöglicht wird.
Noch einmal der vorsichtige Hinweis: Nirgends steht, dass Autopiloten in ULs ausgeschlossen sind. Sie sind nur noch nicht eingeführt, nicht beschrieben und definiert. Ich habe allerdings auch Verständnis für die Skeptiker. Es gibt einfach auch die Sorge vor der überbordenden Bürokratie. Da ist schnell ein Zusammenhang hergestellt: Komplexe Maschinen erfordern komplexe Regeln. Umgedreht wird dann deutlich: Wer sich gegen viele Regeln wehrt, muss sich auch gegen viele Knöpfe im Flieger wehren. Aber damit sind wir wieder am Anfang unseres Gesprächs. Aus dem Grund hat sich der DULV für den Weg eines Erprobungsprogramms entschlossen. Bei der Gelegenheit könnten wir gleich auch erproben, wie doof die ULer wirklich sind. Aber ich behaupte, sie sind lernfähig.
Jetzt wird es abgründig emotional. Schon die Bezeichnung "wirkliche ULs" treibt meinen Adrenalinspiegel auf die Spitze. Wer wollte die Grenze ziehen zwischen "wirklichen" und "unwirklichen" ULs. Allein den Versuch dazu habe ich zum Beispiel bei Motorrädern noch nie gehört. Da gibt es technisch sehr komplexe "Renn"-Maschinen, aber auch gemütliche Oldtimer. Kein Mensch kommt aber auf die Idee, den Einbau eines ABS-Systems in einer alten Norton auszuschließen. Ob der Aufwand Sinn macht, ist eine andere Frage.
Ich bin mit Herz und Seele Trike-Pilot. Bei Trikes und Motorschirmen ist der Autopilot mechanisch sehr sportlich und ambitioniert – man würde da kräftige Servos brauchen. Aber Sie sehen, ich schließe nichts aus. Ich bezeichne es lediglich als mechanisch sportlich.