Der Begriff "Haudegen" liegt dem Autor auf der Zunge. Abgedroschen ist dieses Wort einerseits, andererseits könnte es passender kaum sein. Lautstark, markant und doch sympathisch. So ist Reinhard. Als "Director Advertising Marketing + Sales, Aerospace" hat er seit fast einem halben Jahrhundert die kaufmännische Seite des aerokuriers und später auch der FLUG REVUE verkörpert, zuletzt noch als freier Mitarbeiter im Team mit Guido Zähler – denn ohne ein funktionierendes Anzeigengeschäft und Marketing könnten wir unsere Gehälter und Rechnungen nicht bezahlen. Dieses Geschäft beherrscht Reinhard virtuos. Netzwerken ist seine Stärke, "Connecting Business" sein Programm. In der General Aviation kennt er fast jeden, vom UL-Hersteller über die Zubehörhändler und Motorenspezialisten bis hin zu den Entscheidern der Business Aviation. Er ist Freund und Geschäftspartner in einem, viele Kontakte sind über die Jahre zu Freundschaften gewachsen. Für uns als Redaktion war er stets ein streitbarer Partner mit manchmal eigenen, nicht immer konformen Vorstellungen über Inhalte und Heftgestaltung – aber auch jemand, mit dem man stets reden und gemeinsame Wege finden konnte.

Bei der Verleihung des aerokurier Innovation Awards war Reinhard Wittstamm (rechts) stets eine feste Größe. Hier am Stand von Garmin auf der AERO 2014.
Fast 46 Jahre im Einsatz für den aerokurier
Leicht fällt ihm der Abschied sicher nicht. Der Begriff "Workaholic" liegt nahe, denn die Grenze des offiziellen Eintritts ins Rentnerleben hat Reinhard trotz einer gesundheitlichen Achterbahnfahrt freiwillig hinausgeschoben. "Vor 55 Jahren begann mein Arbeitsleben mit einer Ausbildung als Schriftsetzer, und heute beginnt das letzte Quartal bei der Motor Presse Stuttgart. Nach fast 46 Jahren für den aerokurier und über 30 Jahren für die FLUG REVUE ist zum Jahreswechsel Schluss", schrieb er mir Anfang Oktober via WhatsApp. Die Arbeit war und ist sein Lebenselixier: "Was für eine interessante Zeit. Ich musste nie arbeiten, wirtschaftlich gesehen schon, aber ich durfte arbeiten, das hat mich die lange Zeit wie im Flug erleben lassen." Als er im Juni auf der Paris Air Show den Aerospace Media Award erhielt, war das die Krönung seines Lebenswerks – siehe Foto.
Niemand sonst war länger an Bord des aerokuriers als Reinhard Wittstamm. Als er eingestiegen ist, gehörte der Titel noch zum Verlag Dr. Neufang. Sitz der Redaktion war damals Gelsenkirchen-Buer. Anfang der 1990er Jahre, als die Motor Presse Stuttgart das Magazin übernahm, erfolgte der Umzug nach Bonn und 2016 schließlich nach Stuttgart. Obwohl Reinhard nie selbst Pilot war, liebte er das Fliegen. Vor allem dann, wenn es auf Dienstreisen ging. Je weiter weg, desto besser. Vor allem in früheren Jahren zelebrierte er jede Reise in die USA und andere ferne Länder.
Many happy landings, lieber Reinhard...
Kennengelernt habe ich Reinhard bei meinen eigenen Anfängen beim aerokurier Anfang 2003. Nach mehr als 20 Jahren trennen sich jetzt unsere Wege, zumindest beruflich. "Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit", hat Reinhard oft gesagt. Offensichtlich war er immer ganz dicht dran am Zeitgeist – trotzdem ist jetzt auch für ihn die Zeit des Abschieds gekommen. "Trauere nicht der Motor Presse nach, sondern genieße das Leben", habe ich ihm auf seine WhatsApp-Nachricht geantwortet. Er selbst weiß am besten, was damit gemeint ist. Mit einem "very last call" wünschen wir ihm alles Gute und, wie er oft sagte: "Many happy landings, whatever the plan is."

50 Jahre Piper Deutschland in Kassel, hier im Jahr 2018 mit dem 2020 verstorbenen Wilfried Otto.