Unfallanalyse: Unnötige Umkehrkurve endet tödlich

Unfallanalyse
Unnötige Umkehrkurve endet tödlich

ArtikeldatumVeröffentlicht am 22.08.2025
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Unnötige Umkehrkurve endet tödlich
Foto: BFU

Ein Motorausfall während des Anfangssteigflugs ist für jeden Piloten ein Albtraum. In solchen Fällen wird aber häufig gar nicht die Triebwerksstörung selbst zur größten Gefahr, sondern ein oft unterschätztes Phänomen: die Überreaktion des Piloten in Extremsituationen. Ein besonders tragischer Fall, der sich auf dem Sonderlandeplatz Nordholz-Spieka zugetragen hat, zeigt, dass es auch ganz ohne Triebwerksproblem zum Unglück kommen kann.

Störung bei der Vorflugkontrolle

An jenem 8. Juli 2021 will der Pilot einer Aquila AT01, die er von seinem Verein gechartert hat, zusammen mit seiner Frau einen Rundflug unternehmen. Unweit der Tankstelle erledigt er zunächst den Vorflugcheck, seine Frau wartet währenddessen bereits im Cockpit. Als der Pilot gerade damit beschäftigt ist, den Ölstand zu kontrollieren, nähert sich ein zweimotoriges Passagierflugzeug des Typs Britten-Norman Islander BN-2 der Tankstelle. Der 54-Jährige unterbricht daraufhin abrupt seine Kontrollroutine, um der deutlich größeren Maschine Platz zu machen. Wenige Minuten später beendet er seine Flugvorbereitungen, und die Aquila rollt über den Taxiway zur Piste, die BN-2 folgt ihr. Erneut macht der Aquila-Pilot der größeren Maschine Platz, um sie vor ihm auf die Piste zu lassen.

Klappe offen – falsche Reaktion

Um 9:51 Uhr startet die BN-2 auf der Piste 08. Kurz darauf ist auch der Aquila-Pilot abflugbereit am Rollhalt 08 und startet. Nur eine Minute nach dem Take-off bemerkt er ein Problem: An der Cowling hat sich eine Klappe geöffnet. Sofort meldet er über Funk, dass er nochmals landen müsse, weil eine Serviceklappe aufgegangen sei – und fügt hinzu, dass er "’ne kurze Runde" fliegen will, offenbar um schnell wieder zu landen. Gemeint ist wohl eine kurze Platzrunde. Doch eine solche verkürzte Platzrunde oder gar eine enge Umkehrkurve ist gar nicht notwendig, da die Aquila keine Triebwerksstörung hat. Im Gegenteil: Das Vorhaben birgt ein großes Risiko: einen Strömungsabriss in einer sehr eng geflogenen Umkehrkurve bei geringer Geschwindigkeit. Vom Turm kommt die Antwort: "Über links."

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Abkippen in der Kurve

Dann dreht die Aquila hinter der Schwelle der Piste 26 in einer Höhe von etwa 150 bis 180 Fuß in die Richtung, aus der sie gerade erst gestartet war. In einer weiteren Drehung nach links Richtung Piste nimmt die Schräglage der AT01 plötzlich gefährlich zu. Dann kippt sie unvermittelt über die linke Tragfläche ab und stürzt etwa 30 Meter nördlich der Piste 08 senkrecht auf ein Maisfeld. Beim Aufprall fängt das Flugzeug Feuer.

Die Besatzung eines Hubschraubers, der zu diesem Zeitpunkt gerade über der benachbarten militärischen Piste 08 des Fliegerhorstes Nordholz schwebt, beobachtet das Unglück und setzt über Funk einen Notruf ab. Dann suchen die Hubschrauberpiloten die Unfallstelle nach Überlebenden ab. Doch für die Insassen kommt jede Hilfe zu spät. Der Pilot und seine Frau kommen in den Flammen ums Leben. Das Wrack der Unfallmaschine brennt fast vollständig aus. Lediglich Teile des Höhenleitwerks und das Seitenleitwerk ragen aus den verkohlten Überresten des Wracks an der Unfallstelle heraus.

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Pilot mit geringer Flugerfahrung

Die Ermittler der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) schätzen die Flugerfahrung des verstorbenen Piloten als gering ein. Von insgesamt 86 Flugstunden, die in seinem Flugbuch dokumentiert sind, hat er nur rund 27 Stunden nach Erhalt der Lizenz gesammelt. In den letzten 90 Tagen vor dem Unfall war er rund sieben Stunden geflogen, davon aber lediglich etwa 30 Minuten im Cockpit der Aquila.

Vermutlich hatte die Ablenkung beim Vorflugcheck dazu geführt, dass der Pilot versäumte, den Öleinfüllstutzen und die Serviceklappe wieder richtig zu verschließen. Im Anfangssteigflug öffnete sich dann die Klappe, woraufhin er eine Umkehrkurve einleitete. Wahrscheinlich führte der Stress in der Ausnahmesituation zu dieser Entscheidung, denn die eng geflogene Kurve war unnötig. Zudem gab es keine Triebwerksstörung.

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Fazit: Reaktion war unangemessen

Im Untersuchungsbericht heißt es dazu: "Ein fehlender Verschluss des Öleinfüllstutzens beeinträchtigt den Betrieb des Rotax-Motors in der Regel nicht." Die Überziehwarnung, die in der Audioaufzeichnung des Funkverkehrs bereits im Steigflug zu hören ist, deutet auf eine viel zu geringe Geschwindigkeit hin. In der unkoordiniert geflogenen Kurve kam es dann zum finalen Strömungsabriss.