Pilot Report - Remos GX

Ultraleicht
Pilot Report: Remos GX

Zuletzt aktualisiert am 01.09.2012

Die 70 Angestellten von Remos Aircraft haben in die Hände gespuckt: Unter strenger Geheimhaltung ist in Pasewalk die Serienfertigung der neuen Remos GX angelaufen. Seine Weltpremiere sollte das UL- und LSA-Flugzeug zwar erst auf dem AirVenture in Oshkosh feiern, dennoch hatte der aerokurier die Chance, den Prototyp vorab zu fliegen.

Auf dem Flugplatz Bonn/Hangelar treffen wir Entwicklungsleiter Christian Majunke und Marketingchef Jürgen Rehländer, deren GX die vielsagende Kennung D-MYGX trägt. Die Sonne lugt nach einem Schlechtwetter-Intermezzo zwischen den Cumuluswölkchen hindurch — prima Bedingungen also, um der Neuen auf den Zahn zu fühlen. Auch rechtlich steht einem Probeflug nichts im Wege: Abseits der Öffentlichkeit wurde die UL-Musterzulassungsurkunde auf der ILA in Berlin durch den DAeC überreicht — sie ist gleichzeitig Basis für die amerikanische LSA-Zulassung.

Was an der neuen GX auffällt? Zunächst einmal, dass sie ihrer Linie als abgestrebter Schulterdecker in Faserverbundbauweise treu geblieben ist. Die Worte „unauffällig, aber elegant" beschreiben den ersten Eindruck wohl noch am besten. Sofort sticht die Firme auf dem Leitwerksträger ins Auge, die dem Flugzeug mehr Stabilität um die Hochachse gibt. Herzstück ist jedoch der neue Kohlefaser-Sandwich-Schalenflügel, das Meisterstück der hauseigenen Entwicklungsabteilung. Neu sind auch Fahrwerk, Rumpf und viele vermeintlich unspektakuläre Details.

Doch eines nach dem anderen. „Mit dem neuen Flügel haben wir auf die Rufe unserer amerikanischen Kunden gehört", sagt Marketingchef Jürgen Rehländer. Zugleich wurde die Spannweite des Kohlefaser-Sandwich-Schalenflügels gegenüber der G-3-Fläche von 9,80 m auf 9,32 m verkürzt. Neu sind auch ihre fowlerartigen Spaltklappen, die sich elektrisch bis zur 40- Grad-Marke ausfahren lassen. Sie sorgen im Langsamflug für besonders hohen Auftrieb und mehr Widerstand — gut für kurze und steile Anflüge, die nicht gerade zu den Stärken der G-3 gehörten. Das Profil ist im Außenbereich schlanker und widerstandsärmer geworden. Eine Schränkung garantiert weiterhin ein zahmes Abrissverhalten. Ganz ohne Streben kommt zwar auch die GX nicht aus, doch zumindest ist die Hilfsstrebe beim neuen und steiferen Flügel weggefallen.

Was der Kunde davon hat? Gewichts- und Handlingvorteile, verspricht der Hersteller. Ein bespannter Flügel der alten G-3 wiegt 28,8 kg, der neue nur noch 26,6 kg. Außerdem landet die neue GX noch einfacher als ihre Vorgängerin.

Am Rumpf haben die Ingenieure ebenfalls Hand angelegt. „Wir verwenden jetzt eine modernere Fertigungstechnik. Früher wurden die beiden Rumpfhälften so verklebt, dass eine markante Naht an der Außenseite des Leitwerksträgers zu sehen war. Heute verkleben wir die Schalen unsichtbar von innen", sagt Majunke. Dank struktureller Optimierungen soll der Rumpf so einige Kilogramm abgespeckt haben.

Sicherheitscockpit mit CFK und Aramid

Wichtigster Werkstoff ist weiterhin Kohlefaser in Sandwichbauweise. Um die Insassen im Falle eines Crashs vor Splittern der spröden Kohlefaser zu schützen, sind im Cockpitbereich Aramidfasern eingelassen. Das Seitenleitwerk besteht jetzt aus Kohle- statt wie bisher aus Glasfaser.

Stolz ist man in Pasewalk auch auf das neue Fahrwerk. Die alte Composite-Konstruktion hat ausgedient, stattdessen vertraut man jetzt dem Werkstoff Metall. Das Hauptfahrwerk mit seiner zentralen Aluschwinge und Beinen aus Federstahl soll auch extrem harte Landungen wegstecken — eine Konstruktion, die Majunke als „nahezu unkaputtbar" anpreist. Da sei es verziehen, dass die Radschuhe des von uns geflogenen Prototyps noch nicht zu ihrer endgültigen Form gefunden haben.

Die übrigen Veränderungen spielen sich im Verborgenen ab: Die Scheiben werden nicht mehr aufwändig verspachtelt, sondern verklebt, was den Fertigungsaufwand senkt und einen späteren Austausch vereinfacht. Der Kabelbaum wurde weiter optimiert. Bei den Lampen hat in weiten Teilen die LED-Technologie Einzug gehalten. Der Rumpftank ist von 68 auf 84 l gewachsen und beschert der GX jetzt mehr als 1000 km Reichweite. Neben dem Tank ist im hinteren Rumpfbereich ein tiefer Kofferraum eingelassen, der 30 kg aufnehmen darf. Außerdem wurde die Firme am Sporn optimiert und mit einem Schleifsporn samt Loch zum Verzurren versehen. Wo nötig, wurden Struktur und Aerodynamik an die von 220 auf 249 km/h erhöhte VNE angepasst.

Von den Neuerungen profitieren Hersteller und Kunde gleichermaßen. „Unser Ziel ist es, die Produktion zu straffen und eine effektive Serienfertigung zu erreichen", sagt Rehländer. Nach gut 1000 Arbeitsstunden — so die Vorgabe — soll eine GX das Werk in Mecklenburg-Vorpommern verlassen. 80 Flugzeuge sollen es 2008 sein, bei 200 liegt die Zielmarke für das kommende Jahr. Wichtigster Markt sind die USA, wo die GX als LSA mit 600 kg MTOW starten darf. Obwohl strukturell identisch, ist die deutsche UL-Version auf klassenübliche 472,5 kg Abflugmasse beschnitten.

Zurück nach Hangelar. Das Cockpit ist mit 1,17 m Breite geräumig genug für zwei ausgewachsene Mitteleuropäer — oder eben Amerikaner. Clever sind die Detaillösungen: Je weiter man die Sitze nach vorne verstellt, desto höher rücken sie auf einer Schiene. Dass man für den Zugriff auf das Ablagefach den Copilotensitz herausnehmen muss, ist vielleicht nicht optimal, aber mit wenigen Handgriffen erledigt.

Im krassen Gegensatz zur filigran anmutenden Linie des ULs steht das kantige Panel, das 2005 mit der G-3 600 Einzug in die Remos gehalten hat. Klein gewachsene Piloten könnten Probleme bekommen, beim Rollen den Überblick nach vorn zu behalten. Immerhin: Das Kunststoffpanel bietet Platz für jene umfangreiche Avionik nach Motorflugstandards, die viele amerikanische Kunden fordern. Auch die massiven Steuerknüppel wollen nicht so recht zum feinfühligen Steuerverhalten der GX passen.

Universaltalent Remos GX

Für den deutschen Markt bietet Remos drei Avionikpakete an — auch dies ist ein Zugeständnis an die Serienfertigung. Das Paket „Traveller" beinhaltet unter anderem ein Gannin 296, das Paket „Voyager" ein Garmin 496. Die Topausstattung trägt den Namen „Cruiser" und beinhaltet ein komplettes Glascockpit bestehend aus Flymap L, Dynon EFIS D-100 und Dynon EMS D-120. Geradezu spartanisch ist dagegen der Prototyp ausgestattet, der sich mit klassischen Rundinstrumenten und einem Rotax Flydat begnügt. Außerdem ist die D-MYGX mit einem starren GT-Zweiblattpropeller ausgestattet.

Gemeinsam mit Christian Majunke auf dem rechten Sitz geht's zur Piste 29 in Hangelar. In der Praxis spielt das Panel seine Vorteile aus. Die Bedienung ist übersichtlich, das Ambiente hochwertig. Der Vorflugcheck ist mit wenigen Handgriffen erledigt. Beim Start auf Asphalt dürfen die Klappen getrost eingefahren bleiben.

Nach wenigen Metern sind wir in der Luft. Bei 120 km/h am Stau pendelt sich das Variometer bei 5 m/sein. In 2500ft vereitelt der Köln/Bonner Luftraumdeckel weitere Steigversuche. Über Bonn hinweg geht es nach Süden über Bad Neuenahr in die Eifel zum Nürburgring. Der GT-Propeller macht im Reiseflug eine gute Figur. 4900 U/min des Rotax 912 S resultieren in 175 km/h Reisegeschwindigkeit. Reduziert man auf spritsparende 4400 U/min, verliert die Remos etwa 10 km/h. Die Geräuschkulisse im Cockpit bleibt stets moderat.

Auffällig sind die sehr leichten Ruderkräfte, die die GX von ihrer Vorgängerin geerbt hat. Dennoch fliegt sie ausgewogen und liegt nahezu perfekt in der Hand — die harmonische Ruderabstimmung trägt weiterhin die Handschrift von Remos. Einziger Kritikpunkt sind die niedrigen Seitenruderkräfte. Die Remos-Entwicklungsabteilung arbeitet diesbezüglich an einer Lösung.

Auf Strecke macht die GX klar, wo sie einzuordnen ist: Sie ist ein Universaltalent, das für den kurzen Ausflug ebenso zu haben ist wie für die große Reise. In drei, vier Stunden die Republik von West nach Ost überqueren? Kein Problem. Dass die GX keine Geschwindigkeitsrekorde aufstellt, macht sie mit ihrem hohen Komfort mehr als wett. Außerdem ist zu erwarten, dass sich die Leistung mit aerodynamisch optimierten Radschuhen noch verbessert.

Im Reisesteigflug geht es mit 140 km/h und gut 3 m/s nach oben. In 4500 ft MSL bleibt genügend Luft unter den Flügeln, um uns ans Langsamflugverhalten heranzutasten. Erwartungsgemäß leistet sich die GX keine Schwächen. Mit oder ohne Leistung, im Grenzbereich verhält sie sich unspektakulär. Bestenfalls eine Tendenz zum sanften Abkippen über die linke Fläche darf man ihr bescheinigen — ohne Zutun des Piloten nimmt sie dann sofort wieder Fahrt auf.

Noch ein paar Rollübungen – der 60-Grad-Schräglagenwechsel bei etwa 170 km /h ist in weniger als drei Sekunden vollzogen –, dann gehen wir zum gemütlichen Teil des Fluges über. Wir gönnen uns noch eine Biege durch die Kölner Kontrollzone mit Panoramablick auf Innenstadt und Dom, bevor wir entlang des Rheins wieder Südkurs nach Hangelar aufnehmen.

Die GX liegt mir mittlerweile so gut in der Hand, dass sich die Anspannung vor der Landung in Grenzen hält. Die Spaltklappen lassen sich bei 130 km/h setzen und bremsen das Flugzeug effektiv auf eine Anfluggeschwindigkeit von etwa 110 bis 120 km/h. Mit ein wenig Schleppgas lässt sich die GX zielgenau zur Schwelle dirigieren. „Sie wird genau dort sitzen, wo du sie haben möchtest", hat man mir vor dem Flug versprochen. Eine Aussage, die ich sofort unterschreibe.

Fazit: Das eigentlich Tolle an der GX ist, dass sie kein reines LSA-Flugzeug ist, sondern auch der europäischen UL-Klasse gerecht wird. „Sie ist gut zehn Kilogramm leichter als die G-3", verspricht Christian Majunke. Konsequenter Leichtbau macht's möglich. Fliegerisch gibt es nichts zu mäkeln: Ihr Handling ist wie schon bei der G-3 600 vorbildlich, und die VNE wurde erhöht.

Remos ruft 98.175 Euro für eine GX in der Basisausstattung auf und spielt damit weiterhin in der ultraleichten Premiumliga. Zu teuer? Vielleicht. Doch für viel Geld gibt es hierverdammt viel Flugzeug — und das auch noch made in Germany.

aerokurier Ausgabe 08/2008