Praxis-Tipp - Reifenluftdruck bei Flugzeugen

Reifenluftdruck
Reifen: Immer unter Druck

Zuletzt aktualisiert am 01.11.2014

Praxis Reifen Reifendruck

Einfach hat es so ein Flugzeugreifen nicht im Leben: Es wird von ihm erwartet, dass er Beschleunigungen und heftige Verzögerungen hinnimmt, Hitze ebenso wie klirrende Kälte. Außerdem setzen ihm UV-Licht, Salzluft, Öl und Schlaglöcher zu. Und auch während seiner Ruhezeit kann er nicht wirklich entspannen, dann nämlich lastet auf wenigen Quadratzentimetern Gummifläche die gesamte Masse des Flugzeugs. 

Die Optik wirkt, im Vergleich zu dem ausgeklügelten Profil des Autoreifens, eher schlicht. Mit seinen wenigen Längsrillen erinnert der Flugzeugreifen eher an die Räder der Schubkarre zu Hause im Garten. Doch er ist das Ergebnis bester Ingenieurskunst und höchster Produktionsstandards - geschaffen, große Gewichte bei hohen Geschwindigkeiten zu tragen, dabei klein, leicht und widerstandsfähig. 

Einen Reifenplatzer nach dem Aufsetzen infolge eines ignorierten Reifenschadens möchte niemand erleben. Die simpelste und zugleich effektivste Art der Vorbeugung vor unnötigem Verschleiß ist die Kontrolle des Luftdrucks. Handbücher von Reifenherstellern empfehlen eine tägliche Prüfung mit einem Messgerät, bei Hochleistungsflugzeugen sogar vor jedem Start. Das Messgerät sollte natürlich seinerseits regelmäßig geeicht werden.

Zu geringer Luftdruck hat eine ungleichmäßige Abnutzung der Lauffläche zur Folge. Zudem verkürzt er die Lebensdauer aufgrund von Erhitzung und macht es dem Schlauch leichter zu verrutschen.
Ein Reifen mit deutlich zu geringem Luftdruck kann etwa 50 Prozent heißer werden. Ein zu hoher Luftdruck ist aber auch nicht gut, denn er führt ebenfalls zu einer ungleichmäßigen Abnutzung der Lauffläche, vermindert die Griffigkeit und macht den Reifen empfänglicher für Schnittverletzungen.

Wenn man sich schon einmal zu dem Ventil heruntergebeugt hat, kann man auch gleich das schwarze Rund auf Schäden untersuchen. Häufige Mängel, die sich durch genaues Hinsehen erkennen lassen, sind zum Beispiel Scheuerstellen, die durch Aufsetzen mit gebremsten Rädern entstanden sind. Möglich, dass bereits die Textillagen sichtbar sind. Gut erkennen lässt sich auch eine ungleichmäßige Abnutzung der Lauffläche infolge inkorrekten Luftdrucks. Eine schräg abgefahrene Lauffläche deutet auf einen entsprechenden Sturz des Fahrwerks hin.

Ferner könnte sich das Gummi stellenweise aufgelöst haben durch aggressive Flüssigkeiten. Oder es könnten Schnitte oder Brüche sichtbar sein. Reifen können darüber hinaus weitere Defekte aufweisen wie etwa Bruchstellen in den Profilrillen, Wulstschäden durch Bremshitze oder löchrige Laufflächen.

Nicht jeder Mangel führt zur sofortigen Außerdienststellung des Reifens, sehr bedenklich wird es aber, wenn das Profil gänzlich verschwunden ist, der Textilunterbau sichtbar ist oder Teile der Lauffläche sich abzulösen beginnen.

So banal sich das anhört: Am meisten kann man für die Haltbarkeit der Pneus tatsächlich tun, indem man mit großer Regelmäßigkeit den Luftdruck kontrolliert und gegebenenfalls anpasst. Es versteht sich, dass der Druck immer bei kalten Reifen geprüft wird.

Prüfung der Reifen

Die tägliche Prüfung, wie sie die Reifenhersteller empfehlen, ist in der Praxis wohl wenig realistisch. Sollte aber der Verdacht aufkommen, dass etwas mit dem Reifen nicht stimmt, verschafft die protokollierte Kontrolle an mehreren aufeinander folgenden Tagen einen Überblick über den Druck-verlust. Wenn der Reifen routinemäßig in 24 Stunden mehr als fünf Prozent verliert, ist eine eingehendere Ursachenforschung angesagt.

Bedenken sollte man, dass der Reifen auf Wechsel der Umgebungstemperatur reagiert. Das wird dann besonders wichtig, wenn der Flug in eine andere Klimazone führt, wo eine Bodentemperatur herrscht, die um 27 Grad Celsius oder mehr von dem Startplatz abweicht. Dann sollte der Druck vorher angepasst werden in Richtung des Minimalwerts für das Ausgangsgebiet. In der anderen Klimazone sollte der Druck wiederum angepasst werden, wenn sich die Reifen an die Temperaturen dort gewöhnt haben. Bei der Rückreise geht es dann umgekehrt.

Der Reifenhersteller Goodyear sagt in seinem „Aircraft Tire Care“-Handbuch, dass eine Veränderung in der Umgebungstemperatur um drei Grad Celsius eine Veränderung des Reifendrucks um ein Prozent zur Folge hat.

Goodyear sagt auch, dass man neu montierte Schlauchreifen während der ersten Woche ganz besonders im Auge behalten sollte. Denn es könnte sein, dass während der Montage Luft zwischen Schlauch und Reifeninnenseite eingefangen wurde, die nun nach und nach entweicht und einen zu niedrigen Luftdruck zurücklässt.

Vorsicht ist aufgrund des hohen Drucks im Flugzeugreifen angesagt, wenn eingedrungene Fremdkörper oder große Schnittstellen untersucht werden. Im Zweifelsfall besser die Stelle markieren und vor der Untersuchung die Luft ablassen.

Flugzeugreifen sind deswegen auch gefährdeter gegenüber scharfkantigen Gegenständen und Schlaglöchern. Beim Rollen heißt es daher, nach solchen Stolperfallen Ausschau halten. Die Reifen danken es außerdem mit längerer Lebensdauer, wenn nicht übermäßig schnell gerollt wird und die Kurven nicht zu eng genommen werden.

Auch wenn es heißt „Wir wollen fliegen und nicht fahren“: Die Reifen sollen uns sicher in die Luft und auf den Boden bringen. Etwas Aufmerksamkeit haben sie verdient.

aerokurier Ausgabe 11/2012