Bevor wir ins Thema einsteigen, ein Gedanke vorab: Viele Piloten warten sehnsüchtig auf das Fliegen ohne Flugleiter. Allerdings stellt sich mir angesichts dessen eine Frage: Sind wir überhaupt bereit und dazu in der Lage? Könnten wir auf Basis unserer Erfahrungen und Gewohnheiten mit der potenziellen neuen Freiheit umgehen? Sind wir sicher genug in den Verfahren, die es braucht, um sich ohne einen (in seinen Rechten freilich stark beschränkten) Türmer im Getümmel zurechtzufinden?
Guter und klarer Flugfunk fängt beim Zuhören und Erfassen des Verkehrs bereits beim Anflug auf einen Platz an. Nicht selten fällt mir dabei auf, dass Frequenzen erst im letzten Moment gerastet werden, also kurz vor Einflug in die Platzrunde. Das ist weder sinnvoll noch "good airmanship". Mindestens fünf Minuten vorher sollte man reinhören und auch mitkoppeln, was gerade am Platz los ist. Redefaule Flugleiter sind dabei oft ein leidiges Thema. Sie könnten problemlos an diesem Punkt mitteilen, dass zum Beispiel drei Maschinen in der Platzrunde sind, in wenigen Minuten Fallschirmspringer gen Erde stürzen oder Segelflugbetrieb stattfindet. Mit dieser Info hätte sich dann ohne Wenn und Aber die Anfrage nach einem Direktanflug erübrigt. Denn ja, der Direktanflug ist mitunter durchaus sinnvoll, zum Beispiel zur Lärmvermeidung. An einigen Plätzen ist er aus diesem Grund gar das einzig zulässige Verfahren, beispielsweise in Pattonville bei Stuttgart. Wird er allerdings schon im 20-Meilen-Endanflug angekündigt, sorgt das wiederum dafür, dass andere in der Platzrunde befindliche Luftfahrer nur noch in diese Richtung schauen, ohne den aktuellen Verkehr im direkten Umfeld zu scannen.

Im Endanflug sollte man Stress möglichst vermeiden.
Selbstständig funken
Selten hört man im Flugfunk Rückfragen nach Positionen anderer Flugzeuge. Einfach selbst beherzt die Sendetaste drücken und nach der Position der anderen Maschine fragen, wäre mein Vorschlag dazu. Das wird übrigens das zentrale Thema beim Fliegen ohne Flugleiter werden. Selbstständige und genaue Positionsmeldungen schaffen nach dem Vorbild der restlichen Welt ein deutliches Mehr an Sicherheit. Eine besondere Verantwortung tragen dabei alle Fluglehrer, damit diese Verfahren auch tatsächlich umgesetzt werden. Mich wundert unter anderem, dass in vielen Flugschulen der Begriff "Endteil" immer noch vehement verwendet wird – wir sprechen doch nicht von der Weihnachtsgans, sondern vom Anflug. Standardphraseologie und kurze, knackige und vor allem korrekte Ansagen können die Flugsicherheit erhöhen, dafür gibt es die Standardisierung ja schließlich.

Eine gute Flugvorbereitung mit den Anflugkarten ist unerlässlich, damit der Anflug stressfrei und sicher gelingt.
Vorbereitung am Boden
Um den Platzverkehr auf die eigene Ankunft vorzubereiten, ist eine Meldung fünf Minuten vorher der richtige Weg. Welches Verfahren dann folgt, hängt vom Trainingsstatus des Piloten und den üblichen Verfahren am Platz ab. Ein alter Hase kommt vielleicht besser mit einer Landeeinteilung auf einem ihm unbekannten Flugplatz zurecht als der frische Scheininhaber, der zuvor nur wenige fremde Flugplätze im Rahmen der Ausbildung gesehen hat. Eine gründliche Vorbereitung noch vor dem Start nimmt hier viel Stress. Moderne Navigationsprogramme ermöglichen es, die Platzrunde und Umgebung des Flugplatzes über Google Earth zu erkunden. Diese visuelle Vorabstudie lässt sich gut mit der Lektüre der Anflugblätter verbinden. Es ist auch ratsam, den Zustand der Landebahn zu berücksichtigen, da sich saisonale Unterschiede stark auswirken können, insbesondere auf Graspisten nach längeren Regenperioden.
Im Folgenden sollen einige Fallbeispiele zeigen, wie ein sicherer und stressfreier Anflug zur Landung gelingt.
Fall 1 Niemand ist am Platz
Vorweg: Auch wenn sich niemand meldet, muss das nicht automatischen heißen, dass niemand an diesem Flugplatz fliegt oder keiner da ist. Wenn ich den Platz noch nie angeflogen habe, würde ich sicherheitshalber oberhalb der Platzrunde kreuzen, um mir die Piste anzusehen und mir ein Bild von der Gesamtsituation zu machen. Außerhalb der Platzrunde würde ich dann den Sinkflug mit doppelter Aufmerksamkeit bei der Luftraumbeobachtung einleiten, also die sogenannte Teardrop-Methode anwenden.
In den Gegenanflug würde ich standardisiert mit 45 Grad einfliegen und auch dies melden. Wenn der Platz rechts von mir liegt, ist selbstredend der rechte Gegenanflug zu melden; im weiteren Verlauf der rechte Queranflug und auch der Endanflug. In Amerika wird hier jedes Mal auch noch der Name des Flugplatzes genannt – möglicherweise ein kleines Quantum mehr an Sicherheit. Diese Blindmeldungen werden künftig beim Fliegen ohne Flugleiter eine zentrale Rolle für den sicheren Flugbetrieb spielen. Spätestens im Endanflug müssen Entscheidungen fallen. Bin ich zu hoch, zu tief, zu schnell oder zu langsam? Sind Hindernisse vorhanden, die Verwirbelungen im Anflug erwarten lassen? Wo ist die Bahn, wo ist die Schwelle, sehe ich die Halbbahnmarkierung? Sobald – manchmal auch unerklärliche – Zweifel an der sicheren Landung zu verspüren sind, muss die Entscheidung zum Durchstarten fallen! Ein neuer Anflug wird danach Aufklärung, zumindest aber ein sicheres Gefühl geben.
Fall 2 Wenig Verkehr, ein Flugleiter ist am Platz
Es ist immer schön, wenn uns Piloten im Funk jemand beisteht. Allerdings, Angaben wie "Wind aus 220 Grad mit 15, Böen bis 25" mögen gut gemeint sein, entbinden den Aviateur aber nicht davon, die eigenen Augen zu benutzen und nach dem Windsack zu schauen. Gleiches gilt für Mindestbedingungen im Sichtflug. Wenngleich es manchmal hilft, sich das Wetter am Platz via Funk mitteilen zu lassen, muss diese Information nicht der Realität und schon gar nicht den eigenen Skills entsprechen. Im Idealfall ist unser Flugleiter, oder wie auch immer er künftig vielleicht heißen mag, hilfsbereit und teilt uns etwas über den Pistenzustand mit und über Gebiete, die nicht überflogen werden sollen. Einen Direktanflug auf einen für mich neuen Platz würde ich auch dann nur bedingt empfehlen. Ein geordneter Einflug in den Gegenanflug der Standardplatzrunde bringt immer Ruhe und Sicherheit in die anschließende Landephase.

Eine gute Übersicht zu behalten, ist das A und O.
Fall 3 Es findet reger Flugbetrieb statt
Beginnende Ziellandeübung, Springer in zwei Minuten, fünf Maschinen in der Platzrunde plus Segelflug an der Winde. Und wir kommen mit unserer Cirrus SR22 mit geschmeidigen 170 Knoten im Sinkflug dem Verkehrsknäuel binnen weniger Augenblicke entgegen. Nein, so sollte kein Anflug stattfinden. Aber was tun? Ein Überflug des Platzes fällt hier allein aus Sicherheitsgründen aus. Die oft in den USA praktizierte Teardrop-Methode wäre jetzt und hier geradezu fatal! Vielmehr heißt es See and Avoid: aktives Zuhören und kommunizieren, Luftraumbeobachtung und Situational Awareness. Wer selbst Tiefdecker fliegt, sieht nach unten schlechter, im Hochdecker behindern die Flächen den Blick nach oben. Im Laufe der Zeit entwickelt man auch ein Gespür dafür, vor welchen Herausforderungen die anderen stehen. Man weiß dann, dass beispielsweise ein Cessna-Pilot, der unterhalb der eigenen Höhe unterwegs ist, in der Sicht nach oben eingeschränkt ist und einen selbst mitunter gar nicht sehen kann. Gyrocopter oder Oldies mit offenem Cockpit sind im Funk wegen des Fahrtwindes oft nur schwer zu verstehen, Segelflugzeuge kommen mitunter aus einer anderen Platzrunde und sind wegen ihrer schlanken Silhouette von vorne kaum zu sehen. Dazu kommen unterschiedliche Geschwindigkeiten: Der B-Falke im Gegenanflug wird aus Sicht unseres eben genannten Cirrus-Piloten fast schon zum stehenden Hindernis. Oft tummeln sich Segel- und Motorflug auf getrennten Gras- und Asphaltpisten, parallele Landungen sind aber oft nicht erlaubt. Die Liste der Herausforderungen, denen man sich hier ausgesetzt sieht, könnte beliebig fortgesetzt werden.
Mein Tipp: Zeigen Sie sich an einem derart frequentierten Platz als Gentleman (oder -woman)! Vorflug gewähren, selbst auch mal einen ruhigen Zwei-Minuten-Standardkreis oder, falls nötig, sogar noch eine größere Warteschleife fliegen, um die Situation zu entzerren. Dabei hilft es, sich in die Situation der anderen hi-neinzuversetzen. Nicht selten tönt es in derartigen Situationen für alle hörbar durch den Funk: "Halten Sie die Platzrunde ein!" Nun, um es einmal klar zu sagen: Die Platzrunde ist nicht verbindlich. Sie ist eine Richtlinie und im Interesse von Fluglärmvermeidung und einer gewissen Grundordnung in der Flugführung auch sinnvoll. Allerdings lässt sie sich weder auf dem Strich fliegen, noch bei Mischverkehr mit unterschiedlichsten Geschwindigkeitsparametern ein-halten. Sicherheit geht vor – Rücksichtnahme auf den womöglich langsameren vorausfliegenden Verkehr ist ebenso notwendig wie das selbstständige Entschleunigen und Staffeln. Unbedingt zu berücksichtigen sind Flugschüler und wenig erfahrene Piloten. Beide wird es immer geben, und als vernünftiger Pilot gilt es hier, weder verbal noch durch Überholen deren An- oder Abflug zu behindern. Die Platzrunde muss übrigens auch nicht in der veröffentlichten Höhe geflogen werden. Mehr als einmal konnte ich beobachten, dass sich Piloten aus Angst vor Anzeigen bei der Behörde in IMC begeben haben, nur um die Platzrundenhöhe genau einzuhalten. Meine persönliche Lösung für den oben geschilderten Cirrus-Anflug wäre es, zwei bis drei Minuten vor Erreichen der Platzrunde auf Platzrundenhöhe zu sein und sich über die 45-Grad-Methode mit 80 bis 90 Knoten und der ersten Klappenstufe in den Gegenanflug einzusortieren und dann dem Pattern zu folgen.
Übrigens: Kollisionswarngeräte wie FLARM, ADSB und Co sind ganz sicher nützliche Helfer. Allerdings ersetzen sie gerade bei regem Flugverkehr unter keinen Umständen eine akribische Luftraumbeobachtung. Keinesfalls darf man sich auf die Anzeige verlassen, denn nicht jedes Flugzeug ist damit ausgerüstet. Umgekehrt schlagen die Geräte auch auf Flugzeuge an, die gerade noch am Rollhalt stehen oder nach der Landung schon abgerollt sind. Was nie falsch ist: Mitflieger um Unterstützung bitten. Viele Augen sehen mehr als zwei, und so haben die Fluggäste etwas Sinnvolles zu tun und fühlen sich eingebunden.

Auch Schafe können einem durchaus mal die Bahn blockieren.
Besondere Situationen
Nicht selten habe ich den Eindruck, dass Geschäftsreisende möglichst schnell nach der Landung zum Taxi gebracht werden müssen. Womöglich geht es ums liebe Geld, nicht aber um Leben oder Tod. Direktanflüge können Zeit sparen, können aber auch den Piloten schnell an die Grenzen seiner Fähigkeiten bringen. Daraus ergibt sich mitunter die Unsitte des Überholens in der Platzrunde mit Gefährdung eines anderen Flugzeugs. Ich habe es mehrfach erlebt, dass ich gemütlich mit einem Flugschüler mit 80 Knoten Platzrunden schrubbe und quasi aus dem Nichts in weniger als 50 Metern Entfernung eine schnelle Zweimot unseren Kurs schneidet – ohne Ankündigung, aber mit der Entschuldigung des Zeitdrucks. Das grenzt an einen gefährlichen Eingriff in den Luftverkehr. Aus meiner Sicht hätte sich der Zweimotpilot ohne weiteres mit einem Funkspruch melden und sein Vorhaben anzeigen können. In solch einem Fall empfiehlt es sich, den Überholvorgang außen kurz vor dem Eindrehen in den Endanflug durchzuführen. Ein Funkspruch hätte gereicht, um mir und dem Schüler nicht das Herz in die Hose rutschen zu lassen. Gleichzeitig hätten wir unseren eigenen Anflug verlangsamen und dem anderen den Vorflug gewähren können.
Ein weiterer, gar nicht so seltener Fall ist eine blockierte Landebahn. Ein Beispiel: Wir sind im Endanflug relativ kurz hinter einer anderen Maschine. Klar, eigener Fehler, aber Hand aufs Herz, das passiert schon mal. Der Vordermann setzt an der Schwelle auf und tuckert gemütlich Richtung Abrollweg. Das ist dann der Moment, wo man im Endanflug in-stinktiv schon in die Bremsen steigt, weil das auf der Piste rollende Flugzeug schnell, zu schnell, größer wird. Die Maschine verlässt die Piste, aber ihr Heck ragt noch in unseren Weg. Was nun? Allzu oft habe ich derartige Ereignisse von außen und von innen miterlebt. Für mich gibt es immer nur die Variante, rechtzeitig durchzustarten, und das am besten nicht erst einen Meter über dem Boden. Nur so kann der Pilot mögliche weitere Komplikationen vermeiden. Denn ein zu dichtes Auffliegen und das unvollständige Abrollen können erste Glieder einer Fehlerkette sein. Wenn mir dann beim Aufsetzen ein Reifen platzt und ich in das Heck des anderen rolle oder die Bremse versagt, dann ist der Schaden da. Also lieber direkt den Go-around einleiten.
Gefahr durch Stress
Voraussetzung für jeden sicheren Anflug ist natürlich immer die Beherrschung des eigenen Luftfahrzeugs. Wenn ich unter Stress eine Cessna erstmals voll beladen in den Endanflug drehe, kann ich ebenso schnell einen Strömungsabriss provozieren wie mit einem schnellen Reiseflugzeug. In der Ruhe liegt zwar die Kraft, allerdings gilt auch das Gesetz von Geschwindigkeit und Energie. Holen Sie sich einen Fluglehrer an Bord, und trainieren Sie mal wieder besondere Anflüge. Steile und flache Finals, Schleppgaslandungen und vor allem Durchstartmanöver – egal ob ein- oder mehrmotorig, das ständige In-Übung-Halten ist zwingend notwendig! Entscheidungen müssen gefällt werden. Nehmen Sie sich Zeit für einen geordneten Anflug, und fliegen Sie nach den Zahlen, sprich Speeds und Vertikalgeschwindigkeiten, die laut Handbuch vorgesehen sind. Erfahrungsgemäß kommen unter Stress mehrere Fehler zusammen. Dafür sollten Ressourcen vorhanden und abrufbar sein! Und haben sie stets die Leistungsparameter Ihres Flugzeugs im Kopf, auch unter Hot-and-high-Bedingungen. Also üben, Szenarien planen, Realität erkennen und ständig an der eigenen Performance arbeiten – so starten Sie perfekt vorbereitet in die neue Flugsaison!