Wem das Luftfahrtbundesamt das Medical versagt, dem stehen verschiedene Möglichkeiten offen, dagegen vorzugehen. Scheitern bei der Behörde vorgebrachte Widersprüche, bleibt manchen Betroffenen nur der Weg vor Gericht.
VG Braunschweig ist Zuständig
Zum 18. September dieses Jahres waren beim zuständigen Verwaltungsgericht Braunschweig insgesamt 78 Verfahren gegen das LBA anhängig. Allein in 34 davon geht es um die medizinische Tauglichkeit, informierte die Sprecherin des Gerichts, Eva Horten, auf aerokurier-Nachfrage. Demnach klagten in diesen Fällen Berufs- und Hobbypiloten auf die Feststellung ihrer Flugtauglichkeit oder wenden sich mit der Klage gegen die vom LBA verfügte Aussetzung des Tauglichkeitszeugnisses.
Die weiteren Verfahren gegen das Luftfahrtbundesamt betreffen unterschiedlichste Streitigkeiten. Es geht laut Horten beispielsweise um die Anerkennung als Fliegerarzt (AME), um Flugdienst- und Ruhezeiten für Rettungsflieger, Genehmigungen als Instandhaltungsbetrieb, Lizenzen für freigabeberechtigtes Personal, Untersagungen gewerblichen Flugbetriebs, Widerrufe von Verkehrszulassungen sowie Aufsichtsmaßnahmen gegenüber Sprachprüfstellen.
Probleme sind viel größer, als die Behörde zugibt
Allein die 34 Fälle zur Tauglichkeit indes belegen, dass die Probleme im Referat L6, das für die Flugmedizin zuständig ist, weit über die von der Behörde in einer ersten Stellungnahme eingeräumten sechs Fälle hinaus gehen. Auch eine jüngst von der Vereinigung Cockpit durchgeführte Umfrage lässt die LBA-Aussage wie blanker Hohn klingen. Demnach gaben 257 von 343 Teilnehmenden an, bereits von einer Verweisung betroffen gewesen zu sein. Auch die Dauer der Verfahren ist laut der Umfrage inakzeptabel lang: Nur 7,2 Prozent der Befragten erhielten innerhalb von sechs Wochen eine Entscheidung, 30,2 Prozent mussten länger als drei Monate warten. 21,8 Prozent gaben eine Dauer von über sechs Monaten an, fast zehn Prozent berichteten sogar von Verfahren, die sich über mehr als ein Jahr hinzogen.
Angesichts der VC-Ergebnisse verwundert es kaum, dass laut Aussage des Verwaltungsgerichts auch mehrere sogenannte Untätigkeitsklagen gegen das LBA anhängig sind. Dabei handelt es sich um Klagen, die gegen eine Behörde erhoben werden, weil diese über einen Antrag oder einen Widerspruch gegen einen Bescheid nicht entschieden hat. "Solche Klagen sind nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig, die in § 75 der Verwaltungsgerichtsordnung geregelt sind" erklärt Eva Horten. "Vor allem muss grundsätzlich eine Frist von drei Monaten seit dem Antrag oder dem Widerspruch bei der Behörde verstrichen sein; außerdem muss die Behörde "ohne zureichenden Grund" und nicht in "angemessener Frist" entschieden haben."
Konkrete Zahlen zu den Untätigkeitsklagen kann die Gerichtssprecherin nicht nennen, da diese nicht gesondert erfasst werden. Werden solche Klagen anhängig, holt die beklagte Behörde die Entscheidung in aller Regel im gerichtlichen Verfahren nach mit der Folge, dass die Untätigkeitsklage in ein "normales" Klageverfahren übergeht. In diesem Verfahren überprüft das Verwaltungsgericht dann die Rechtmäßigkeit der Behördenentscheidung.
Streit um die Bedeutung seltener Krankheiten
Zu den Inhalten der Verfahren gegen das LBA erklärt Eva Horten, dass diese in aller Regel die Sicherheit des Luftverkehrs beträfen. In Bezug auf die Verfahren, in denen die Flugtauglichkeit von Piloten zu klären ist, dreht es sich häufig um den Konsum harter Drogen und Alkohol sowie um Diagnosen von psychischen Erkrankungen, deren Auswirkungen auf die Flugtauglichkeit zu klären sind. Streit gebe es auch immer wieder um die Bedeutung seltener Herz- oder Augenkrankheiten und von Bewusstseinsverlusten für die Flugtauglichkeit.
Die von Ex-LBA-Juristin Nina Coppik in ihrer Kritik am LBA vorgebrachten Vorwürfe, die Behörde würde immer wieder Fristen verstreichen lassen, kann Eva Horten nicht grundsätzlich bestätigen. "Dass das LBA regelmäßig oder gar generell gerichtlich gesetzte Fristen nicht einhält, haben die zuständigen Richterinnen und Richter nicht feststellen können. Soweit das LBA in der Vergangenheit gerichtliche Fristen nicht eingehalten hat, hat der zuständige Richter bzw. die zuständige Richterin dafür unter Berücksichtigung der geltenden gesetzlichen Regelungen in den jeweiligen Verfahren stets eine Lösung gefunden", antwortet sie und bittet um Verständnis darum, dass keine darüber hinausgehenden Informationen aus schwebenden oder auch bereits abgeschlossenen Verfahren zu verfahrensinternen Vorgängen erteilt werden können. Nina Coppik entgegnet darauf im Gespräch mit dem aerokurier, dass sie es selbt in eingen Fällen erlebt habe, dass Richter sich bei ihr persönlich mehrfach nach angeforderten Akten erkundigt hätten, weil eine Frist zur Übersendung verstrichen war.
Allgemein gilt, erklärt Gerichtssprecherin Horten: "Wenn ein Verfahrensbeteiligter im Gerichtsverfahren auch nach Erinnerung ihm gesetzte Fristen nicht einhält, gibt das Gesetz dem Gericht die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen verspätetes Vorbringen nicht mehr zu berücksichtigen." So habe grundsätzlich jeder Verfahrensbeteiligte die möglichen negativen Konsequenzen zu tragen, die sich aus der Versäumung von Fristen ergeben. Das gelte vor allem dann, wenn das Gesetz dem Betreffenden – also dem Kläger bzw. der Klägerin oder der Behörde – Nachweispflichten auferlegt. Werde der Nachweis in diesen Fällen nicht erbracht, müsse das Gericht zulasten des Betroffenen entscheiden.
Willkür konnte nicht festgestellt werden
In Bezug auf den oft in Auseinandersetzungen mit dem LBA verwendeten Begriff der Behördenwillkür mahnt die Juristin zur Vorsicht. "Willkürlich handelt eine Behörde, wenn ihre Entscheidungen auf persönlichen, unsachlichen Erwägungen beruhen und insbesondere ohne jede Rechtsgrundlage ergehen. In den luftverkehrsrechtlichen Gerichtsverfahren, an denen das LBA beteiligt ist, geht es überwiegend um komplexe Rechtsfragen, um die Auslegung von zum Teil unklar formulierten Vorschriften des Europarechts und gelegentlich auch um (medizinische) Fachfragen, die mitunter auch von Sachverständigen unterschiedlich beantwortet werden. Dass das LBA Entscheidungen ,willkürlich' getroffen hat, haben die zuständigen Richterinnen und Richter auch vor diesem Hintergrund in den vergangenen Jahren in keinem Fall feststellen müssen."
Es sei die Aufgabe des Verwaltungsgerichts, Zweifelsfragen zu klären. Wenn das Gericht entscheide, führe dies zwangsläufig dazu, dass das Gericht die Rechtsauffassung des Klägers oder die des LBA im Ergebnis als unzutreffend ansieht. Das allein reiche aber nicht aus, um dem unterlegenen Beteiligten "Willkür" vorzuwerfen.
Gericht ist überlastet – aber nicht wegen LBA-Verfahren
Abschließend weist Eva Horten darauf hin, dass selbst für den Fall, dass die von Nina Coppik dargestellten behördeninternen Probleme tatsächlich so bestünden, dies nicht dazu führen würde, dass sich alle Entscheidungen des LBA als rechtswidrig erweisen. Vielmehr müssen die Richterinnen und Richter der zuständigen 2. Kammer auch weiterhin in jedem Einzelfall prüfen, ob die Behörde rechtmäßig gehandelt hat.
Überdies könne man nicht von einer Überlastung des Gerichts durch LBA-Verfahren sprechen. "Insgesamt sind bei uns über 5500 Verfahren anhängig, mehr als die Hälfte davon davon Asylverfahren. In der für das Luftverkehrsrecht zuständigen 2. Kammer sind insgesamt 635 Verfahren anhängig, wie dargelegt richten sich 78 davon gegen das LBA."