Dass die Bearbeitung von Konsultations- oder Verweisungsfällen im Referat L6 des Luftfahrt-Bundesamtes hin und wieder etwas länger dauert, überrascht wahrlich niemanden mehr. Auch dass Fliegerärzte mitunter monatelang auf Entscheidungen warten müssen, wenn es um ihre Erst- oder Wiederzulassung als Aeromedical Examiner geht, ist hinlänglich bekannt. Spannend wird es, wenn man bei der Bundesoberbehörde nachfragt, woran das liegt.
An dieser Stelle sei vorweggenommen, dass es nicht an der Zeitdehnung liegt, die Albert Einstein in seiner Relativitätstheorie beschreibt. Denn weder befindet sich das Luftfahrt-Bundesamt in einem derart starken Gravitationsfeld, dass die Zeit dort langsamer vergeht als im Rest Deutschlands, noch bewegt sich der Bau mit beinahe Lichtgeschwindigkeit, sodass für außenstehende Beobachter der Eindruck entstehen muss, die Zeit vergehe dort langsamer. Ironie off.
Der Fall Grüner: Monatelang keine Antwort
Ausgangspunkt der erneuten Kontaktaufnahme mit dem LBA war der Fall von Fliegerarzt Dr. Steffen Grüner, der in anderen Luftfahrtmedien bereits hinlänglich beleuchtet wurde. Die Kurzfassung: Im Oktober 2023 beantragte Grüner die Verlängerung seiner bis Ende Januar 2024 befristeten AME-Zertifizierung, drei Tage vor Ablauf seiner Zulassung bekam er die Information, dass diese nicht verlängert werde. Erst im Februar 2024 erging laut Prof. Dr. Thorsten Koch, Anwalt des Mediziners, seitens des LBA eine Beanstandungsmitteilung zur Begründung, in der die Behörde behauptet, dass in "Ausübung der ständigen Aufsicht" diverse "Auffälligkeiten" festgestellt worden seien. Die aufgelisteten Auffälligkeiten hätten sich laut Koch aber auf zum Teil mehrere Jahre zurückliegende Vorgänge bezogen, die seinerzeit nicht zu Beanstandungen geführt hatten. Von einer Ausübung einer ständigen Aufsicht könne demnach keine Rede sein, so der Jurist. Bemängelt wurden zum Teil Nebensächlichkeiten wie Formulare mit altem Logo.
Falsche Formulare oder öffentliche Kritik?
Hat das LBA einen Fliegerarzt wegen falscher Formulare gegroundet? Steffen Grüner indes äußerte mehrfach den Verdacht, dass etwas ganz anderes die Ursache für die Verweigerung der AME-Rezertifizierung sein könnte: öffentlich vorgetragene kritische Äußerungen seinerseits bezüglich des Datenschutzes beim LBA. Kann es sein, dass das LBA einen Querulanten kaltstellen wollte?
Der Mediziner wehrte sich gegen die Entscheidung und nahm noch im Februar 2024 Stellung zu den Vorwürfen des LBA. Seitdem erleben Grüner und sein Anwalt das, was bisher mancher seiner Bewerber um ein Medical erleiden musste: Verzögerung, Nicht-Erreichbarkeit, Ignoranz. Seit 2024 läuft in dem Fall eine Untätigkeitsklage gegen das Luftfahrt-Bundesamt, auf die die Behörde – man ahnt es bereits – nicht reagiert. Erst am 3. Dezember erging seitens des LBA ein Bescheid, in dem der Antrag auf Verlängerung der Bestellung als Fliegerarzt abgelehnt wurde. Am 17. Dezember ging Steffen Grüner in Widerspruch.
Die vierte Ermahnung des Gerichts
Seitdem, so ist einem Schreiben von Grüners Anwalt vom 25. Oktober 2025 an das Bundesverkehrsministerium zu entnehmen, ist das Verfahren bezüglich der Untätigkeitsklage zum Stillstand gekommen, da das Verwaltungsgericht Braunschweig den Ausgang des Widerspruchsverfahrens abwartet. Das Problem: die Behörde bearbeitet den Widerspruch aus unbekannten Gründen nicht. Laut Anwalt Koch hat das Gericht am 23. Juni, am 23. Juli 2025 und am 5. September 2025 um Mitteilung zum Sachstand gebeten. Reaktion des LBA: keine. Die jüngste Erinnerung des Verwaltungsgerichts an die Bundesoberbehörde, doch bitte endlich auf die Anfragen zu antworten, datiert auf den 22. Oktober. Laut Koch wurde hier die Formulierung "4. Anfrage" im Schreiben des Gerichts ans LBA sogar hervorgehoben.
Hängt alles an einer Juristin?
Den Fall Steffen Grüner nahm der aerokurier zum Anlass, erneut eine Anfrage an die Pressestelle des Luftfahrt-Bundesamtes zu stellen. Konkret wollten wir von Yvonne-Christine Dams, Abteilungsleiterin L, wissen, wie es sein kann, dass sich unter ihrer Führung Verfahren so lange hinziehen und ein Gericht die Mitarbeiter im Referat L6 viermal um eine Sachstandsinformation zu einem Fall bitten muss. Die Anfrage richtete sich aus diesem Grund direkt an Frau Dams, weil es im LBA Methode zu haben scheint, dass sich Verantwortliche bis hin zu Abteilungsleitern und dem Präsidenten wegducken, wenn es darum geht, zu den Missständen Stellung zu nehmen.
Die Antwort, die Pressesprecherin Cornelia Cramer schließlich an die Redaktion schickte, liest sich wie Meldung aus Absurdistan. Zitat: "Das LBA ist selbstverständlich um eine zeitnahe Bearbeitung von verwaltungsrechtlichen Vorgängen bemüht. Aufgrund des Ausscheidens einer Juristin aus dem LBA vor einigen Wochen mussten die entsprechenden Vorgänge neu auf die wenigen verbliebenen juristischen Beschäftigten verteilt werden. Die dadurch entstandenen Verzögerungen bedauern wir. Gleichzeitig bitten wir um Verständnis dafür, dass sich das LBA zu anhängigen Gerichtsverfahren nicht äußert."
Die ausgestiegene Juristin, auf die verwiesen wird, kann nur Nina Coppik sein. Die Frage, die sich stellt: Wie kann Coppiks Ausstieg, der laut ihrem LinkedIn-Post zum 14. September 2025 wirksam wurde, ursächlich dafür sein, dass sich ein im Oktober 2023 angestoßenes Verfahren bis heute hinzieht und das LBA auch schon Mitte 2025 Anfragen des Verwaltungsgerichts Braunschweig ignorierte?

Auswirkungen von Nina Coppiks Ausstieg auf die Arbeit im Referat L6 in der Wahrnehmung des Luftfahrt-Bundesamtes (Symbolbild).
Keine schlüssigen Antworten
Mit den jüngsten Einlassungen bleibt das LBA seiner Linie treu, auf Presseanfragen zu einem ernsten Thema einfach irgendwelchen Quatsch zu antworten, der die Schlampereien in L6 und das Versagen von Abteilungs- und Behördenleitung kaschieren soll.











