Mehr als 13 Jahre begleitete Jörg Mendel die Entwicklung des Luftfahrt-Bundesamtes. An dieser Stelle von Prägung oder Gestaltung zu sprechen, geht möglicherweise zu weit, denn es ist für Außenstehende kaum nachvollziehbar, inwiefern der Präsident tatsächlich Einfluss nehmen konnte auf das, was sich in den einzelnen Abteilungen und Referaten abspielte. Bezüglich des Referats L6 gibt es nur zwei Möglichkeiten der Interpretation: Jörg Mendel wusste nichts von den Missständen, oder er hat sie entgegen seiner eigenen Leidenschaft für die Fliegerei komplett ignoriert. Denn: Mendel besitzt eine Privatpilotenlizenz, aerokurier-Autor Thomas Schüttoff nahm Mendel vor einigen Jahren die Prüfung ab.
Halbwahre Aussage der Pressestelle
Vom Ausscheiden Mendels hatte der aerokurier aus gut unterrichteten Kreisen bereits Ende vergangener Woche erfahren. Eine erste offizielle Anfrage beim LBA am Freitag dazu wurde beschieden mit dem Satz: "Wir können Ihnen dazu mitteilen, dass Herr Mendel heute nicht in den Ruhestand geht." Da unsere Quelle absolut zuverlässig war, fragten wir erneut nach: Die Antwort, die man auch auf die erste Anfrage hätte geben können, lautete: "Herr Mendel ist ab nächster Woche im Urlaub, sein letzter Arbeitstag ist der 30. Januar 2026."
Fragen zu Mendels Rückblick auf seine Zeit als LBA-Präsident blieben unbeantwortet. Gerne hätten wir erfahren, welche Herausforderungen er zu meistern hatte und auf welche Erfolge er zurückblickt, wie er die Situation im Referat L6, die bereits kurz nach seinem Amtsantritt durch ein EASA-Audit als kritisch eingestuft wurde, bewertet, wie er zur Verbesserung beigetragen hat und ob er im Rahmen seiner eigenen Fliegerei je persönliche Erfahrung mit L6 hatte machen müssen.
Keinerlei öffentliche Selbstkritik
Stattdessen gibt ein Video Mendels zu seinem Abschied, das im LBA intern verbreitet und dem aerokurier zugespielt wurde, einen Einblick ins Denken des Mannes, der das LBA bislang führte. Bemerkenswert: es finden sich kaum kritische Worte zum eigenen Wirken. Vielmehr hört es sich an wie ein entspannter Rückblick auf eine wirklich gute Zeit.
Mendel erklärt, dass es in seiner Amtszeit viele Herausforderungen und Schwierigkeiten zu bewältigen gab. Da mag er recht haben. Allerdings verzichtet er dann darauf, inhaltlich konkret zu werden – und bleibt damit der Linie treu, die die Behörde auch nach außen fährt. Stattdessen bedankt er sich bei den LBA-Mitarbeitern, die "mit konstruktiver kritik und kreativem Denken an komplexe Herausforderungen herangegangen sind" und die "im Gespräch bleiben wollten, auch wenn es manchmal schwierig wurde".
Ein Satz Mendels dürfte sich für die Opfer des Chaos und der Willkür im Referat L6 wie ein Schlag ins Gesicht anfühlen: Mendel betont, wie die Mitarbeiter "mit menschlichem Respekt und manchmal mit einem Augenzwinkern den Alltag gemeistert haben und wie sie mit ihrem Handeln gezeigt haben, dass technische und rechtliche Vorgaben und menschliche Beziehungen kein Widerspruch sind".
Worauf spielt Jörg Mendel an?
Meint er das Augenzwinkern eines LBA-Mediziners, der wieder einmal entgegen aller fachlichen Fakten einen Medical-Antrag abgelehnt hat? Oder die Kreativität beim Auslegen des Part-MED zuungunsten eines Antragstellers? Und von welcher konstruktiven Kritik spricht er? Von den zahlreichen Aktenvermerken Nina Coppiks zu rechtlich fragwürdigen Handlungen, die von der Abteilungsleitung schlicht ignoriert wurden? Und schließlich: Was hat es mit den Beziehungen auf sich? Hat er mal an jene gedacht, die gar nicht zustande gekommen sind, weil L6 auf Anfragen einfach nicht reagiert hat?
Die einzige handfeste Aussage Mendels in den drei Minuten ist die, dass LBA-Vizepräsident Thomas Burlage, Chef der Abteilung T für Technik und Umweltschutz, kommissarisch die Leitung des Luftfahrt-Bundesamtes übernehmen wird. Die Präsidentenstelle kann ab dem 1. Februar neu besetzt werden.
Nachfolge: Eine wird es (hoffentlich) nicht
Wer Mendels Nachfolge antritt, scheint tatsächlich noch unklar. Allerdings: Yvonne-Christine Dams, Leiterin der Abteilung L, wird es wohl nicht, wie aus gut unterrichteten Kreisen zu erfahren ist. Dams hatte nach Aussagen von Mitarbeitern des LBA und anderer Behörden ernsthafte Ambitionen, Mendel zu beerben. Angesichts der Tatsache, dass sie für das Chaos im Referat L6, für rechtlich grenzwertige und medizinisch mitunter offenkundig falsche Entscheidungen sowie menschlich absolut inakzeptables Verhalten als Abteilungsleiterin zumindest mittelbar Verantwortung trägt, dürfte ihre Berufung auf den Präsidentenposten selbst dem Ministerium zu heikel sein.

Im Sommer 2024 versuchten Elmar Giemulla (l.), Präsident der AOPA Germany, und Claus Cordes (r.), Präsident des Deutschen Aero Clubs, in Braunschweig für eine Änderung der Situation im Referat L6 zu werben. Sie sprachen dort mit LBA-Präsident Jörg Mendel, Abteilungsleiterin Yvonne Dams und Referatsleiterin Susanne Schneider. Schon kurze Zeit später wurde klar, dass die Mühen umsonst gewesen waren.











