Thüringen airleben: Mit der Grob 109 übers „grüne Herz“ Deutschlands

Thüringen airleben
Mit der Grob 109 übers „grüne Herz“ Deutschlands

Zuletzt aktualisiert am 04.12.2024
Mit der Grob 109 übers „grüne Herz“ Deutschlands
Foto: Lars Reinhold

Als "grünes Herz Deutschlands" wird Thüringen oft beschrieben. Und wahrlich, wer einmal in den Genuss kam, den Freistaat aus der Luft zu betrachten, weiß, was gemeint ist. Während die weitläufige Natur allgemein bekannt sein dürfte – einst garnierte eine Werbekampagne ein Luftbild der Bleilochtalsperre mit der Frage "Hätten Sie so viel Norwegen in Thüringen erwartet?" –, sind nicht alle kulturellen und architektonischen Schätze so geläufig. Grund genug für den aerokurier, sie in den Fokus zu nehmen.

Anika Holtermüller

Wer mit dem Flugzeug aus Richtung Süden anreist, dem kann die südliche Grenze des Thüringer Beckens, in dem die von uns anvisierte Städtereihe liegt, nicht verborgen bleiben. Auf einer Länge von rund 70 Kilometern erstreckt sich der Thüringer Wald von der hessischen Landesgrenze in südöstlicher Richtung bis zum Thüringer Schiefergebirge. Markante Gipfel sucht man hier vergebens, selbst die höchsten Punkte – der Große Beerberg mit 982 und der Große Inselsberg mit 916 Metern – ragen kaum über die Kammlinie hinaus. Zumindest letzterer ist durch seinen auffälligen, 126 Meter hohen Sendeturm aus der Luft gut zu erkennen – und markiert den Weg nach Eisenach, die Stadt Luthers und Bachs, die Mitte Juni erstes Ziel unserer Sommertour ist. Unterwegs sind wir mit der Grob G109B der Fliegergruppe Wolf Hirth – ein Gerät, das einerseits perfekt zum gemütlichen Luftwandern ohne akute Insolvenzgefahr geeignet ist, andererseits infolge eher überschaubarer Leistungsentfaltung bei sattem Gewicht und 17,40 Metern Spannweite seine Crew beim Start auf kurzen Grasplätzen und beim Hangarieren vor manche Herausforderung stellt. Dazu später mehr.

Paul Hentschel Photography

Eisenach – Mit dem Wartburg zu Johann Sebastian Bach

Der Verkehrslandeplatz Eisenach-Kindel ist erster Stopp auf unserer Reise. Die Geschichte des Flugplatzes reicht bis in die Zeit des Zweiten Weltkrieges zurück, als hier die Luftwaffe einen Flugplatz für Nachwuchsausbildung und Heimatschutz in Betrieb nahm. 1945 von den Amerikanern eingenommen, nutzte später die Rote Armee den Platz, und auch ziviler Flugverkehr – beispielsweise Lufthansa-Linien nach Berlin und Barth – wurde über Kindel abgewickelt. Im Sommer 1992 erhielt der Platz nach umfangreicher Dekontamination und Kampfmittelbeseitigung die Freigabe für den zivilen Verkehr und ist seit dem Jahr 2000 als Verkehrslandeplatz für Flugzeuge bis 20 Tonnen sowie Hubschrauber und Luftsportgeräte zugelassen. Bevor die Räder unserer zarten Elfe aus dem Hause Grob die Piste berühren, geht es in einigem Abstand an der Wartburg vorbei, denn um das historische Gemäuer sorgt eine kleine ED-R für Schutz vor allzu neugierigen Piloten. Oder man will vermeiden, dass hier nach dem Teufel geworfene Tintenfässer zu einer Gefahr für den Luftverkehr werden, wer weiß. Der Anflug ist unkompliziert, allerdings muss man bei Wind aus Südwest mit bisweilen heftigen Turbulenzen rechnen. Für das Abstellen sind auf dem Vorfeld Verzurrösen in den Boden eingelassen, die für Motorflugzeuge die richtigen Abstände aufweisen. Einen TMG muss man schräg stellen, dann passt es. Da an diesem Tag noch nicht mit Gewitter zu rechnen ist, bleibt unser "Rattel" an der frischen Luft.

Lars Reinhold

Die Anbindung des Platzes an den öffentlichen Nahverkehr ist eher mäßig: ein paar Busfahrten pro Tag vom Gewerbegebiet Kindel, wobei man zur Haltestelle 15 Minuten Fußmarsch einkalkulieren muss. Bequemer ist es, sich via App2Drive ein Auto zu mieten: Vier Stunden gibt’s ab 35 Euro, ein ganzer Tag kostet 59 Euro. Wir haben Glück und können mit einem Piloten des Flugsportclubs Suhl in die City fahren. Er und einige seiner Kameraden sind nach Kindel gekommen, um eine CT von Flight Design Probe zu fliegen. Designierter Wilga-Ersatz. Denn auch das ist Eisenach-Kindel: Sitz eines UL-Herstellers.

Auf dem Weg in die Stadt erfahren wir von unserem Chauffeur, dass BMW im kleinen Vorort Dürrerhof ab Mitte der 1930er Jahre Flugmotoren produzierte, in den Kriegsjahren auch unter Einsatz von Zwangsarbeitern. Luftfahrtgeschichte in unmittelbarer Flugplatznähe. Stichwort BMW: Wer ein Faible für Automobile mit dem weiß-blauen Logo hat, der kommt um einen Besuch der Automobilen Welt Eisenach nicht herum. Hier wird die Geschichte der Stadt als Standort des Automobilbaus lebendig und anhand teils einzigartiger Exponate nacherzählt. Von der Fahrzeugfabrik Eisenach AG über die Dixiwerke, den Einstieg BMWs in den Automobilbau 1928 hier in Westthüringen und nicht etwa in Bayern, die Enteignung nach Kriegsende, den Neustart als Eisenacher Motorenwerke und die DDR-Zeit als VEB Automobilwerk Eisenach schlägt die Ausstellung die Brücke in die heutige Zeit, in der die Tradition von Wartburg und Co im Opel-Werk Eisenach weiterlebt. Spannend sind auch die vielen Seitenpfade, die in der Technikschau aufgegriffen werden, beispielsweise das Engagement der DDR-Autobauer im Renn- und Rallyesport oder die dem Mangel geschuldete Reparaturkultur. Besonders sehenswerte Ausstellungsstücke sind der restaurierte Wartburg-Motorwagen von 1899 und ein BMW-801-Doppelsternmotor, wie er in der Focke-Wulf Fw 190 verbaut wurde.

Wenn man sich an der Technik sattgesehen hat, sei ein Besuch des Bach-Hauses empfohlen. Zwar erblickte der weltberühmte Barockkomponist nicht in diesem Haus, sondern eine Straße weiter das Licht der Welt, doch das tut der Qualität der aus mehr als 300 originalen Exponaten kuratierten Ausstellung keinerlei Abbruch. Während im historischen Gebäude der Schwerpunkt auf Bachs Biografie liegt, setzt sich die Ausstellung im angrenzenden Neubau eher mit der Rezeption seines Schaffens auseinander. Ein klangvoller Höhepunkt des Museumsbesuchs sind die stündlichen Konzerte, in denen fünf historische Instrumente wie Clavichord und Cembalo mit Bach-Stücken zum Klingen gebracht werden und so einen Eindruck vermitteln, wie sich diese Musik seinerzeit angehört hat. Mitarbeiter wie Uwe Fischer beantworten geduldig schon tausendfach gestellte Fragen, beispielsweise, warum auf einem Cembalo die meisten Tasten schwarz sind. "Weil es billiger war, mehr Tasten aus gefärbtem Holz herzustellen als aus Elfenbein." Ökonomische Denke anno dazumal.

Vom Bach-Haus sind es nur zehn Minuten Fußweg ins Zentrum der wundervoll sanierten Altstadt. Das Stadtschloss beherbergt heute das Thüringer Museum, das sich vor allem der Sammlung kunsthandwerklicher Gegenstände sowie sakraler Kunst und Bodenfunden aus dem Raum Westthüringen verschrieben hat. Wer zudem etwas für Architektur übrig hat, sollte einen Streifzug durch die Villenkolonien Mariental, Predigerberg, Karthäuserhöhe und Marienhöhe einplanen. Sie gelten als eines der größten zusammenhängenden Villengebiete Deutschlands.

Höhepunkt ist freilich ein Besuch der Wartburg; sie gab auch dem begehrteren der beiden DDR-Autos seinen Namen. Auf dem Weg zum architektonischen Wahrzeichen Eisenachs, der für Freunde ausgedehnter Spaziergänge in einer knappen Dreiviertelstunde absolviert ist, lohnt noch ein Stopp im Reuter-Wagner-Museum. Eingerichtet in der Villa, die der Dichter Fritz Reuter 1866 erbauen ließ und bis zu seinem Tod 1874 bewohnte, dreht sich hier heute alles um den Nachlass Reuters und um den Komponisten Richard Wagner. Letzterer hat zwar mit der Stadt in Westthüringen nicht viel zu tun gehabt, dennoch landete die Sammlung des leidenschaftlichen Wagner-Fans Nikolaus Johannes Oesterlein (1841–1898) hier. Darunter finden sich wertvolle Handschriften des Komponisten sowie Briefe, Partituren, Fotos und eine mehr als 5000 Bände umfassende Bibliothek, die neben sämtlichen Werken Wagners den fast lückenlosen Bestand der Wagner-Sekundärliteratur des 19. Jahrhunderts enthält.

Florian Trykowski

Ist der Aufstieg auf den Burgberg geschafft, bietet sich ein beeindruckender Blick über die Stadt. Die um 1067 entstandene und 1080 erstmals erwähnte Wartburg ist mit der deutschen Geschichte verwoben wie kaum eine andere Festungsanlage. Von 1211 bis 1227 lebte und wirkte Elisabeth von Thüringen hier, die sich vor allem in der Armutsbewegung einen Namen machte und 1235 von der katholischen Kirche heiliggesprochen wurde. 1247 starb Landgraf Heinrich Raspe IV., römisch-deutscher Gegenkönig zu Friedrich II., in diesem Gemäuer. Der wohl berühmteste Bewohner residierte vom 4. Mai 1521 bis zum 1. März 1522 nach seiner Festsetzung und Entführung zum Schein nicht ganz freiwillig über den Dächern Eisenachs: Als "Junker Jörg" verbrachte Martin Luther knapp ein Jahr auf der Wartburg und übersetzte während dieser Zeit in nur elf Wochen das Neue Testament ins Deutsche. Dabei soll er sich einmal von Lucifer persönlich gestört gefühlt und ein Tintenfass nach dem Teufel geworfen haben, den er als Schatten an der Wand zu erkennen glaubte. Tatsächlich begegnet einem Luther auf der Reise entlang der Thüringer Städtereihe des Öfteren, genauso wie Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe, der ab 1777 privat wie dienstlich regelmäßig die Wartburg besuchte.

Seit 1999 gehört die Wartburg zum UNESCO-Welterbe. Bei geführten Touren oder Solo-Erkundungen mittels Audioguide lässt sich der Geschichte des Gemäuers ganz den eigenen Vorlieben entsprechend erkunden. Übrigens: Wer im Sophienhotel übernachtet und eins der Eckzimmer erwischt, genießt von seinem Balkon aus einen perfekten Blick auf die Burg. Zurück zum Flugplatz geht es, wenn man einen der wenige Busse verpasst hat, am besten via Taxi: für bescheidene 38 Euro.

Carsten Steger

Gotha – beinahe vergessene Luftfahrtgeschichte

Nach dem Start auf der Piste 10 in Eisenach ist eigentlich kein wirklicher Steigflug vonnöten, denn kaum auf Sicherheitsmindesthöhe, ist man schon im langen Endanflug auf den Flugplatz Gotha-Ost. Um die luftfahrthistorische Bedeutung dieses Ortes aus dem Flugzeug zu erkennen, braucht es gute Augen, denn die ehemals befestigte Piste unmittelbar nördlich der heutigen Grasbahn hat sich die Natur inzwischen weitgehend zurückgeholt. Begonnen hat Gothas Luftfahrtgeschichte zwar schon 1909 mit der Gründung des Gothaer Luftfahrtvereins und einem Landeplatz für Luftschiffe, allerdings erinnert an diese Episode heute nur noch die Straße "Am Luftschiffhafen". Bewegung in die Sache kam 1912, als die Gothaer Waggonfabrik, ein auf Konstruktion und Bau von Güter- und Personenwagen sowie Straßenbahnen und Fahrgeschäften spezialisiertes Metallbauunternehmen, versuchsweise mit der Herstellung von Flugzeugen begann, unter anderem mit Nachbauten der Etrich Taube. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde der Flugzeugbau wichtigster Produktionszweig, und die hauseigenen Muster Gotha G.1 bis Gotha G.5 gingen in die Geschichte ein als erste Bomber, die eine Waffenlast von mehreren hundert Kilogramm bis nach England tragen konnten. Zu ihrem Erstflug starteten sie auf der heute überwucherten Piste. Überdies residierte am selben Ort seit 1915 die Fliegerschule Gotha, in der vor allem Privatpiloten ausgebildet wurden.

Mit dem Versailler Vertrag endete der Flugzeugbau zunächst, aber im Zuge der Aufrüstung erinnerten sich die Nationalsozialisten an Gothas Geschichte. So wurde die Waggonfabrik Lizenznehmer und baute vornehmlich Muster anderer bekannterer Hersteller wie Heinkel He 45 und Messerschmitt Bf 110. Später kamen auch neue Eigenentwicklungen wie der Doppeldecker Go 145 und der Lastensegler Go 244 hinzu. Ähnlich wie in Eisenach wurden auch in Gotha Zwangsarbeiter eingesetzt. Nach Kriegsende erlebte der Flugzeugbau noch eine kleine Renaissance, als hier noch mehr als 320 Schulgleiter SG 38 und knapp 70 Grunau Baby IIb sowie einige Go 530 – unter DDR-Segelfliegern besser bekannt als FES 530/II Lehrmeister – hergestellt wurden, bevor diese Ära 1960 mit dem politisch verordneten Stopp des DDR-Flugzeugbaus zu Ende ging.

"Ziemlich viel Luftfahrtgeschichte für so einen kleinen Ort" scherzt Jan-Michael Ziert, Kopf des hiesigen Aero-Clubs, als er uns in Empfang nimmt. "Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, sei noch an die wohl denkwürdigste Episode erinnert: Die englische Königsfamilie entstammt dem Adelsgeschlecht Sachsen-Coburg und Gotha. Als es im Jahr 1917 von Seiten Deutschlands erstmals zu Bombardierungen Londons kam – vor allem mit den Flugzeugen aus Gotha –, sah sich König Georg V. aufgrund wachsenden innenpoliti-schen Drucks gezwungen, auf alle deutschen Titel und Würden zu verzichten, und verfügte den neuen Hausnamen ‚Windsor‘."

Das waren also die großen Themen damals. Unsere Probleme heute bestehen hingegen aus einem Motorsegler mit 17,40 Metern Spannweite, einem Hangartor, das nur rund zehn Meter misst und einer bedrohlichen Gewitterfront, die von Westen auf den Platz zurollt. Ein Tipp an dieser Stelle: UL-Hallenkuller funktionieren – auch wenn sie stabil aussehen – nur bedingt bei Pummelfeen wie der Grob G109. Zu viert dauert es fast eine Stunde, bis das Geflügel vernünftig eingestallt ist.

Am Flugplatz selbst ist von der großen Historie kaum etwas zu sehen, die Gebäude atmen eher den Charme der paramilitärischen Gesellschaft für Sport und Technik, kurz GST – in der DDR die einzige Möglichkeit, Flugsport zu betreiben. Wenn man denn als politisch zuverlässig galt. "Wir haben eine Menge Arbeit vor uns", sagt Jan-Michael und erläutert, dass man in Gotha gerne an die Tradition anknüpfen, den Aero-Club wieder bekannter machen und die Gebäude sukzessive sanieren will. "Damit hier auch mal anfliegende Gäste übernachten können."

Wer nicht das Glück hat, vom Vorsitzenden des lokalen Luftsportvereins direkt in der Innenstadt abgesetzt zu werden, erreicht nach nur fünf Minuten Fußweg die Haltestelle am Berufsschulzentrum, von wo aus alle halbe Stunde ein Bus in Richtung Innenstadt fährt. Alternativ kann man auch in 20 Minuten die eineinhalb Kilometer zum Ostbahnhof schlendern und ab hier die Straßenbahn nehmen. Auf dem Weg passiert man das Anhängerwerk von Schmitz Cargobull – das Vermächtnis der ehemaligen Waggonfabrik, denn einige der Gebäude stammen noch aus dieser Zeit.

Anika Holtermüller

Die Haltestellen "Huttenstraße" (Tram) oder "Gartenstraße" (Bus) sind der perfekte Ausgangspunkt für einen Bummel durch die hübsche Innenstadt. Los geht’s am alten Rathaus im Baustil der Renaissance, das am nördlichen Ende des langgezogenen, zum Schloss Friedenstein hin ansteigenden Marktplatzes liegt. Wir flüchten uns aufgrund eines Platz-regens ins Mehrgenerationenhaus – ein Geheimtipp für alle, die einen Mittagssnack, selbst gebackenen Kuchen und guten Kaffee für einen überaus fairen Preis abstauben und gleichzeitig etwas Gutes tun wollen. Hier erfahren wir einige Insidertipps für Gotha-Besucher: Das 1908 eröffnete Stadtbad ist mit seinem imposanten Jugendstilgebäude schon von außen eine Augenweide, und auch im Inneren haben sich viele Elemente dieser Zeit erhalten, die eine ausgedehnte Wellnesspause zum Erlebnis machen. Auch das Schloss und der Englische Garten werden uns empfohlen. Und schließlich: eine Fahrt mit der Thüringer Waldbahn. Diese besondere Trasse gehört betrieblich zur Gothaer Straßenbahn und führt vom Hauptbahnhof erst in nördlicher Richtung U-förmig um die Innenstadt, um dann westlich des Zentrums nach Südwesten abzuzweigen, und sich in insgesamt 52 Minuten über die Ortschaften Leina, Waltershausen und Friedrichroda bis in den Kurort Bad Tabarz schlängelt. Auf dem Weg dorthin lässt sich zunächst an der ehemaligen Galopprennbahn Boxberg und später am Schaubergwerk Marienglashöhle Station machen. Und wer die Wanderschuhe im Gepäckfach hat, erreicht bei straffem Schritt von der Endhaltestelle der Bahn in knapp eineinhalb Stunden den Gipfel des Großen Inselsbergs. Hier angekommen, ist man – zumindest in Bezug auf die Luftlinie – sogar wieder näher am Flugplatz Eisenach-Kindel denn an Gotha-Ost!

Doch zurück in die Gothaer Innenstadt. Hier gehört ein Besuch im Schloss für Kulturfreunde zum Pflichtprogramm. In dem frühbarocken Gemäuer sind neben dem Schlossmuseum, das die ehemaligen herzoglichen Wohn- und Repräsentationsräume umfasst, auch die Kunstkammer mit ihren barocken Schätzen, das Münzkabinett – eine der bedeutendsten numismatischen Sammlungen Deutschlands –, das Museum der Natur und das Ekhof-Theater beheimatet. Letzteres wurde zwischen 1681 und 1683 in den ehemaligen Ballsaal des Schlosses eingebaut und wird noch heute unter Einsatz der historischen Kulissentechnik für Aufführungen genutzt. Den perfekten Abschluss des Schlossbesuchs bildet ein ausgedehnter Spaziergang durch den großen Schlosspark samt des im Süden der Anlage gelegenen Landschaftsgartens, einem der ältesten außerhalb Englands.

Unseren Tag beschließt ein vorzügliches Abendessen im Lutherkeller, bei dem wir Roulade mit Rotkohl und Thüringer Klößen sowie Steak au four genießen. So lässt es sich leben!

Erfurt – Kultur-Überfluss auf engstem Raum

Nachdem wir das Flugzeug wieder aus dem Hangar gepuzzelt haben – Erkenntnis: Im Gegensatz zu Segelflugzeugen lässt sich eine Grob auf GoJak-Car-Dollys problemlos rangieren –, verabschieden wir uns vom Aero-Club Gotha und nehmen Erfurt ins Visier. Entgegen meinen Befürchtungen sind wir nach der halben Pistenlänge in der Luft und kommen gut über die Bäume am Ende der 08. Kaum 300 Meter über Grund, wechseln wir auf Erfurt Turm und fragen nach einem Direktanflug. Den bekommen wir auch, nur um kurz vor dem Platz doch noch in einen Wartekreis über Sierra 2 geschickt zu werden, weil ein Hubschrauber im Anflug, aber noch nicht auf der Frequenz sei. Beim Eindrehen in den Queranflug sehen wir den "Übeltäter", eine NH90 der Bundeswehr. Wir parken neben dem Teppichklopfer und werden via Vorfeld-Taxi zum GAT gefahren. Beim Dokumentencheck fällt der Spruch "Ah, der aerokurier auch hier …": Es ist der NH90-Jockey, den ich im Vorjahr auf der Internationalen Militär-Segelflugmeisterschaft in Holzdorf kennengelernt hatte. Die Fliegerwelt ist eben winzig.

Lothar Röser

Was die Anbindung an den ÖPNV angeht, ist der Airport Erfurt/Weimar ein Musterbeispiel. Mit der Straßenbahnlinie 4 dauert es nur 21 Minuten zur Haltesteller "Anger", also mitten ins Herz der Thüringer Hauptstadt. In Erfurts Altstadt liegen die wichtigsten Sehenswürdigkeiten so eng beieinander, dass man im Sommer problemlos frühmorgens einschweben, einen Tag in der City verbringen, das Wichtigste abarbeiten und abends wieder losdüsen kann. Gerecht wird man der Stadt damit allerdings nicht.

Erster Kulturstopp ist für uns die Krämerbrücke, die längste durchgängig mit Häusern bebaute Brücke nördlich der Alpen. Ihre erste urkundliche Erwähnung datiert auf das Jahr 1156, ihre heutige Form und den Großteil der Bebauung erhielt sie nach einem Stadtbrand im Jahre 1472. Nahezu alle Gebäude sind heute im Besitz der Stadt und werden durch die Stiftung Krämerbrücke betreut. Eher zufällig stolpern wir in die Werkstatt von Martin Gobsch, ein herrlich verkramtes Kleinod aus Werkbank, Holzspänen und unzähligen Puppen und Marionetten, die der Handwerker für Theater und Puppenbühnen baut und sich dabei gern über die Schulter schauen lässt. Ein Kuriosum ist der Linkshänderladen mit einem Angebot aller möglichen Alltagsgegenstände für jene 15 Prozent der Menschen, die alles "mit links" machen. Auf gar keinen Fall entgehen lassen darf man sich einen Besuch des Thüringer Spezialitätenmarkts. Hier kann man sich von Inhaberin Bettina Vick oder ihrer Tochter Marie-Luise zu kulinarischen Mitbringseln für sich selbst oder gute Freunde beraten lassen. Ob Brotaufstriche, Senf, Fleisch- und Wurstwaren oder Weine aus der Saale-Unstrut-Region, Whiskys oder Gins – mehr Thüringer Köstlichkeit auf so kleinem Raum habe auch ich als gebürtiger Thüringer noch nicht gesehen. Selbstredend, dass ich die Einladung zur Eierlikörprobe nicht ausschlagen kann! Köstliches gibt es auch direkt gegenüber, wo die Goldhelm Schokoladenmanufaktur und der Goldhelm Eiskrämer residieren. Für Souvenirjäger bieten zudem mehrere Kunsthandwerkergeschäfte Glas-, Holz- und Keramikarbeiten in den zumeist gemütlichen, kleinen Läden links und rechts auf der historischen Brücke an.

Nur einen Steinwurf entfernt liegt die Alte Synagoge, die mit mehr als 900 Lenzen als ältestes erhaltenes Gotteshaus des Judentums in Europa gilt. Zusammen mit der mittelalterlichen Mikwe, einem jüdischen Ritualbad, das 2007 zufällig bei Bauarbeiten nahe der Krämerbrücke gefunden wurde , und dem 1998 ebenfalls bei Bauarbeiten gefundenen und aus 28 Kilogramm Silbergegenständen wie Münzen, Besteck und Geschirr sowie Edelsteinen bestehenden "Jüdischen Schatz von Erfurt" bildet sie ein einzigartiges Ensemble von unschätzbarem Wert.

Wir bleiben auf historischen Pfaden und spazieren an der Michaeliskirche vorbei zum Augustinerkloster. Erbaut ab 1277 für die Augustiner-Eremiten, zog der wohl bekannteste Bewohner 1505 als Mönch hier ein: Martin Luther. An den Reformator erinnert noch heute die sogenannte "Luther-zelle", einer der kleinen Räume, in die sich die Mönche zum Bibelstudium zurückzogen. Apropos Bibel: Zahlreiche historische Exemplare davon befinden sich in der Klosterbibliothek und können im Rahmen von Führungen ebenso wie das gesamte Kloster besichtigt werden. Wer es auf eigene Faust erkunden will, erhält an der Information einen Audio-Guide. Dass der Erhalt von historischer Bausubstanz am besten durch zeitgemäße Nutzung erfolgt, dafür ist das heute vor allem als Tagungs- und Veranstaltungszentrum genutzte Kloster ein gutes Beispiel. Wer Luther ganz nah sein will, kann hier sogar übernachten, allerdings weit komfortabler als die Mönche damals.

Stadtverwaltung Erfurt

Der Weg vom sakralen Gebäude zum Domplatz führt durch das Andreasviertel, ein durch besonders kleinteilige Bebauung geprägtes Quartier im Norden der Altstadt. Um das Jahr 1000 entstanden, siedelten hier vor allem Handwerker in kleinen Fachwerkhäusern. In den 1920er Jahren gab es Pläne, das Viertel neu zu bebauen, während des Krieges und danach passierte indes nicht viel, und zahlreiche Häuser verfielen. In den 1960er Jahren wurden Pläne ausgearbeitet, das denkmalgeschützte Viertel komplett abzureißen, was letztlich am Widerstand der Bürger scheiterte. Nach der Wende wandelte sich das Quartier zu einer der beliebtesten Wohngegenden Erfurts. Kleine Pensionen ermöglichen es auch Touristen, sein ganz besonderes Flair zu erleben.

Ohne Mampf kein Kampf – das gilt auch für Erkundungstouren durch die Thüringer Hauptstadt. Am Domplatz gibt es dafür allerlei Möglichkeiten; meine Begleitung und mich zieht es schließlich ins "Schnitzler". Denn "a Schnitzel a day, keeps the blues away", und da es inzwischen in Strömen regnet, können wir das gebrauchen. Insbesondere Besucher aus dem Westen sollten sich trauen, das Jägerschnitzel zu bestellen. Dabei wird aber nicht etwa totes Schwein in Panade endgelagert und in Pilzsoße ertränkt, wie Unkun-dige mitunter erwarten. Vielmehr handelt es sich um eine panierte Scheibe Jagdwurst, die knusprig gebraten mit Nudeln und Tomatensoße serviert wird, wobei wichtigste Zutat für die Soße Ketchup ist. Jene, die noch ein paar Jahre DDR erlebt haben, dürften sich bei diesem Schmaus an Betriebskantinen und Schulspeisungen aus dem untergegangenen Land erinnern.

Anika Holtermüller

Frisch gestärkt erklimmen wir die 70 Stufen zum Dom, die jedes Jahr im August Schauplatz der Domstufen-Festspiele sind. Über drei Wochen wird dann an mehreren Abenden vom Ensemble des Erfurter Theaters ein Klassiker inszeniert. Carmen, Die Jungfrau von Orleans und Nabucco gaben sich vor dieser spektakulären Kulisse bereits die Ehre. Aber auch ohne große Show lohnt ein Besuch des Doms. Mitte des 8. Jahrhunderts diente er kurzzeitig als Bischofssitz und war anschließend bis in das frühe 19. Jahrhundert hinein Sitz des Kollegiatstifts St. Marien. Seit 1994 ist er wieder Kathedrale des neu geschaffenen Bistums Erfurt und Sitz des Domkapitels. Ein besonderer Blickfang des größten Erfurter Sakralbaus sind die 15 18,6 Meter hohen und 2,6 Meter breiten Fenster im Hochchor, von denen 13 noch fast vollständig mittelalterlich erhalten sind. Der ganz große Schatz des Doms zeigt sich Besuchern jedoch nur im Rahmen einer Turmführung: die Gloriosa, die größte freischwingende mittelalterliche Glocke der Welt. Am 19. Mai 1499 läutete sie erstmals vom Mittelturm und gilt bis heute als eine der klangschönsten Kirchenglocken weltweit. Wer sie hören möchte, muss seinen Besuch genau planen, denn die Gloriosa erklingt nur zu besonderen Anlässen und an hohen kirchlichen Feiertagen. Direkt neben dem Dom steht die Severikirche, die ebenfalls einen Besuch wert ist.

Tim Stange

Vom Domberg ist es nur ein Katzensprung zur Zitadelle Petersberg. Sie gilt als eine der am besten erhaltenen Stadt-befestigungsanlagen des 17. bis 19. Jahrhunderts. Neben historischer Bausubstanz, darunter die außergewöhnlich schlichte Peterskirche, gibt es hier allerlei Militärgeschichte, zudem hat auf dem Petersberg das Thüringer Vinarium sein Domizil, das Weinfreunden den edlen Rebensaft aus allen Winzereien des Freistaats interaktiv und natürlich ganz praktisch erleben lässt. So kann man sich die guten Tropfen beispielsweise bei einer Winzerbrotzeit oder im Rahmen von Verkostungen oder Seminaren schmecken lassen.

Erfurt Tourismus Marketing

Verlässt man den Petersberg Richtung Osten, erreicht man nach wenigen Minuten die nördlich des Domplatzes gelegene Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße, in der in einer ehemaligen Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit unter dem Titel "Haft – Diktatur – Revolution. Thüringen 1949 – 1989" das DDR-Unrecht aufgearbeitet wird. Die Ergänzung der gewohnten Ausstellungscharakteristik mit historischen Artefakten wie Dokumenten, Überwachungsgerätschaften und Mobiliar um interaktive Elemente und beispielhafte DDR-Geschichten in Form von Graphic Novels ist mehr als zeitgemäß und definitiv einen Besuch wert.

Lars Reinhold

Um die Kultur-Druckbetankung zu verarbeiten, kann man zum Abschluss des Erfurt-Besuchs im egapark die Seele baumeln lassen. Im Rahmen der Erfurter Gartenbauausstellung, kurz ega, entstanden hier seit den 1960er Jahren auf rund 36 Hektar Ausstellungshallen, Pflanzenschauhäuser sowie themenbezogene Gärten und Ruhezonen. Zu den Hauptattraktionen zählen das mit 6000 Quadratmetern größte zusammenhängende Blumenbeet Europas, ein Aussichtsturm, eine Sternwarte, der größte Kinderspielplatz Thüringens und das einzige Gartenbaumuseum des Landes. Von der Haltestelle "egapark" sind es nur 20 Minuten bis zum Flughafen, von wo aus was für uns weiter geht nach Weimar.

Christian Fischer

Weimar – Goethe und Schiller zum Anfassen

Goethe, Schiller, Bauhaus, Republik: Vier Worte, die untrennbar mit der Stadt Weimar verbunden sind. Zwei der bedeutendsten deutschen Literaten (wenn nicht gar die bedeutendsten überhaupt!) lebten und arbeiteten hier; eine Designschule, deren Gestaltungsstil bis heute in der ganzen Welt nachwirkt, wurde in der Stadt am Flüsschen Ilm gegründet, und auch die erste Demokratie auf deutschem Boden nahm in der viertgrößten Stadt Thüringens ihren Anfang. Ein gewaltiges kulturelles Erbe!

Für Aviateure beginnt der Weimar-Besuch in Umpferstedt, knapp sechs Kilometer Luftlinie vom Stadtzentrum entfernt. Hier hat Sören Gathemann innerhalb von 30 Jahren ein Kleinod für Motor- und Ultraleichtflieger geschaffen. 560 mal 9 Meter Asphaltpiste, umgeben von Golfrasen, dazu zwei geräumige Hallen voller Flugzeuge und ein schickes, kleines Vereinsheim stehen den Piloten zur Verfügung. Früher war hier ein kleines Agrarflugfeld, heute ist der Platz Basis für Flugzeuge bis zwei Tonnen sowie Gathemanns Flugschule.

Carsten Steger CC Wikipedia

Um vom Flugplatz in die City zu kommen, stehen zunächst eineinhalb Kilometer Fußmarsch zur Bushaltestelle Umpferstedt an. Ab hier fährt die Linie 281 zehnmal täglich in nur elf Minuten zum zentral gelegenen Goetheplatz. Alternativ nutzt man für die neun Kilometer das Taxi oder gönnt sich einen Spaziergang von gut einer Stunde.

Vom Goetheplatz aus spaziert man nach Süden zum Theaterplatz, um das obligatorische Touri-Selfie am Goethe-Schiller-Denkmal zu machen. Heißer Tipp: Wer sich clever positioniert, hat gleich das "Große Haus" mit im Hintergrund, die zentrale Spielstätte des Deutschen Nationaltheaters. Hier tagte vom 6. Februar bis zum 11. August 1919 die Deutsche Nationalversammlung, um die rechtlichen Grundlagen der Ersten Republik, die Weimarer Verfassung, auszuhandeln.

Maik Schuck

Weitere drei Minuten durch die Fußgängerzone führen zum Wohnhaus Friedrich Schillers, in dem der Dichter vom 29. April 1802 bis zu seinem Tod am 9. Mai 1805 lebte. Heute gehört das Gebäude der Klassik Stiftung Weimar, die hier ein Museum zu Leben und Werk Schillers betreibt. Wer sich durch die Infotafeln arbeitet, dem wird eins klar: Der liebe Friedrich war wohl eine Art Rockstar seiner Zeit. Heimliches Tabakschnupfen und Lesen verbotener Schriften während des Jura- und später Medizinstudiums an der Militärakademie, dann Regimentsarzt, leidenschaftlicher Schreiber und schließlich Fahnenflüchtiger, da er – zeitgemäß formuliert – mit der Gesamtsituation unzufrieden war. Nach Stationen in Mannheim und Leipzig, wo einige seiner bekanntesten Werke, darunter "Kabale und Liebe" und die "Ode an die Freude" entstanden, traf er 1779 in Weimar erstmals mit Johann Wolfgang von Goethe zusammen. Die Beziehung begann sich allerdings erst neun Jahre später zu intensivieren, sodass sich beide fast täglich besuchten und nicht nur literarisch, sondern auch philosophisch austauschten. Ab 1789 Professor für Geschichte in Jena, zog Schiller 1799 nach Weimar um und vollendete hier Klassiker wie den "Wallenstein", "Das Lied von der Glocke", "Maria Stuart" und "Die Jungfrau von Orléans". Das Bett, in dem der Dichter am 9. Mai 1805 vermutlich an Tuberkulose starb, steht noch heute im Schillerhaus, ebenso wie der Schreibtisch, an dem er viele seiner Werke verfasste, und ein Teil seiner Privatbibliothek.

Nur einen Steinwurf entfernt liegt das Gebäude, in dem Johann Wolfgang von Goethe von 1782 bis zu seinem Tod 1832 lebte. Mag einen der Besuch des Schillerhauses und die Auseinandersetzung mit dessen Biografie beeindruckt haben, muss man bei der Stippvisite in Goethes Domizil und dem angegliederten Goethe-Nationalmuseum erkennen, dass der Dichterfürst mit kolportierter Vorliebe für Köstritzer Schwarzbier (dezenter Genusstipp für Thüringen-Reisende!) einer der letzten Universalgelehrten gewesen sein dürfte. Epische und dramatische Werke wie "Die Leiden des Jungen Werther", "Dichtung und Wahrheit", "Götz von Berlichingen" und der legendäre "Faust", an dem Goethe etwa 60 Jahre arbeitete, sowie mehr als 3000 Gedichte klingen nach weit mehr, als ein Mensch in einem einzigen Leben hervorbringen kann. Dass Goethe aber ursprünglich als Jurist mit eigener Anwaltskanzlei ins Berufsleben startete, später als Politiker und Beamter im Staatsdienst arbeitete und darüber hinaus akribische Naturforschung betrieb – das erschließt erst die hervorragend kuratierte Ausstellung im Erweiterungsbau an seinem Wohnhaus. Zuvor allerdings sei ein Streifzug durch das Wohnhaus empfohlen, wobei der Audioguide für Kinder, in dem Goethes Sohn August junge Besucher durch seine Welt und die seines Vaters führt, selbst Erwachsenen einen Heidenspaß bereitet.

Quer durch die Altstadt geht es zum Bauhaus-Museum. Auf Basis der historischen Sammlungen der Klassik Stiftung Weimar widmet es sich der Vorgeschichte, der zeitgenössischen Designarbeit und der Nachwirkung des Staatlichen Bauhauses, das 1919 in Weimar gegründet wurde. Gezeigt werden Arbeiten von Gründungsdirektor Walter Gropius, von Bauhaus-Meistern wie Lyonel Feininger, Gerhard Marcks, Johannes Itten oder Paul Klee und von Bauhausschülern wie Marcel Breuer oder Alma Siedhoff-Buscher. Im Fokus stehen dabei zum einen die Heranführung der Schüler an die grundlegenden Gestaltungsideale des Bauhauses, zum anderen das praxisorientierte Design alltäglicher Nutzgegenstände bis hin zu ganzen Gebäuden. Ein ebensolches ist das Musterhaus am Horn, das als Architekturprojekt für die erste Bauhaus-Ausstellung 1923 entstand und etwa einen Kilometer südöstlich des Stadtzentrums am Rande des Parks an der Ilm liegt. Der regelmäßig für Besucher geöffnete Bau zeugt davon, wie Schüler und Lehrer der renommierten Designschule das häusliche Leben optimieren wollten. Im Obergeschoss des Museums zeigte die Klassik Stiftung zur Zeit unseres Besuchs die Ausstellung "Bauhaus und Nationalsozialismus". Hier wurden die vielfältigen Wege aufgearbeitet, die Künstlerinnen und Künstler im Umgang mit dem totalitären Herrschaftssystem seinerzeit einschlugen – von Anbiederung über Anpassung bis hin zu Ablehnung, Emigration oder Tod als Angehöriger einer verfolgten Minderheit.

Thomas Müller

Tatsächlich ist in Weimar die Geschichte nicht nur als Heimat Goethes und Schillers und als Wiege der deutschen Demokratie präsent. Vielmehr zwingen die architektonische Wucht des Gauforums und der weithin sichtbare Glockenturm des Buchenwald-Mahnmals auf dem Ettersberg regelrecht dazu, sich mit der Rolle der Stadt als ein Zentrum der nationalsozialistischen Bewegung auseinanderzusetzen. Gauforen sollten in Städten des Dritten Reiches mit ihrer gigantischen Anlage die Zentren der Macht des Führerstaates symbolisieren. Von den 13 geplanten Anlagen ist nur die in Weimar tatsächlich gebaut worden und auch weitgehend erhalten geblieben. Heute hat hier das Thüringer Landes-verwaltungsamt seinen Sitz, zudem residiert im Südflügel das Museum Zwangsarbeit im Nationalsozialismus.

Raimon Spekking CC Wikipedia

Zwangsarbeit spielte auch auf dem nördlich der Stadt gelegenen Ettersberg eine Rolle. Im 1937 hier errichteten Konzentrationslager Buchenwald wurden bis April 1945 rund 278 000 Menschen aus 50 Ländern aus politischen oder rassistischen Gründen gefangen gehalten und zur Zwangsarbeit herangezogen, was rund 56 000 von ihnen nicht überlebten. Später nutzte die sowjetische Besatzungsmacht Teile des Geländes, um NS-Amtsträger aus Staat und Partei zu internieren. Die Gedenkstätte auf dem Ettersberg ist heute einer der wichtigsten Erinnerungsorte an die Gräuel der Nationalsozialisten. Ein zugegebenermaßen dunkles Kapitel, dem man bei einem Besuch aber durchaus die angemessene Zeit widmen darf.

Neigt sich der Tag in Weimar dem Ende entgegen, sollte man sich genügend Zeit für ein Abendessen im Gasthaus "Zum Weißen Schwan" nehmen. Es liegt in unmittelbarer Nähe zum Goethehaus am Frauenplan und verwöhnt laut eigenen Angaben seit mehr als 450 Jahren mit erlesenen Speisen. "Der Weiße Schwan begrüßt Dich jederzeit mit offenen Flügeln", schrieb der Dichter einst in einem Brief über dieses Restaurant, und man darf getrost sagen, der Mann hatte recht, die Thüringer Spezialitäten sind eine Wucht!

Auf dem Weg zurück zum Flugplatz ist ein kleiner Umweg über die Schlossanlage Belvedere ein Muss. Sie liegt etwa vier Kilometer südlich des Stadtzentrums und kann vom Goetheplatz aus mit der Buslinie 1 innerhalb von 14 Minuten erreicht werden. Sie wurde 1724 bis 1744 als Residenz für Herzog Ernst August I. von Sachsen-Weimar erbaut und dient heute einem Rokoko-Museum als Sitz, in dessen Ausstellung wichtige Gemälde und Porträts des 17., 18. und frühen 19. Jahrhunderts sowie erlesene Gläser, Porzellane, Fayencen und Möbel gezeigt werden. Der 43 Hektar große Schlosspark lädt zu einem ausgedehnten Spaziergang ein, und die Orangerie und das Gärtnerhaus beherbergen noch heute exotische Pflanzen.

Marcus Glahn

Jena – eine lebendige Universitätsstadt

Vom Flugplatz Umpferstedt aus führt die Route nach Jena-Schöngleina direkt übers Zentrum der zweitgrößten Stadt Thüringens, gelegen im Tal, das Gletscher und schließlich der Fluss Saale über tausende Jahre in die Landschaft schnitten. Tatsächlich fliegt man sogar gute acht Kilometer über die Stadt hinaus, um sich in die Platzrunde Schöngleinas einzureihen. Angesichts von knapp 1,2 Kilometern Pistenlänge, NVFR-Befeuerung und Zulassung für Flugzeuge bis 9,5 Tonnen, Hubschrauber und Luftschiffe sowie der Tatsache, dass in Jena einige Großkonzerne ihren Sitz haben, kann es durchaus passieren, dass man sich die Platzrunde mit einem klassischen Geschäftsreiseflugzeug wie einer King Air oder ähnlichem Gerät teilen muss. Als wir mit unserer Grob einschweben, ist eher wenig los. Zusätzlich zu den sechs Euro Landegebühr für unsere Pummelfee investieren wir angesichts der Wettervorhersage 20 Euro für einen Hallenplatz.

Carsten Steger CC Wikipedia

Sind Landung und Handling in Jena absolut unkompliziert zu erledigen, gilt das für den Weg in die Stadt schon nicht mehr. Der ÖPNV fährt den Flugplatz nicht direkt an, ein Fußweg von guten 15 Minuten bergab bringt die Crew zur Haltestelle Schöngleina. Wir haben Glück, ein Mitarbeiter des Flugplatzes fährt uns zum Bus. Von hier aus geht es alle zwei Stunden mit der Linie 472 in 22 Minuten bis nach Lobeda-Ost, wo man in die Straßenbahnlinie 5 umsteigt und in nochmal 18 Minuten zur Zentralhaltestelle Holzmarkt fährt. Mit den öffentlichen Verkehrsmitteln kommt man für unter zehn Euro in die City, mit dem Taxi dauert es nur halb so lang, ist aber mehr als dreimal so teuer. 35 bis 40 Euro muss man vom Flugplatz bis Lobeda rechnen.

Wie auch in Erfurt und Weimar lässt sich in Jena viel Sehenswertes zu Fuß erkunden. Markantestes Bauwerk der Stadt ist der Jentower, mit 144 Metern das höchste Bürogebäude Thüringens. Die zwei Aussichtsplattformen auf 128 Metern bieten zwischen 10 und 22 Uhr einen einzigartigen Blick auf Jena, und wer mit diesem Ausblick übernachten oder speisen will, kann sich im Scala-Hotel einbuchen oder im gleichnamigen Restaurant einen Tisch reservieren. Etwas nördlich des Towers befindet sich ein Teil der ehemaligen Stadtmauer mit dem alten Pulverturm. Gemeinsam mit der rund 230 Meter südlich gelegenen Ruine des Anatomieturms und dem wiederum 450 Meter östlich am Ende der Innenstadt in ein Gebäudeensemble integrierten Roten Turm markiert er die Ausdehnung der historischen Altstadt Jenas, zu der auch die mehr als 750 Jahre alte Stadtkirche St. Michael und das historische Rathaus gehören.

Jena Kultur Christian Häcker

Vom Pulverturm aus ist es nur ein Katzensprung in den Botanischen Garten. Er gehört zum Institut für spezielle Botanik der Friedrich-Schiller-Universität und zeigt auf 4,5 Hektar etwa 12 000 Pflanzenarten. Unmittelbar nördlich an das Gelände schließt sich das Zeiss-Planetarium an, das man als Jena-Tourist unbedingt besucht haben sollte. Mit seiner Eröffnung am 18. Juli 1926 gilt es als weltweit betriebsältestes Großraum-Projektions-Planetarium und wurde 2017 als historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland ausgezeichnet. Über Jahrzehnte ermöglichten es die vom ortsansässigen Konzern Zeiss entwickelten optomechanischen Sternenprojektoren den Besuchern, ein täuschend echtes Abbild des Sternenhimmels zu erleben und in die Tiefen des Weltalls einzutauchen. Inzwischen bietet das Planetarium neben den klassischen astronomischen Programmen dank zusätzlich installierter hochauflösender Digitalprojektoren Themen- und nicht zuletzt Musik-Multimediashows, die durch die jüngst installierte Audioanalage mit Wellenfeld-Technologie auch akustisch zu einem Erlebnis werden. Selbst erlebt und für gut befunden: "Queen Heaven" und "50 Jahre The Dark Side Of The Moon".

Pproduktion

Wer der naturwissenschaftlichen Tradition der Stadt nachspüren will, der sollte einen Besuch im Phyletischen Museum einplanen. Dieses vom Mediziner, Zoologen und Philosophen Ernst Haeckl gegründete Institut befasst sich mit Naturkunde und nimmt dabei insbesondere die Stammes-geschichte und Evolutionstheorie in den Fokus.Die umfangreiche zoologisch-paläontologische Sammlung umfasst mehr als 500 000 Exponate. Der Geschichte der optischen Industrie am Standort Jena widmet sich das Deutsche Optische Museum, das allerdings wegen Umbauten noch bis 2027 geschlossen bleibt – vielleicht ein Grund, Jena dann noch einmal zu besuchen.

Selbstverständlich hat die Stadt auch kulturell eine Menge zu bieten. Wer Musik, Theater und Film zu seinen Hobbys zählt, der legt seine Stippvisite am besten auf die Zeit zwischen Anfang Juli und Mitte August und besucht das über sechs Wochen an wechselnden Orten stattfindende Festival "Kulturarena". Ob Open Air, Clubkonzert oder Kinoveranstaltung – Jena wird in dieser Zeit zum Schmelztiegel lokaler, regionaler und internationaler Künstler. Und selbstverständlich kommt man auch in Jena nicht an den Dichterfürsten vorbei. Denn unmittelbar neben dem Vorplatz des Jenaer Theaters – auf dem auch zahlreiche Events der Kulturarena stattfinden – befindet sich Schillers Gartenhaus, in dem der Literat von 1797 bis 1799 mit seiner Familie wohnte und hier Teile von "Wallenstein" und "Maria Stuart" sowie zahlreiche Balladen schrieb. Zu Gast bei Schiller war seinerzeit nicht nur sein Freund Goethe, sondern auch andere bedeutende Persönlichkeiten wie Alexander von Humboldt oder Friedrich Hölderlin. Das Erbe Goethes in Jena beschränkt sich indes nicht auf das nach ihm benannte Einkaufszentrum Goethe-Galerie. Vielmehr ist im alten Inspektorhaus des Botanischen Gartens das "Goethe-Laboratorium" eingerichtet, eine Dauerausstellung der Friedrich-Schiller-Universität, in der Grundlagen von Goethes Naturstudien vergegenwärtigt und zugleich Wissenschaften und deren Geschichte erkundet werden.

Anika Holtermüller

Um sich nach der kulturellen und naturwissenschaftlichen Druckbetankung zu erden, sei des Abends ein Besuch der Wagnergasse empfohlen. Auf etwa 250 Metern finden sich hier Bars und Cafés jeder Couleur. Mit dem Haus Wagnergasse 32, in dem Carl Zeiß von 1847 bis 1857 seine zweite Werkstatt betrieb, sowie dem Haus Wagnergasse 27, in dem der Dramatiker August von Kotzebue lebte, ist selbst hier die Geschichte noch allgegenwärtig.

Lars Reinhold

Wer zum Abschied von Jena allen motorisierten Verkehrsmitteln trotzen will, kann aus dem Stadtzentrum in gut drei Stunden zum Flugplatz Schöngleina wandern. Zudem bietet die Stadt mit der Saale-Horizontale auch einen einzigartigen Wanderweg über rund 100 Kilometer um die Stadt herum, der entweder in neun Etappen erkundet oder zum Event "Horizontale rund um Jena" innerhalb von 24 Stunden komplett absolviert werden kann. Anschließend aber bitte mindestens einen Ruhetag einplanen, bevor man sich wieder ins Cockpit setzt.

Jena Kultur Roman Möbius

Gera – zu Besuch bei den Fürsten Reuß

Zurück am Flugplatz Schöngleina, schieben wir die Grob aus der Halle und nehmen von der Piste 20 startend in einer weiten Linkskurve Kurs auf Gera. Knappe 30 Kilometer sind es bis in die dritt-größte Stadt Thüringens, die ab dem 16. Jahrhundert als Landeshauptstadt des Fürstentums Reuß jüngere Linie war und zur Blütezeit der Stoff- und Tuchindustrie zu den reichsten Metropolen Deutschlands gehörte. Als Orientierungslinie auf dem Flug dient wie auf den vorangegangenen Abschnitten die Autobahn A  4, die selbst Ortsunkundige ohne Navigationssystem direkt zum Flugplatz Gera-Leumnitz führt.

Carsten Steger CC Wikipedia

Der Verkehrslandeplatz verfügt über eine 920 mal 24 Meter messende Asphaltpiste und wurde bis Mitte 2014 von der Stadt selbst betrieben, bevor die Stadtwerke in die Insolvenz rutschten. Daraufhin übernahm Peter Künast mit seiner Betreibergesellschaft den Platz und ist seitdem Ansprechpartner für Piloten. Aufgrund der großzügigen Hallenkapazitäten haben auch anfliegende Gäste die Chance, ihr teures Geflügel vor Wetterkapriolen geschützt einzustallen. Als wir angewiesen werden, vor die Halle neben dem Turm zu rollen, frage ich mich angesichts der zwei Torpfosten, ob wir hier richtig sind. Als aber der Chef höchstselbst erst die Rolltore nach oben und dann die Torpfosten beiseite zieht, wird mir klar, dass hier doch mit Sinn und Verstand gehandelt wird.

Anika Holtermüller

Vom Flugplatz in die City geht es am besten mit der Buslinie 26, die den Aviateur stündlich innerhalb von 13 Minuten zur Zentralhaltestelle Heinrichstraße bringt. Kostenpunkt: magere 2,70 Euro. Auch am Geraer Flugplatz gibt es die Möglichkeit, via App2Drive ein Auto zu mieten.

Auffälligstes Gebäude in der Heinrichstraße ist das Stadtmuseum. Hier erhalten Interessierte einen Überblick von der Ur- und Frühgeschichte Ostthüringens über die Entstehung der Stadt bis hin zur Geschichte nach 1945. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Bedeutung Geras als Standort der Textilindustrie. Rechts vorbei am Museum spaziert man durch die Kleine Kirchstraße zum Marktplatz, dessen umschließendes Gebäudeensemble vom 1576 eingeweihten Rathaus mit seinem 57 Meter hohen Turm überragt wird. Weitere besondere Bauwerke sind die an der südwestlichen Ecke gele-gene Stadtapotheke mit ihrem auffälligen Erker sowie der Simsonbrunnen, der den biblischen Löwenbezwinger Simson im Kampf mit der Raubkatze zeigt. Tatsächlich führt Gera den Löwen auch im Stadtwappen. Einer Besonderheit der Stadt ist man am Markt ganz nahe, ohne sie sehen zu können: den Geraer Höhlern. Dieses System von künstlich angelegten Hohlräumen unter der Altstadt wurde früher zur Lagerung von Bier genutzt. Im Rahmen von Führungen können die Höhler besichtigt werden, das Höhlerfest im Herbst ist stets Anlass für zahlreiche Events in der Innenstadt.

Unterirdische Kunst-Biennale in Gera
Jan-Peter Kasper dpa

Vom Markt aus geht es nach Westen durch eine der beiden Passagen in der Großen Kirchstraße zur Sorge, einst beliebte Einkaufsmeile, heute eher ein Schatten vergangenen Glanzes. Im oberen Drittel allerdings befindet sich ein heruntergekommenes, leerstehendes Gebäude, das man sich zumindest einmal angesehen haben sollte, denn hier wurde Wirtschaftsgeschichte geschrieben. Oscar Tietz eröffnete an dieser Stelle am 1. März 1882 mit Unterstützung seines Onkels Hermann das Garn-, Knopf-, Posamentier-, Weißwaren- und Wollwarengeschäft Hermann Tietz, das erste moderne Warenkaufhaus der Welt. Dieser Standort war Ausgangspunkt des Handelsimperiums der Familie Tietz, das später, infolge der Arisierung durch die Nazis, unter dem Namen Hertie in ganz Deutschland bekannt wurde.

Zurück geht es zur Heinrichstraße und dort in die Straßenbahn der Linie 1 Richtung Untermhaus, wo man zwei Stationen später die Haltestelle Hauptbahnhof/Theater erreicht. Direkt hinter der Unterführung liegt mit dem "Großen Haus" die wichtigste Spielstätte des Theaters Altenburg-Gera. 1902 eröffnet, galt es als eins der modernsten Theater seiner Zeit, weil es nicht nur den Fokus auf das Schauspiel richtete, sondern neben der Bühne auch über einen separaten Konzertsaal mit beeindruckender Akustik für Musikdarbietungen verfügte.

Am Theater vorbei spaziert man in Richtung Küchengarten. An den barocken Lustgarten schließt sich die Orangerie an. Erbaut zwischen 1729 und 1732, diente sie gemeinsam mit dem Küchengarten der Versorgung des nahe gelegen Schlosses Osterstein, Sitz der Fürstenfamilie Reuß. Heute hat hier die Kunstsammlung der Stadt Gera ihr Domizil. Die rund 15 000 Objekte umfassende Sammlung beinhaltet unter anderem Werke von Rembrandt, Jan van Goyen und Lucas Cranach dem Älteren. Der Nordflügel der Orangerie präsentiert die Dauerausstellung zum expressiven Spätwerk von Otto Dix, dem wohl berühmtesten Sohn der Stadt, mit Bildern aus den Jahren von 1944 bis 1969

Kunstsammlung Gera
Sebastian Kahnert dpa

Dix` Geburtshaus liegt nur rund 500 Meter westlich der Orangerie auf der anderen Seite des Flusses Weiße Elster und beherbergt ein Museum, das sich ebenfalls dem Werk Dix widmet. Auf dem Weg dorthin sollte man unbedingt einen Stopp im Brückencafé einplanen und bei einem Cappuccino oder Wein direkt über dem Fluss Fünfe gerade sein lassen. Gleich ums Eck befindet sich mit dem Lummerschen Backhaus eine der besten Adressen Geras für ein gepflegtes Abendessen.

Herbst in Thüringen - Gera
Bodo Schackow dpa

Vom Brückencafé aus hat man in Richtung Südwesten das Schloss Osterstein im Blick, das bei einem Luftangriff Ende des Zweiten Weltkrieges weitgehend zerstört wurde. Richtet man die Augen hingegen nach Südosten, eröffnet sich das Panorama des Hofwiesenparks. Er entstand im Rahmen der Bundesgartenschau 2007 und wird heute als grüne Oase von rund 30 Hektar Fläche mitten in der Stadt vor allem von Familien genutzt.

Stradtverwaltung Gera

Auch für Architekturfans hat Gera weit mehr zu bieten, als man auf den ersten Blick vermuten mag. Über die ganze Stadt verteilt finden sich Gründerzeitvillen, die an Geras Vergangenheit als Industriestadt erinnern. Besonders hervorzuheben ist dabei das Haus Schulenburg in der Straße des Friedens. Henry van de Velde, ein flämisch-belgischer Architekt, Designer und Mitbegründer des Bauhauses, der als einer der vielseitigsten Künstler des Jugendstils galt, baute es für den Textilfabrikanten Paul Schulenburg. Man erreicht die gleichnamige Haltestelle mit den Buslinien 10, 11 und 17. In dem aufwendig sanierten Bau ist heute ein Museum zum Schaffen van de Veldes untergebracht. Zudem ist Gera die Stadt mit den meisten Baudenkmälern aus der Zeit des Bauhauses in ganz Thüringen. Im Rahmen von Führungen können diese Gebäude erkundet werden.

Fotoarchiv Foto Marburg

Altenburg – Finale bei Skat, Senf und Bier

Von Gera aus starten wir auf der Piste 06 zur letzten Station unserer Thüringen-Reise. Um in den Endanflug der 04 des Leipzig-Altenburg-Airports zu gelangen, bedarf es nur einer sanften Kurskorrektur. Der Direktanflug wird ohne Umschweife genehmigt. Auf dem riesigen Gelände des ehemaligen Militärflugplatzes kommt man sich mit einem TMG regelrecht verloren vor. Aber kaum dass wir unsere Parkposition erreicht haben, steht ein Mitarbeiter des Platzes mit unserem Mietwagen vor dem Flugzeug. Vorab reserviert, bekommt man einen kleinen Flitzer mit 50 Freikilometern für nur 23,50 Euro! Den braucht man aber auch, denn in die Stadt sind es 15 Kilometer, und vom öffentlichen Nahverkehr wird der Flugplatz gar nicht bedient.

Anika Holtermüller

Bevor wir die Stadt erkunden, die jenseits der Landesgrenzen vor allem für richtig scharfen Senf und Bier in der Ploppverschluss-Flasche bekannt ist, gibt es mit der Flugwelt Altenburg-Nobitz einen verpflichtenden Programmpunkt. Direkt an den Flugplatzzaun angrenzend, zeigt das von einem Verein betriebene Museum die Entwicklung der Fliegerei von Ballonen und Luftschiffen über den Segel- und Motorflug bis hin zu den Hochleistungsjets der Zivil- und Militärluftfahrt. Zwei Kategorien von Infotafeln sind hier besonders erwähnenswert: Zum einen werden unter dem Titel "Altenburger Zeitzeugen der Fliegerei" jene Persönlichkeiten gewürdigt, die vor Ort gewirkt haben. Zum anderen porträtieren die Tafeln "Frauen in der Luftfahrt" Pionierinnen wie Marga von Etzdorf, Melli Beese, Hanna Reitsch oder Ulrike Flender. Weitere Besonderheiten der Ausstellung sind Flugzeugteile und Munition aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, die in der Umgebung des Flugplatzes gefunden wurden, ein Nachbau eines "Würzburg"-Radars der NS-Luftwaffe und Zeugnisse aus der Zeit, in der Nobitz ein Platz der Roten Armee und der Luftwaffe der NVA war.

Richtig spannend wird es auf dem Freige-lände: Hier stehen vor allem Militärflugzeuge und Hubschrauber, darunter Fiat G.91, MiG-21, North American F-86 Sabre, Suchoi Su-22 und F-104 Starfighter sowie Mil Mi-2, Kamow Ka-26 und Sikorsky S-58. Die größten Exponate sind der Seeaufklärer Breguet Atlantic und der taktische Transporter C160 Transall, die beide innen besichtigt werden können und nicht nur für große Augen sorgen, sondern auch durch ihren ganz besonderen Geruch in Erinnerung bleiben. Schließlich kann man auch ein paar Flugzeuge der Allgemeinen Luftfahrt besichtigen, darunter den legendären Doppeldecker Antonow An-2, Zlin Z-37 und das rumänische Ganzmetall-Segelflugzeug ICA IS-29.

Wir lassen die Flugwelt hinter uns und düsen in 15 Minuten ins Stadtzentrum, über dem das Schloss Altenburg thront, ein ehemaliges Residenzschloss der Herzöge von Sachsen-Altenburg. Das hier beheimatete Schloss- und Spielkartenmuseum zeigt neben der Stadt- auch die Kulturgeschichte des Hauses und seiner ehemaligen Bewohner im Spiegel der Dekaden, dazu Mobiliar, Alltags- und Kunstgegenstände. Eine Besonderheit ist das angegliederte Spielkartenmuseum, das den Aspekt von mehr als 500 Jahren Spielkartenherstellung am Ort genauso aufbereitet wie die globale Kultur- und Spielegeschichte. So werden Spielkarten als banaler Gebrauchsgegenstand ebenso gezeigt wie als grafische Kunstwerke. Dazu gehört zudem eine nachgebaute historische Kartenmacherwerkstatt. Wer selbst Hand anlegen und eine eigene Spielkarte gestalten will, kann das in einem Workshop der Schauwerkstatt tun. Angesichts der Tatsache, dass in Altenburg um 1813 das Skatspiel erdacht wurde, liegt auf diesem weltweit bekannten Strategie-Kartenspiel ein weiterer Fokus.

Wer genug Zeit mitbringt, sollte unbedingt an einer Schlossführung teilnehmen, denn viele der spannenden Räume sind nur so zugänglich. Mögen die pompösen Festsäle bereits für Staunen sorgen, gilt das für die prunkvolle Schlosskirche mit ihrer von Tobias Heinrich Gottfried Trost erbauten Orgel umso mehr. Johann Sebastian Bach höchstselbst soll das Instrument eingespielt haben. Über die Jahre arg in Mitleidenschaft gezogen, wurde es anlässlich der 1000-Jahr-Feier Altenburgs 1976 umfassend restauriert. Heute ist die Orgel regelmäßig für Konzerte im Einsatz, zudem kann man sich in der Schlosskirche trauen lassen.

Heimflug mit Sightseeing

Nach neun Tagen, sieben Flugplätzen und ungezählten Eindrücken heißt es nun den Heimweg Richtung Schwäbische Alb anzutreten. Aus 320 Kilometern zwischen Gera-Leumnitz, wo wir noch einmal Station machen, und der Hahnweide werden im Zickzack entlang von Sehenswürdigkeiten wie der Göltzschtalbrücke oder der Bleilochtalsperre sowie einem Besuch am Airport Hof rund 360 Kilometer Heimflug. Genug Zeit, alles Revue passieren zu lassen. Und zu der Erkenntnis zu kommen: Thüringen lohnt sich. Am Boden wie aus der Luft.

Anika Holtermüller
Lars Reinhold