Ruderflattern: Kritische Schwingungen

Ruderflattern
Ruderflattern: Kritische Schwingungen

Veröffentlicht am 15.01.2008
Ruderflattern: Kritische Schwingungen

Ruderflattern

Einmal erreicht, kann es das bittere Ende durch das Zerbersten der betroffenen Strukturteile bedeuten.
So brach während eines Loopings ein kunstflugtaugliches Flugzeug in Holzbauweise in einer für Überbeanspruchung ganz und gar untypischen Weise auseinander: Die gesamte Zelle zerbarst im Flug in viele kleine und mittlere Bruchstücke. Glück im Unglück: Der Pilot überlebte, wenngleich auch lädiert, nach Absprung mit dem Rettungsfallschirm.

Der erste Eindruck, dass eine Explosion an Bord stattgefunden hatte, bestätigte sich nicht. Die Materialuntersuchung ergab eine innere Zerrüttung der Bauteile. Der Grund dafür: Um die Aerodynamik zu verbessern, hatte der Vorbesitzer die leicht eingedellten Hauptfelder von Höhen- und Seitenruder mit Kunststoff-Autospachtel eingeebnet. Hierdurch ergab sich eine unzulässige Massenverteilung der Ruder, welche die zerstörerischen Flatterschwingungen verursacht hatte.

Flattern ist die strukturelle Antwort der Flugzeugzelle auf ein aerodynamisches Phänomen. Es kann bei den Rudern ebenso auftreten wie beim Leitwerk und den Tragflächen. Es entsteht durch Schwingungsüberlagerungen einer selbst erregten ungedämpften Schwingung eines Bauteils oder der Luftfahrzeugstruktur unter aerodynamischen Lasten. Die auslösenden Faktoren sind gradlinige Belastungen, Drehbewegungen, elastische Verformungen, ungünstige Massenverteilung, zudem instationäre Luftkräfte an schwingenden aerodynamischen Bauteilen.
Das Flattern ist deswegen so brandgefährlich, weil es, einmal angeregt, ohne Vorwarnung auftritt und innerhalb eines Augenblicks wichtige Bauteile wie etwa die Querruder zerfetzen kann. Auch neuzeitliche Konstruktionen sind gegen Flatterschwingungen nicht immun, zum Beispiel infolge von Materialermüdung oder unzulässigen baulichen Veränderungen.

Flattern kann selbstbegrenzend sein oder sich aufschaukeln. Im letzteren Fall reicht die Dämpfung nicht aus, die Luftströmung heizt die ungesunde Bewegung weiter an, nach wenigen Schwingungszyklen ist das Bauteil am Ende seiner Kraft und wird zerstört. Typisches Beispiel für das Flattern sind Biege- und Torsionsschwingungen der Tragflügel. Auch Höhen-, Quer- und Seitenruder können Flattererscheinungen zeigen.

Bei Flugzeugneuentwicklungen wird daher diesem physikalischen Phänomen besondere Beachtung geschenkt. Um das Risiko von Schwingungsbrüchen auszuschließen, sind Flattertests ein Schwerpunkt der Flugerprobung. Der Eindruck, dass dies alles sehr gefährlich ist, ist begründet. Dennoch, Luftzerleger infolge von Flatterschwingungen sind selten geworden. Bei der Entwicklung heutiger Flugzeuge fließen die fundierten Erkenntnisse der Aeroelastizität von Beginn an in die Entwicklungsarbeit ein. Die genauen Grenzen sind allerdings nicht präzise genug mathematisch zu ermitteln. Daher müssen die tatsächlichen Grenzbereiche in der Flugerprobung stufenweise geöffnet werden. Flatterschwingungen sind eine äußerst komplexe Thematik.

Viele Flugzeughersteller beauftragen für den zu erbringenden Flatternachweis eine der wenigen hierfür spezialisierten Stellen. Bei der Auslieferung eines Neuflugzeuges kann man davon ausgehen, dass Flatterschwingungen innerhalb der zulässigen Betriebsgrenzen ausgeschlossen sind. Das Restrisiko lässt sich mittels fachgerechter Wartung, Instandhaltung und Lackierung durch kompetentes Personal minimieren. Hält man sich zudem im Fluge konsequent an die vom Flughandbuch vorgegebenen Geschwindigkeitslimits, sollte man von Flattererscheinungen verschont bleiben.

Karl-Heinz Apel