Vor 40 Jahren: Mit der Porsche-Mooney um die Welt

Vor 40 Jahren
Mit der Porsche-Mooney um die Welt

Exklusiv
ArtikeldatumVeröffentlicht am 12.12.2025
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Mit der Porsche-Mooney um die Welt
Foto: Porsche Museum

Über dem Golf von Mexiko: Grün war nie meine Lieblingsfarbe. Auf dem Stormscope kann grün eine Horrorfarbe sein. Etwas Grün in kleinen Punkten – so wie jetzt gerade – ist nicht schlimm. Vor allem dann nicht, wenn der ATC-Controller sagt, dass außer Regen und uns nichts den Airway bevölkert. Es ist Tag und mäßig dunkel, wir fliegen in 9000 Fuß in undefinierbaren Wolken. "George" und "Käpt’n Kirk" erledigen die profanen Dinge des Fliegens, Hans döst auf dem rechten Sitz dahin, ich döse nur mit einem Auge – das andere beobachtet "Käpt’n Kirk", unser Omega-System, welches so gut mit Autopilot "George" zusammenarbeitet.

Unvermittelt im Gewitter

Wie ich nun so mit einem Auge döse, knallt mein Kopf gewaltig gegen das Kabinendach. Bevor ich "huch" zu Ende denke, bricht etwas über uns herein, was ich in dieser Form nur aus Horrorfilmen kenne: Das Stormscope ist quasi vollständig grün. Es blitzt. Nicht rechts oder links von uns, das kennen wir ja, und das beunruhigt nicht. Es blitzt direkt über uns. Ich kann auch den Donner hören. Wenn Blitz und Donner zeitgleich kommen, ist das die sichere Indi-
kation dafür: Du bist mittendrin. Der Meteorologe kann’s sicher besser erklären – das Ding muss sich gerade in unserer Wolke gebildet haben, sonst hätte das Stormscope vorher schon "Grünalarm" gegeben. Von Langeweile kann nun keine Rede mehr sein. Ich reiße die Gurte bis zur Schmerzgrenze fest und ziehe den Kopf bis zum Brustkorb ein.

Der Tanz geht los. Das Vario pendelt sich ein – immer Anschlag, 2000 Fuß Sinken oder 2000 Fuß Steigen. Der Autopilot hat mit einem verzweifelten Pieps seine Tätigkeit eingestellt. Immer wenn’s richtig ernst wird, übergibt er mit eben diesem Piepslaut an mich, ob ich das nun will oder nicht. Ich verstehe das – könnte ich nur so piepsen wie "George", er hätte sofort das ganze Ding. Ich kämpfe mit Flugzeug und Natur den Kampf meines Lebens, so etwas kam in meinen schlimmsten Träumen nicht vor. Unheimlich hart und trocken kommen die Turbulenzen. Da sitzt du und denkst, du rennst immer vor eine Mauer, das knallt wie verrückt. Vor meinem geistigen Auge fliegen die Nieten aus der Tragfläche. Was man da tut? Einfach überleben, den künstlichen Horizont irgendwo in der Nähe von gerade halten, die Geschwindigkeit irgendwo zwischen 80 und 140 Knoten halten, den Gashebel je nach Zustand zwischen Vollgas und Leerlauf hin und her stoßen, das verdammte Ding in der Luft halten, irgendwie.

Ein Ritt wie im Space Shuttle

Hans Kampik, das arme Schwein, sitzt rechts und kann gar nichts tun – außer herumfliegende Teile einzufangen, die Thermosflasche, Kameraobjektive, mehrere Bände Jeppesen. Alle denken wohl, sie würden Space Shuttle fliegen und schwerelos sein. Spätestens beim Aufprall auf meinen Hinterkopf sollte doch die dümmste Kaffeekanne wissen, dass wir (noch) nicht im All sind. Es tut nicht weh, später erst, als wir unsere (hauptsächlich seelischen) Wunden lecken, schwillt die Beule, brummt der Schädel vom Kaffeekannenaufschlag. Dies ist der härteste Fight, den ich je mit Flugzeug und Elementen ausgefochten habe – und ich möchte nicht mal Ähnliches je wieder erleben.

Über 500 Stunden haben wir jetzt überstanden – nicht ohne Schwierigkeiten, was auch nicht anzunehmen war. Und nach mehr als 80 000 Kilometern durch teilweise unwirtliche Welten, auf dem 1000-Meilen-Flug von Kerrville/Texas nach Lakeland/Florida, mitten über dem Golf von Mexiko, 150 Meilen vom nächsten Stück Land entfernt, da erwischt es uns. Der Film läuft ab, Berichte von im Gewitter zerbröselten Flugzeugen tauchen vor dem geistigen Auge auf. Wie wird unsere Motorelektronik auf Blitzeinschlag reagieren? Dinge, die ich so genau nicht wissen will.

Wohl 15 Minuten benutzt Mutter Natur uns als Spielball, fordert den Festigkeitsverbund unserer Porsche-Mooney und unseren Nerven das Letzte ab. Der Controller hat uns inzwischen eine "block altitude" von 7000 bis 10 000 Fuß zugeteilt – Spielraum, den wir reichlich ausnutzen. Regen trifft uns als homogene Masse – Tropfen, so groß wie Eimer, knallen an die Scheiben. Fast empfinde ich Mitleid mit dem Propeller, der mehr als Schiffs- denn als Luftschraube zu arbeiten hat. Schon erstaunlich, was das Hoffmann-Holz alles aushält – und aushalten muss. Unser Stormscope ist nutzlos – was soll’s denn anzeigen, wenn wir doch mittendrin sind? Es misst elektrische Entladungen und zeigt sie an. Damit kann man vortrefflich um die Gewitterzellen herumnavigieren. Nur: Wenn man der Mittelpunkt dieser Zelle ist, da wird’s dann ganz grün – vielleicht vor Scham, wer weiß?

Plötzlich ist alles vorbei

Und plötzlich wird es wieder ganz ruhig. In fast horizontaler Lage schießen wir aus der Wolke heraus, vor uns Sonnenuntergangshimmel in schönsten Farben, gerade so, als wollte uns jemand sagen: "Seht her, so schön ist diese Welt, ihr müsst nur kämpfen, nie aufgeben." Ein wenig ist mir, als wäre ich aus dem Grab gesprungen.

Im Flieger sieht es aus wie bei Hempels unterm Sofa: Alles was nicht niet- und nagelfest ist, liegt irgendwo herum, wo es nicht liegen sollte. Hans ist entgegen sonstigen überlebten Situationen genauso still wie ich. Keinem fällt ein erlösender Spruch ein. Still räumen wir das Cockpit auf, noch sind es 100 Meilen bis zur Küste. Die Nacht erdrückt den Sonnenuntergang. Bald darauf taucht Floridas Küste auf, stehen die Städte wie Computerspiele unter uns. Heute ist die Faszination des Nachtfluges nicht genug, um den Schrecken schnell vergessen zu lassen. Wir landen in Lakeland, nehmen die Taschenlampe und gehen die Nieten am Flieger zählen: Alle noch da! Wir streicheln sie, bevor wir gehen. Ich denke noch, wenn sie das nicht zerbröseln konnte, kann die Mooney ’ne Menge mehr ab, als sie muss.

Idee aus einer Schnapslaune

Etwa drei Jahre zuvor: Irgendwann, spätabends in Schnapslaune, überreiche ich meinem Freund Hans Kampik, mit dem ich schon manche Stürme abgeritten habe, den "Gutschein" für den Flug um die Welt. Natürlich haben wir beide noch keine Idee, woher Geld und Ausrüstung kommen sollen. Aber die Idee ist da. Also beginnen wir. Eine Mappe mit gesammelten Werken älterer Taten wird zusammengestellt, jede Menge Papier beschrieben, Beziehungen werden angezapft und neu geknüpft. Wer da glaubt, die Geldgeber stünden Schlange, nur weil Hans Kampik und Michael Schultz um die Welt fliegen wollen, irrt gewaltig. Es ist nach wie vor schwierig, auf einigermaßen anständige Art und Weise an fremder Leute Geld zu kommen.

Zwei Jahre Frust – außer uns fand unsere Idee keiner toll genug, um dafür richtig Geld lockerzumachen. Dann wurden erste zarte Bande zum Haus Porsche geknüpft. Mitte 1984 lag die Einladung nach Weissach auf dem Tisch. Wochen später klingelte das Telefon: grünes Licht. Zahllose Besuche schließen sich an. Es entstehen Kontakte zu Rothmans International in England und zu Shell. Bald ist also auch die Geld- und Benzinfrage zu aller Zufriedenheit geklärt. Die Wahl des Flugzeuges fällt nicht schwer – der beste Performer in dieser Klasse ist zweifellos die Mooney. Der Umbau auf den PFM 3200 findet beim Hersteller in Kerrville/Texas statt. Ein brandneues Tracor-7880-Omega-System wird für uns klargemacht, es erhält den Namen "Käpt’n Kirk". Stormscope, Super-Kurzwellenfunkgerät und Super-Autopilot ergänzen die Ausrüstung. Alles, was gut und zweckmäßig ist, wird eingebaut. Ein Kontakt zur Lufthansa wird hergestellt – eine Verbindung, die sich mehrmals als wertvoll erweisen wird. Minolta versorgt uns mit Kameras, Helly Hansen stellt Survival-Anzüge, JVC eine Profi-Videoausrüstung, Jeppesen hilft mit Kartenmaterial – kurz nachdem das Unternehmen Porsche uns für würdig befunden hat, geht alles verhältnismäßig leicht.

Start am 10. Juli 1985

Dann ist es so weit: 10. Juli 1985, kurz vor zehn Uhr. Großer Bahnhof in Donaueschingen. Unmengen an Gepäck und Ausrüstung finden Platz in der Porsche-Mooney. Ein letzter Blick unter die Haube, Abschied, Abflug, lndianergeheul im Cockpit – wir sind unterwegs! Abenteuer, wir kommen! Es wird ein Abenteuer, ein größeres, als wir eigentlich wollten ...

Grönland

Hans und ich haben den Flugplan von Reykjavik nach Godthaab aufgegeben, in der Hoffnung, dass die kleine Störung (wie die Meteorologen das nennen) über dem Eiskap sich wie vorhergesagt verhalten würde. Tut sie natürlich nicht, so dass wir – gemäß der alten Grönlandflieger-Weisheit "never touch a cloud", es sei denn, du möchtest als Eisklotz vom Himmel fallen – zwei Möglichkeiten zur Auswahl haben: entweder zurück nach Island oder in Kulusuk landen. Nun hasse ich zurückfliegen. Also landen in Kulusuk – was aber so einfach auch nicht ist, weil Kulusuk am Wochenende geschlossen ist. Normalerweise nimmt man das hier nicht so genau. Gegen Entrichtung der entsprechenden Gebühr macht man in diesem etwas entlegenen Teil der Welt schon mal eine Ausnahme. Diesmal nicht. Monoton kommt immer wieder die Mitteilung, der Platz sei geschlossen. Normal ist das nicht, schließlich ist Kulusuk der einzige Flugplatz im Umkreis von 450 Meilen. Aber Kulusuk hat einen neuen Flugleiter, einen von der Sorte, der gut von einem deutschen Kleinflugplatztower nach Grönland verbannt sein könnte. Und der beruft sich auf sein Buch, in dem steht, dass sein Flugplatz geschlossen ist. Hans und ich finden das recht unverschämt und reagieren gleich unverschämt: Wir melden eine "Precaution"-Landung an – da muss selbst der härteste Flugleiter passen. Der Flugplatz wird geöffnet.

Was für ein Blödsinn überhaupt, der Flugplatz wird "geöffnet". Das hört sich ja gerade so an, als würde die Landebahn abgeschlossen oder hochgeklappt. Jedenfalls landen wir – etwas abenteuerlich, da nur der Anfang der Bahn zu sehen ist, der Rest versteckt sich unter einer etwa 300 Fuß hohen Wolkenschicht, die auch die in der Gegend herumstehenden kleinen Berge dezent verhüllt. Hans, der zum ersten Mal in diesem Teil der Welt herumfliegt, sucht angestrengt nach der großen Landebahn, murmelt vor sich hin, die alte Landebahn hätte er schon entdeckt. Ich kläre ihn auf: Die "alte" Landebahn ist alles, was hier angeboten wird – ein Stück Gravelstrip in the middle of nowhere …

Der zweite Anflugversuch klappt, wir sind in Grönland. Die schweigsame Mannschaft begrüßt uns. Ich sehe Torben, der schon 20 Jahre hier lebt und jetzt Boss ist. Große Freude, schließlich haben wir vor Jahren die ersten Segelflüge über Grönland zusammen unternommen. "Wenn ich gewusst hätte, dass du das bist, hätten wir natürlich gleich ja gesagt."

Neben uns steht ein ganz seltener Vogel: eine Taylorcraft L-2M, Baujahr so etwa 1940, angetrieben von einem Continental A65-8, was im Klartext bedeutet, dass da "stolze" 65 Pferdchen unter der Motorhaube toben. Der Flieger in der Größe einer PA-18 kommt aus San Francisco und will nach Jerusalem. Wenn ich so was sehe, denke ich immer, ich bin gar nicht so verrückt. Torben erzählt eine Gruselgeschichte: Als der da über das Eiskap knatterte, erwischte ihn eine ausgedehnte Abwindzone. Und da mach mal was gegen, bei 70 Meilen Airspeed – etwa 110 km/h – und 65 PS, von denen in 9000 Fuß nicht mehr viele übrig bleiben. Also hat’s den Flieger aufs Eiskap gedrückt. Ken Hirschberg, Pilot dieses fliegenden Gartenstuhls mit Treibstofflager, machte das einzig Richtige: Immer in Bewegung bleiben – wenn’s erst mal anhält, steht es da für immer. Also rodelte er eine Meile oder mehr mit Vollgas und erhobenem Schwanz über das ewige Eis, bis der kleine Flieger wieder flog und sein "normales" Steigen – 100 Fuß pro Minute – hatte und irgendwann auch Kulusuk erreichte. Ein dufter Typ, bewegt sich im Rahmen seiner Möglichkeiten, hat den Flieger toll überholt, mit den erforderlichen Instrumenten vollgestopft und sich ins Land seiner Väter aufgemacht. Neben mir liegt Monate später seine Weihnachtskarte. Er hat es tatsächlich geschafft: vierzig Tage von San Francisco bis Jerusalem.

Mexiko

Mexico City steht auf dem Flugplan. Bewährungsprobe für "high and hot", immerhin liegt die Stadt mehr als 2000 Meter hoch. Der Weg dahin ist mit Bergen gepflastert, die sich vornehm in Wolken hüllen. Der höchste, der Popocatepetl, liegt gar nicht so weit weg vom Kurs – wir sehen ihn nicht. Was ich aber sehe, allerdings im wirklich letzten Moment, ist ein schwarzer Punkt auf der Scheibe. Der wird mit unglaublicher Geschwindigkeit größer. So klein ist eine DC-9 ja nun wirklich nicht. Nur ziemlich schnell, wenn sie genau auf dich zufliegt. Die Frage, warum der denn genau auf Kollisionskurs in unserer Höhe fliegt, erscheint im Moment eher unwichtig. Der macht nämlich auch keinerlei Anstalten, irgendwohin auszuweichen. Mache ich dafür. Nur, wenn du 150 Knoten fliegst und der andere 450 – da denkst du, du stehst. Zeit, Hans zu warnen, der gerade irgendetwas in der Kabine sucht, bleibt auch nicht. So einen schönen Abschwung hab ich noch nie mit der Porsche-Mooney geflogen. 1000 Fuß tiefer fange ich ab. Hans stößt spitze Schreie aus und beschimpft mich – bis er den
wieder entschwindenden Punkt sieht ...

Tage später, Start in Mexico City, abenteuerliche Angelegenheit: Luftdichtehöhe so bei 9000 Fuß, Windstille. Wir beobachten die Jets, die sich auf der viereinhalb Kilometer langen Rollbahn davonquälen. Da wird’s uns nicht viel besser gehen. Schon erstaunlich, wie schnell man Meter um Meter auffrisst. Nach etwa anderthalb Kilometern bequemen sich unsere Flügel, ausreichend Auftrieb zum Verlassen von Mutter Erde zu erzeugen. Fahrwerk rein, Klappen rein – für die nächste halbe Stunde vergesse ich einfach mal, dass die 5300 Umdrehungen nur Startleistung für fünf Minuten sind. Der Start dauert eben ein bisschen länger. Es dauert eine halbe Stunde, bis wir endlich die erforderlichen 12 000 Fuß erreichen. Die Berge weichen nicht von der Stelle, haben kein Mitleid mit dem Non-Turbocharged-Flieger.

Kuba

... wo Fidel Castro und seine Kommunisten das Zepter führen. Man empfängt uns in deutscher Sprache, wir staunen nicht schlecht. Da macht’s doch keinen Unterschied, ob das Deutsch im Goethe-Institut oder Berlin-Ost gelehrt wurde, man versteht sich und ist mehr als nur höflich. Eine Stunde geistern wir im Taxi durch La Habana, bis den Freundinnen unserer neuen Freunde etwas einfällt: Sie bedeuten uns mitzukommen, was so einfach auch nicht ist. Ich spreche kein Spanisch und die kein Englisch, geschweige denn Deutsch. Irgendwann begreife ich, dass wir über ein etwa drei Meter hohes Eisengitter klettern sollen. Hm, na ja. Wir stehen vor einem Prachtbau aus der Kolonialzeit, klettern über die rostige Feuerleiter drei Stockwerke hoch aufs Dach. Da steht noch eine Hütte drauf.

Ein kleiner, zerknitterter Herr, so um die 50, bekleidet mit einer Turnhose, empfängt uns. Er spricht Englisch. Nach kurzer Zeit erfahren wir, dass er Mathematik-Professor ist, den Beruf wegen mangelnden Einkommens aber nicht ausübt und nun Totengräber ist. Das Leben geht seltsame Wege ...
Es wird eine fantastische Nacht – hoch über den Dächern La Habanas. Irgendjemand hat etwas Geistiges zu trinken organisiert. "Life is still a big fiesta. We are Caribbeans, egal ob kommunistisch oder nicht." Was spielt es da für eine Rolle, ob man die Sprache versteht oder nicht – man versteht sich eben. Irgendwann geht die Sonne auf. Ich stehe auf dem Dach und sehe, wie La Habana erwacht. An sich wollen wir heute weiterfliegen – egal, wir bleiben noch einen Tag.

Venezuela

Unser Urwaldflugplatz Canaima verbirgt sich unter einem tropischen Regenschauer. Das sagt sich so leicht. Für die "Nichttropischeregenschauererfahrenen" bedarf es da doch einer kleinen Erklärung: Die Tropfen eines solchen Regens haben etwa Fußballgröße, was aber nicht erkennbar ist, weil man sowieso nichts mehr sieht. Das knallt an der Scheibe, als würde einer mit Mauersteinen werfen. Da denkst du, du bist im U-Boot und möchtest das Periskop ausfahren. Kurz gesagt: Tropische Regenschauer sind absolutely no fun. Und hinter einem solchen versteckt sich Canaima. Null Chance, dort zu landen, hilfreiche Einrichtungen wie ein Instrumentenanflugverfahren gibt’s da nämlich nicht. Betretene Gesichter an Bord. Um das Maß vollzumachen, wird’s auch noch dunkel. Wenn da nicht gleich eine göttliche Fügung eingreift, heißt’s zurück nach Carracas – auch kein Spaß, weil inzwischen überall mächtige Cumulonimben mit Blitzen herumwerfen.

Als ich links aus dem Fenster sehe, fliegt da eine viermotorige göttliche Fügung in Form einer Lockheed Electra herum. Ich vergaß zu erwähnen, dass wir keinen Funkkontakt bekommen. Später stellt sich heraus, dass man uns eine falsche Frequenz gegeben hatte. Also, ich denk’ mir, wenn der da rumkurvt, hat er sicher einen Plan. Außerdem ist davon auszugehen, dass er sich hier besser auskennt. Ich lass ihn folglich nicht mehr aus den Augen. Plötzlich setzt die Electra Kurs in die Richtung, wo wir den Platz vermuten – mitten hinein in die Sintflut. Wir hinterher, hängen uns frech an seinen Schwanz. Einen Moment lang funktioniert das, dann verschlingt ihn der Regen. Unsere Instrumente zeigen, dass wir kurz vor dem Platz sein müssen. Mir ist nicht wohl, die Hände sind feucht. Trotzdem halte ich eisern den Kurs, sinke vorsichtig. Und dann sehe ich etwas Landebahnähnliches vor mir. Ich denke, dass der große Flieger bereits unten ist, setze unsere Porsche-Mooney ganz vorne auf. Das Wasser spritzt zu allen Seiten, wir schlittern herum.

Aber was ist das? Die Electra ist weg. Spurlos verschwunden. Was tun? Vollgas, runter von der Bahn, alles Licht anlassen, irgendwo muss sie ja wieder auftauchen. Dann sehen wir den großen Vogel: Die Electra kommt aus der anderen Richtung aus dem Regenschleier! Der Käpt’n sieht uns, kann wohl bei der miserablen Sicht nicht ganz klar ausmachen, dass wir schon von der Bahn sind – und startet wieder durch. Sicher kein Vergnügen bei den Verhältnissen. Mir tut’s leid. Nun hat er uns den Weg gezeigt und darf selbst noch einmal. Wir wetzen von der Bahn, kurze Zeit später steht die Viermot neben uns. Der Käpt’n ist nicht so sauer wie erwartet. Ich erkläre ihm, wie wir uns das eigentlich gedacht hatten. In diesem Teil der Welt ist man sich nicht böse, wenn’s darum geht, seinen Hintern und den Flieger aus der Gefahrenzone zu bringen.

Zwischen Brasilien und Senegal

Die Lichter des Flughafens von Natal liegen unter mir. Ich erhalte die Freigabe, gehe direkt auf Kurs – und dann liegt auch schon das große schwarze Wasser unter mir. Mühsam krabbelt die schwerbeladene Porsche-Mooney in die Nacht. 5000 Fuß habe ich mir für die ersten Stunden vorgenommen. Das Omega beginnt zu spielen, die Kurzwelle knackt und knistert wie gewohnt. Ich beobachte angespannt, aber wieder mal fasziniert, die kleinen Lichter und Zeiger im Panel. Alles steht da wie immer an der richtigen Stelle.

Nachtflug – faszinierendste Fliegerei, die ich mir vorstellen kann. Die See liegt bleiern unter dir, über dir der klare Sternenhimmel. Du tauchst in Wolken ein und wieder aus, siehst, wenn du Glück hast, hin und wieder die kleinen Lichter eines Schiffes, Signal für Leben in lebensfeindlicher Umgebung. Auch wenn die Gefühle gemischt sind ob des großen Wassers vor mir: Wenn das spärliche Licht der Instrumente Nachtflug signalisiert, dann ist das immer ein wenig wie in der Kirche. Single-Engine-Nachtflug, tausende Meilen über Wasser. Vernünftig ist das nicht. Aber es gibt dir Eindrücke, die du sonst nie haben wirst. Dafür bezahlst du einen Preis. Der niedrigste ist etwas Angst. Die hilft dir, weil sie dich nicht müde werden lässt, dich mahnt, alle zehn Minuten deinen Blick über die Uhren im Panel schweifen zu lassen. Das Boot ist jetzt dein bester Freund, angebunden am Flieger. Und am Boot angebunden all das, was dir im Zweifelsfall das Leben retten soll. Das Messer ist am Bein angebunden. Wenn der Flieger absäuft, muss das Boot ja nicht mit verschwinden, also schneidest du es besser vorher ab. Nur: Vergiss nicht, es dann wieder an dir selbst festzubinden. Es muss grausam sein, es davonsegeln zu sehen, viel schneller, als du schwimmen kannst.

Langweilig ist lange alleine zu fliegen nie, für mich jedenfalls. Da kommt man mal wieder dazu, die Gedanken sorgfältig zu sortieren, sie fliegen zu lassen, sich selbst zu besinnen. Da kommt dann Dankbarkeit auf. Dafür, dass ich das Glück habe, diesen Wahnsinnsflug machen zu dürfen, dafür, dass Menschen mir vertrauen, mir das Produkt jahrelanger Arbeit anvertrauen, mir auch ein bisschen das Gefühl geben, Teil eines großen Projektes zu sein, etwas zum Gelingen beitragen zu können. Alles ist möglich, und umsonst gibt es nichts. Wenn du die Nase in den Wind hältst, nimmst du den Geruch von draußen war. Manchmal holst du dir eine blutige Nase. Das heilt wieder, so geht das Spiel. Dafür brauchst du nicht zu neiden, was andere tun. Du tust es selbst. Stunde um Stunde verrinnt. Die Unruhe wächst. Zu sehr hat mich die vorangegangene tropische Front beeindruckt. Aber das Stormscope, zuverlässiger Warner der gefürch-
teten Gewitterzellen, bleibt ruhig, wenig feindliches Grün ist zu sehen. Alle halbe Stunde gebe ich Position und "operations normal" über Kurzwelle durch. Die Brasilianer in Recife bestätigen mit "Carlie Charlie" (copied and confirmed); du bist nicht allein, das HF ersetzt das laute Singen im dunklen Wald gegen die Angst.

Der Plan funktioniert, nach einigen Stunden ruft mich die in São Paulo gestartete German-Cargo-Besatzung, meine Verbündeten gegen das Wasser und die Nacht. Und sie haben gute Nachrichten: Die tropische Front ist nicht sehr aktiv, keine Gefahr für meinen kleinen Flieger. Alle halbe Stunde melden sie sich wieder. Irgendwann verliere ich sie dann. Die Götter der Aviatik aber sind mir wohlgesonnen: Die LH-Maschine von Rio nach Frankfurt meldet sich. Neue Wetterberichte – ermutigende – kommen in kurzer Folge.

Die Nacht weicht dem Tage, neben mir schleicht ein roter Streifen Sonnenlicht langsam den Himmel hoch, lange bevor die Sonne aufgeht. Die Zeit, in der du aufpassen musst, nicht doch mal kurz einzunicken. Der erlösende Augenblick: Plötzlich taucht Afrika aus dem Dunst auf – ein neuer Erdteil liegt vor mir. Die Müdigkeit nach 14 Stunden Flug und weiteren sechs Stunden davor weicht dem Glücksgefühl. Jetzt kann mir keiner mehr, ich bin über der Küste. Über 3000 Kilometer Wasser sind überstanden. "Cleared to land!"

Porsche Museum

Abflug aus dem Kongo

Auf geheimnisvolle Art und Weise bekommen wir doch noch eine Starterlaubnis und beschließen ab sofort Funkstille, denken uns: Wir tun mal so, als wären wir gar nicht mehr da, schleichen uns knapp unter der Wolkenbasis aus dem Kongo. Dort kann man ja notfalls eine Weile Verstecken spielen. Bald wird es Nacht. Die Stimmung an Bord ist gespannt. Wir navigieren nur mit dem Omega, halten die 150 Meilen Entfernung zum Land, die Positionslichter sind aus. Was soll man tun in dieser verrückten Welt? Manchmal fliegst du dann doch wie ein Pirat in der Gegend herum – oder halt gar nicht. Sorgfältig halten wir Ausschau nach "feindlichen" Flugzeugen. Dann schlägt der Puls eine Weile sehr schnell, als wir eine riesige Flotte von Fischtrawlern überfliegen. Wir können sie eine ganze Weile nicht als Schiffe erkennen, denken, wir sind doch wieder über Land geraten. Dann sehen wir fluoreszierende Streifen im Wasser, leuchtendes Plankton, aufgewühlt von den Schiffsschrauben.

Zimbabwe

Hans Kampik und ich liegen auf den Betten. Die Stimmung ist muffig bis unfreundlich. Wir beschließen ein kleines Wirkungstrinken. Die Bar ist brechend voll. Beim zweiten Whiskey spricht mich ein großer Mensch an. Ob wir zu dem Porsche-Rothmans-Flieger gehören, der auf dem Flugplatz steht? Ist nicht schwer zu erraten, schließlich steht das groß auf unserer Kleidung. Ob wir Probleme haben, fragt der Herr. Reichlich, erkläre ich und schildere unsere Situation. Keine Genehmigung für Malawi, keine Genehmigung für Kenia und für Äthiopien – da kommt wenig Freude auf. "Kenia? Call this number", kommt die Antwort. Ich guck’ ihn an, als wäre er der Froschkönig. Hans greift sich die Telefonnummer – und kommt fünf Minuten später zurück, grinst über alle Backen: Wir dürfen!

Inzwischen hat sich unser Gegenüber vorgestellt. Ken Krabtree von de Havilland of Canada, Repräsentant für Afrika. Kennt Gott und die Welt und speziell die Leute, mit denen wir zu sprechen haben. "Any more problems?" Yes, Sir, Äthiopien zum Beispiel. "Call this number." Hans kommt zurück – Äthiopien ist ebenfalls geregelt. Es ist unglaublich – monatelange Bemühungen auf dem normalen Dienstweg führen zu nichts. Dann gehst du in die Bar, mit dem festen Vorsatz, den Ärger zu ertränken, in dem Wissen, dass das Vergessen nur von kurzer Dauer ist und der Kopf dafür am nächsten Morgen schmerzt. Und dann taucht ein Mensch wie Ken Krabtree auf und löst alle Probleme mit einem "Call this number". Das Abendessen geht auf unsere Rechnung.

Addis Abeba/Äthiopien

Gedanken mache ich mir über unseren Start. Unser kleines Zaubergerät im Omega-System zeigt schlaffe 11 000 Fuß Luftdichtehöhe an. Da bleiben von unseren stolzen 212 PS nur noch ein paar kranke Ponys über … Getankt wurde nur etwas mehr als notwendig. Jetzt wird wirklich jedes Kilo zur echten Belastung. Wir bauen uns einen Meter vor dem Pistenanfang auf, kein Zentimeter wird verschenkt. Start abbrechen bei halber Bahnlänge ist auch nicht. Ich habe so eine Ahnung, dass wir einen erheblichen Teil der 15 000 Fuß brauchen werden. Die Verbrauchsanzeige signalisiert wenig Erheiterndes: Während wir bei Luftdichtehöhe null und Standardtemperatur beim Start so um die 70 Liter pro Stunde durch die K-Jetronic jagen, tröpfeln da jetzt gerade noch 40 Liter durch – ein sicheres Anzeichen dafür, dass wir nicht alle Pferde im Stall haben.

Mit feuchten Händen – nicht wegen der Hitze – löse ich die Bremsen. Unsere Maschine setzt sich äußerst unlustig in Bewegung. Meter um Meter des schwarzen Asphalts fressen wir auf, beobachten gespannt den Fahrtmesser: 69 – 75 – 78 – 80 Knoten – endlich Abhebeversuch. Gelungen. Fahrwerk rein, Klappen rein – alles, was stört. Nun denke ja keiner, dass man non-turbo bei 11 000 Fuß density altitude wirklich fliegt, wenn man abgehoben hat. Der Flieger eiert im Bodeneffekt dahin, der kleinste Zug am Höhenruder wird mit quäkender Überziehwarnung beantwortet. Da versuchst du, mehr Fahrt auf-
zubauen und gleichzeitig den Bäumen auszuweichen. Hans sieht das mal wieder ganz anders, klopft mir fröhlich auf die Schulter, als das Fahrwerk eingefahren ist. Er meint, wir hätten es geschafft ... Ich reagiere sauer, da fürchterlich angespannt. Ich spüre, wie der Flieger sich quält. 15 Minuten, die man nicht vergisst.

Indien

Über 300 Flugstunden haben wir nun abgesessen. Zu unserer Maschine haben wir inzwischen grenzenloses Vertrauen. Als immer angenehmer erweist sich die Einhebelbedienung unseres Porsches – besonders dann, wenn sich Hektik im Cockpit breitmacht, wenn mal wieder ein haariger Instrumentenanflug vor mir liegt oder die Gewitter nach uns greifen. Laut nach vorne und leise nach hinten – keine Gefahr, im Stress einen Hebel zu vergessen oder versehentlich statt der Propellerverstellung den Mixer zu ziehen.

Neuguinea

Etwa 100 Meilen noch bis Biak. Wir vertreiben uns die Zeit mit Kaffeetrinken, rauchen ein Zigarettchen. Die Welt ist in Ordnung. Zu sehen gibt’s ... nichts? Hans stößt plötzlich Laute aus. Ich sehe ihn an. Erstarrt sitzt er neben mir, deutet mit der Hand aus dem Fenster. Wenn ich sage, mir bleibt das Herz stehen, ist das nicht übertrieben. Ich hab’ schon eine ganze Menge erlebt, hab manches Mal gedacht, das war’s, ade, du schöne Welt. In solch’ einer Situation aber war ich noch nie: Vielleicht 500 Meter rechts von uns ist ein kleines Wolkenloch. Und in diesem Loch ist ein Berg. Ein hässlicher, mit Felsen übersäter, schwarzer Berg, der senkrecht von unten in die Wolke ragt und genauso senkrecht nach oben verschwindet. Nach vorne und nach links ist null Sicht. Und 500 Meter weiter rechts steht ein Berg. Cumulus Granit in Reinkultur.

Dann tut sich für ganz kurze Zeit etwas nach unten auf. Ich sehe Bäume, viel zu groß. Mehr als ein paar hundert Fuß sind wir nicht drüber. Eine scheußliche Falle, wir fliegen im Tunnel, haben keine Ahnung, was vor uns ist. Wo soll ich hinfliegen, wo steht der nächste Berg? Rationales Handeln fällt unglaublich schwer, ich bin wie gelähmt. Aus Hans’ Gesicht ist jede Farbe gewichen, ich sehe sicher auch nicht besser aus. Wie kommen wir hier wieder raus? Das Schlimmste ist: wenn du auf den großen Knall wartest und nicht weißt, wann er kommt. Dein Verstand wehrt sich dagegen. Das kannst doch nicht du sein, das muss ein schlechter Traum sein, der gleich zu Ende ist. Du wachst auf, schweißgebadet zwar, aber doch unversehrt. Ich wache nicht auf. Die Berge sind immer noch da – nicht zu sehen. Hinterlistig in Wolken versteckt lauern sie und wollen uns und unser kleines Flugzeug vernichten. Patricia fällt mir ein: "Fliegt da nicht hin, die Berge ..."

Gelacht haben wir. Berge sind Berge, da fliegt man drumherum oder drüber hinweg. Nur dumme, leichtsinnige, unerfahrene oder überhebliche Piloten fliegen gegen Berge. Ich entscheide mich für überheblich, weil ich gelacht habe, als sie mich so eindringlich warnte … Ich versuche, nicht gelähmt zu sein. Ich weiß jetzt, wie dem Kaninchen vor der Schlange zumute ist, verstehe, dass es starr vor Angst auf den tödlichen Biss wartet. Reiß dich zusammen, verdammt noch mal! Das sichere Ende ist das immer noch nicht. Noch fliegen wir, haben ein ganz klein wenig Luft unter dem Rumpf.

Genau weiß ich nicht mehr, was ich dann getan habe. Ich glaube, ich habe ganz laut gebrüllt, dann versucht, das Hirn unter Kontrolle zu kriegen, ihm befohlen, logisch zu denken, mir die rettende Idee zu geben, und zwar plötzlich. Gegenkurs – das ist die Idee. Von dort sind wir gekommen und nirgends hängengeblieben. Omega hilf! Du kannst den Wind ausgleichen, der uns vielleicht etwas versetzt hat, den wir aber in der Wolkenwaschküche unmöglich abschätzen können. Die Götter der Elektronik haben das Omega mit dieser Gabe ausgestattet. Fünf Minuten Gegenkurs, dann Kreisen auf der Stelle, Steigen mit dem Gashebel ganz vorn. Fünf Minuten Beschränkung auf 5300 Umdrehungen – wie egal mir das jetzt ist. Der Motor sitzt schließlich ganz vorn und verbiegt sich zuerst am Berg, also muss er ein Einsehen haben, muss das einfach für die nächste halbe Stunde durchhalten. Kreisen auf der Stelle in 10.000 Fuß Höhe, bei einer Luftdichtehöhe von fast 12 000 Fuß. Dazu der Umstand, dass der Flieger bis zum Stehkragen beladen ist – viel Steigen bleibt da nicht.

Trotzdem, jeder Kreis bringt ein paar Füßchen. Ich wage, den Radius ein wenig größer zu fliegen, das Steigen wird etwas besser. Zwischendurch sehen wir Grund, vielleicht 1000 Fuß unter uns. Aus der Karte weiß ich, dass die offene See 40 Meilen südlich liegt. Dort müssen wir hin! Nach schier endlos scheinender Zeit brechen wir in 14.000 Fuß ab und zu mal aus den Wolken, können sehen, wo die Berggipfel stehen – immer noch viel höher, als wir fliegen, aber immerhin. Bevor wir wieder in die Wolken fallen, können wir den Kurs abstecken, um die Gipfel herum, Richtung offene See. Wir mogeln uns durch, versuchen Funkkontakt herzustellen. Jemand meldet, dass die Mindestsicherheitshöhe 13.500 Fuß beträgt. Ich brülle stinksauer zurück: Wir sind inzwischen 14.000 Fuß hoch, und die Gipfel sind immer noch viel höher als wir. Jemand anders meldet sich, sagt uns die richtige Zahl: 16.500 Fuß. Da kommen wir mit unserem Gewicht nie hin.

Aber Hoffnung haben wir wieder. Immer öfter gelingt es uns, kurz über die Wolken zu kommen, uns neu zu orientieren. So kommen wir langsam, ganz langsam, Richtung Küste – dorthin, wo die Berge flacher werden und irgendwann ganz verschwinden. Dann, nach wohl 30 Minuten, haben wir die hoffnungslos erscheinende Situation gemeistert. Die See liegt unter uns. Aber kein Jubel, kein Freudengeschrei, nur Stille, absolute Stille an Bord. Sicher, wir haben wahrscheinlich in dieser Situation das einzig Richtige getan. Aber irgendjemand hat für uns den Fuß zwischen das Höllentor gestellt. Später sehe ich mir die topografische Karte genauer an. Noch einmal läuft uns ein eiskalter Schauer den Rücken herunter: Wir sind zwischen 16.000 Fuß hohen Bergen in 10.000 Fuß herumgeflogen, in Wolken. Glück, unwahrscheinlich viel Glück, war da im Spiel.

Von Honolulu nach Kalifornien

Wie ich da so vor mich hinfliege, etwa 10.000 Fuß hoch, kleinere Gewitter umfliegend, den Sternenhimmel bewundere, den Sternschnuppen fasziniert nachsehe und über Sinn und Unsinn des Lebens philosophiere, also an nichts Böses denke, kotzt der Motor einmal. Ganz kurz nur, vielleicht eine Sekunde. Aber das ist, als würde dir jemand einen Eisklotz in den Magen rammen. Literweise Adrenalin wird in die Adern gepumpt, ein elektrischer Schlag durchzuckt den Körper. Nicht hier, bloß nicht hier, genau 1000 Meilen in jeder Richtung vom nächsten Land entfernt. Alle Uhren werden überprüft. Alle Zeiger stehen da, wo sie stehen sollen. Die Augen beißen sich an den Instrumenten fest. Steht da nicht doch eines anders als vorher? Natürlich nicht. Eine Stunde, die mir wie ein halbes Leben vorkommt, passiert rein gar nichts.

Dann tut er es noch einmal. Mir ist ausgesprochen unwohl, ich rufe New York Arinc und teile mit: "I call you every 15 minutes for operation normal." Frage des Controllers: "Why that?" Antwort: "Mein Motor hat gerade zweimal gekotzt." Controller: "Oh, that’s bad. Wie viele Motoren hast du denn?" Ich: "Only one." Controller: "Oh, that’s really bad!" Ich habe so eine Ahnung, dass das etwas mit dem defekten Tankschalter zu tun hat, und schalte auf einen anderen Tank. Das war’s denn auch, von da an herrscht wieder die gewohnte Ruhe im Cockpit. 15,5 Stunden später begrüße ich alte Freunde in Kalifornien.

MARC ULM

Donaueschingen

Etwa drei Wochen später, im Januar 1986, begrüßen die beiden Weltumflieger in Donaueschingen noch jede Menge weitere Freunde. Die Mission ist erfüllt, die Porsche-Mooney hat sich bestens bewährt. Michael Schultz’ Ehe – das nur am Rande – hat das Abenteuer leider nicht überstanden, seine Freundschaft zu Hans Kampik ging ebenfalls in die Brüche. Schultz war seinerzeit trotzdem zufrieden. Um es in seinen Worten zu sagen: "Manchmal holst du dir eine blutige Nase. Das heilt wieder – so geht das Spiel."