Bei meiner Ankunft am Flughafen St. Gallen-Altenrhein am Schweizer Ufer des Bodensees haben die Mechaniker der Centennial Aircraft Services AG die WACO bereits aus der Halle gerollt. Die silber-schwarze Lackierung glänzt, liebevoll poliert, in der Morgensonne. Andreas Züblin, Accountable und Maintenance Manager und verantwortlich für die Demoflüge, hat mir angeboten, die modernisierten Versionen der Classics WACO YMF-5 und der Great Lakes 2T-1A-2 zu fliegen. Meine Eindrücke von der Great Lakes habe ich in der Januarausgabe geschildert, heute ist die WACO dran. Mein Fluglehrer, Oliver "Oli" Bachmann, verschwendet keine Zeit und beginnt gleich mit der Einweisung für den Flug mit dem bulligen Doppeldecker.

Autor Stefan Löfgren (rechts) hat sich beim Probeflug mit der WACO ins goldene Zeitalter der Luftfahrt zurückversetzen lassen.
Wiedergeburt mit vielen Verbesserungen
Eine WACO war schon in den 1930er Jahren ein nicht ganz preisgünstiges Vergnügen, schließlich galt die YMF-5 als eine der besten Flugmaschinen ihres Jahrzehnts. Es war daher kein Zufall, dass ausgerechnet sie für die Wiederauferstehung ausgewählt wurde. Allerdings wäre es unklug gewesen, eine neue Version zu bauen, ohne die technischen Fortschritte seit 1935 zu nutzen. Raum für optisch dezente Verbesserungen gab es reichlich.

Die gar nicht mehr so neue Neuauflage des Klassikers wurde dezent modernisiert.
Modern, sicher und trotzdem ein Klassiker
So finden sich unter der Haut des klassischen Doppeldeckers moderne Fertigungstechniken und zum Teil auch neue Materialien. Der Stahlrohrrumpf aus einer modifizierten Legierung ist jetzt von innen und außen gegen Korrosion geschützt. Die Flügelholme bestehen aus Sitka-Fichte, die für ihre Festigkeit bekannt ist. Als Bespannung kommt strapazierfähiges Ceconite zum Einsatz. Auch Bremsen, elektrische Anlage, Instrumentierung und Kabinenheizung sind auf der Höhe der Zeit, zudem wurde der Rumpf verbreitert. Ziel der Ingenieure war es, die moderne YMF-5 so sorglos, sicher und zuverlässig wie möglich zu machen. Die Mitarbeiter der WACO Aircraft Corporation in Battle Creek, Michigan, benötigen mehr als 6000 Stunden, um eine YMF-5 in einer Kleinstserie zusammenzubauen: 2022 haben sie vier WACOs fertiggestellt, bis Sommer 2023 fünf.

Jede einzelne WACO entsteht in den USA in mehreren tausend Stunden liebevoller Handarbeit. Das sieht man ihr auch an.
Ordentlich Power
Bei der Leistung hat der Hersteller nochmal eine ordentliche Schippe draufgepackt: Waren früher 225 Pferdestärken am Werk, liefert der 12,4-Liter-Siebenzylinder-Sternmotor Jacobs R775 heutzutage 300 PS an den Zweiblatt-Holzpropeller von MT. Der Motor ist von einer NACA-Verkleidung umgeben, einer Erfindung aus den 1920er Jahren, die den Luftwiderstand reduziert und die Kühlung verbessert. Die Ventilstößel mit ihren Abdeckungen sind unter 14 tropfenförmigen Höckern untergebracht. Es ist eines der liebevollen Details, die die WACO auszeichnen.
Ein Klassiker mit digitalem Cockpit
Über den unteren Flügel und eine Stufe in der Rumpfseite erreiche ich das hintere Cockpit und lasse mich in den geräumigen Sitz hinab. Der Holzboden wirkt wie Parkett, so edel, dass ich einen Moment zögere, ihn zu betreten. Die Verarbeitung, außen wie innen, gehört zur Oberklasse. Sofort fühle ich mich wohl. Ich registriere die Höhenruder-trimmung und den Hebel zum Ein- und Auskuppeln des Spornrads auf der linken Seite, ebenso die Einheit mit Gas, Gemisch und Vergaservorwärmung. Die Schalter für die elektrischen Verbraucher befinden sich auf der linken Seite des Panels. Der Blick fällt auf das zentrale Zehn-Zoll-Display des Garmin G500, umrahmt von einem GTN 750 auf der rechten und einem GTN 650 auf der linken Seite. Ein JPI EDM 930 zeigt die Motordaten an. Praktisch, aber für mein Empfinden wäre ein analoger Uhrenladen in diesem Flugzeug passender als ein EFIS.

Die moderne Garmin-Avionik könnte man durchaus als Stilbruch in einem Klassiker wie der WACO bezeichnen. Praktisch ist das Paket trotzdem.
Hinten der Pilot, vorne zwei Passagiere
Andererseits bietet ein modernes Bildschirm-Setup so viele Vorteile, dass die Ästhetik vielleicht doch zurücktreten muss. Oli entscheidet sich für den Vordersitz, der zumindest Steuerung, Gashebel sowie Fahrt- und Höhenmesser bereithält. Bevor er einsteigt, erklärt er mir, wo sich alles befindet und wie man die sieben Zylinder zum Leben erweckt. Das Schöne am vorderen Sitz ist, dass man auf der breiten Sitzbank auch zwei Personen mitnehmen kann, was die WACO YMF-5 einst zu einem beliebten Vehikel für Rundflüge machte. Da der Platz unter der Tragfläche begrenzt ist, wurde der Rumpf für einen leichteren Einstieg mit einer Kabinentür versehen.

Eine Tür im Rumpf erleichtert den Einstieg auf den vorderen Sitz, der Platz für zwei bietet. Der Pilot dagegen fliegt vom hinteren Sitz aus.
Sternmotor mit tollem Sound
Die beiden Treibstofftanks befinden sich mittig im oberen Flügel. Die Ein/Aus-Ventile sind rot lackierte T-Griffe, je einer neben meinem linken und rechten Knie. Beim Anblick des wuchtigen Steuerknüppels frage ich mich, ob ich mit diesem Biest gleich einen Ringkampf bestreiten muss, um ihn an die gewünschte Position zu bringen. Ich werde es herausfinden. Die Checkliste führt über die Punkte Hauptschalter, Navigationslichter, Zündmagnete und Gemischregler zu einem siebensekündigen Lauf der elektrischen Zündung. Den Zündschlüssel auf "Start" gedreht, erwachen die sieben Zylinder zum Leben. Bei 800 bis 1000 Umdrehungen pro Minute läuft der Motor warm. Bereits diese Wartezeit im Leerlauf ist ein Genuss für die Ohren. Während des Konzerts sinniere ich über meinen Plan fürs Rollen und den Start.
Verbessertes Rollverhalten
Der Hebel zur Verriegelung des Spornrads sollte vor dem Rollen nach hinten geschoben werden ("Engage"). Das erlaubt ein paar Grad Ausschlag in beide Richtungen, sorgt aber dafür, dass sich das Heck gutmütiger verhält. Das Heckfahrwerk wurde im Vergleich zum Original angehoben, um die Nase nach unten zu bringen und somit eine etwas bessere Sicht nach vorne zu ermöglichen. S-Kurven sind aber noch immer erforderlich, um zu sehen, was vor dem Piloten liegt. Der Magnetcheck erfolgt bei 1600 Umdrehungen pro Minute, die Höhenrudertrimmung wird in die Startposition gekurbelt und die Steuerung auf Gängigkeit geprüft. Die Fersen sind auf dem Boden, um versehentliches Bremsen mit den Fußspitzen zu verhindern. Langsam, aber bestimmt Gas geben, und das Abenteuer kann beginnen.

Die WACO legt eine erfreulich flotte Rollrate an den Tag. Auch wenn sie für manchen Spaß zu haben ist - ein echtes Kunstflugzeug ist sie nicht.
Elegantes Flugverhalten, aber notwendiger Rudereinsatz
Wenn man das Heck bei 35 Knoten anhebt, neigt sich die WACO nach links, was einen kräftigen Tritt ins rechte Pedal erfordert, um auf Kurs zu bleiben. Ich habe das Gefühl, dass ich diesen Rudereinsatz für den Rest des Fluges beibehalten muss. Bei 55 Knoten nehme ich die WACO vom Boden und beschleunige für den Steigflug auf 65 Knoten. Sofort stellt sich ein Gefühl des Wohlbefindens ein. Es ist, als wäre man in das Goldene Zeitalter der Luftfahrt, dem dieses Flugzeug entsprungen ist, zurückversetzt. Mit 2050 Umdrehungen pro Minute steigen wir langsam, aber stetig in Richtung des Übungsraums. 4000 Fuß haben wir als Ausgangshöhe fürs Airwork ausgewählt. Meine Befürchtungen im Hinblick auf die vermeintlich schwere Steuerung bewahrheiten sich nicht. Ganz im Gegenteil, die Ruder sind erstaunlich harmonisch abgestimmt. Sowohl am oberen als auch am unteren Flügel befinden sich Querruder, die durch Streben miteinander verbunden sind. Das sorgt für eine flotte Rollrate. Die Schubstangen verlaufen durch die unteren Flügel.
Kein reines Kunstflugzeug – aber ein paar Tricks sind drin
Bei niedriger Geschwindigkeit ist die WACO sowohl mit als auch ohne Motorleistung sehr leichtgängig und wendig, warnt aber nicht lange vor dem Überziehen. Lazy Eight und Steilkurven gelingen präzise und sind ein gutes Aufwärmtraining für fortgeschrittenere Manöver. Für Loopings und Rollen geht es in den Sturzflug, um auf 130 Knoten zu beschleunigen. Das bedeutet, dass man den Knüppel kräftig drücken muss. Die Flügel mit ihren Verstrebungen und Drähten verursachen eben eine Menge Widerstand. Sobald die Geschwindigkeit anliegt, ist es sehr angenehm, mit der WACO zu turnen. Ein ausgewiesenes Kunstflugzeug ist sie allerdings nicht.
Keine Maschine für Speed-Freaks
Zeit für den Rückweg. Mit 85 Knoten bei 1900 Umdrehungen pro Minute trottet die WACO dahin. Es scheint, als würde mehr Leistung nicht wesentlich zu mehr Geschwindigkeit führen. Bei einem Verbrauch von 15 Gallonen pro Stunde (57 l/h) wird die WACO zum 100-Knoten-Flugzeug. Damit muss sich der Pilot zufriedengeben. Bei diesem Klassiker geht es eben um mehr als nur um Geschwindigkeit.

Die Nase im Wind, die Geräusche des Sternmotors im Ohr: ein Flug in der WACO wird zur Reise durch Raum und Zeit.
Sanfte Landungen erfordern etwas Übung
Neben der Asphaltpiste, von der wir gestartet sind, hat der Flughafen auch eine Graspiste. Die hätte ich mit Spornrad zwar bevorzugt, aber sie ist heute nicht in Betrieb. Also ist eben Asphalt angesagt. Um die Landebahn in der Platzrunde im Blick zu behalten, würde ich am liebsten eine lang-gezogene Kurve vom Gegen- bis zum Endanflug fliegen. Wegen des Verkehrs geht das heute aber nicht. Die letzten Checks sind schnell erledigt: Höhenrudertrimmung etwas schwanzlastig, das Spornrad "engaged", Fersen auf dem Boden und eine Geschwindigkeit von 75 Knoten. Über der Schwelle reduziere ich die Leistung, leite den Abfangbogen ein und lande mit den Haupträdern zuerst. Langsam lasse ich das Spornrad auf den Boden sinken und versuche, dabei die Richtung halten. Ich muss zugeben, dass ich das bei so großen und schweren Spornradflugzeugen viel zu selten mache, um es ohne ein gewisses Gefühl der Aufregung zu meistern. Sobald das Heck am Boden ist, kann ich vorsichtig bremsen. Mit meiner ersten Landung bin ich nicht ganz zufrieden, also gibt mir Oli eine weitere Chance. Wir starten zu einer zweiten Runde, und ich freue mich, dass der Windsack nur leichten Seitenwind anzeigt. Landung Nummer zwei gelingt anständig. Ich bin mir sicher, dass ich die WACO nach ein paar weiteren Platzrunden problemlos meistern würde.
Kein Sportler, kein Tourer, aber ein wahrer Blickfang
Obwohl die WACO grundlegende Kunstflugfähigkeiten bietet, kann man sie nicht als ausgeprägtes Akrobatikflugzeug bezeichnen. Auch ist sie kein perfekter Tourer. Dafür ist sie ein echter Blickfang und wohin man mit ihr auch fliegt, ein gern gesehener Gast, vor allem bei Fly-ins. Allzu eilig sollte man es dabei aber nicht haben. Zum Rasen gibt es geeignetere Vehikel, die sind aber nicht annähernd so cool wie die WACO. Ein Flug mit ihr ist eher eine Reise für die Seele durch die Zeit. Die Ausstattung der getesteten YMF-5 entspricht weitgehend der IFR-Ausstattung. So konfiguriert, kostet sie 640 000 US-Dollar. Das VFR-Paket mit Rundinstrumenten startet bei 590 000 Dollar.