Die Weltumrundung der Solar Impulse hat jüngst gezeigt, was mit modernsten Technologien möglich ist. Herr Borschberg, welche Gefühle hatten Sie als Pilot dabei?
André Borschberg: Es waren große Glücksgefühle. Und die kamen auch dadurch, dass wir ein tolles Team waren und man sich nie allein gefühlt hat. Nach außen hin werden vor allem die Erfolge sichtbar. Tatsächlich aber geht man von Hindernis zu Hindernis. Etwas Neues zu entwickeln ist nicht einfach, es tauchen immer wieder Probleme auf, und man muss ständig Wege finden, sie zu lösen. Das war die eigentliche Schwierigkeit, die wir zu meistern hatten.
Was hat Sie motiviert, gemeinsam mit Ihrem Freund Bertrand Piccard diesen Flug zu unternehmen?
Borschberg: Die Leidenschaft für die Fliegerei. Das braucht man, um so etwas zu erreichen.
Siemens beschreitet mit großen Schritten den Weg in Richtung Elektroflug. Wie sieht es da aus mit der Motivation?
Frank Anton: Wir haben mit denjenigen gesprochen, die die Anwendung verstehen, also den potenziellen Kunden. Und da möchte ich unter vielen Partnern zwei nennen: Erstens Christian Dries von Diamond Aircraft, der als einer der Ersten mit uns ein hybridelektrisches Flugzeug angedacht hat, das als DA-36 E-Star 2011 erstmals geflogen ist. Zweitens die Firma Airbus, die mit uns gemeinsam die Vorstellung und das Konzept entwickelt hat, dass im Jahr 2030 hybrid-elektrische Regionalverkehrsflugzeuge bis zu 100 Passagiere transportieren können.
Alle sind beeindruckt von der Extra 330LE, dem Kunstflugzeug mit Siemens-Elektromotor. Wie geht es damit weiter?
Anton: Die Extra ist ein Erprobungsträger, daraus soll kein Produkt-flugzeug werden, so reizvoll das auf den ersten Blick auch erscheinen mag. Mit diesem Kunstflugzeug können wir unseren Antriebsstrang stärker mechanisch belasten als mit anderen Mustern. Mit den Weltrekorden und dem ersten F-Schlepp mit einem Elektroflugzeug haben wir die Performance des Systems demonstriert. Das werden wir auch weiterhin tun und beispielsweise andere Batterien ausprobieren und die Motoren weiterentwickeln.
Herr Lange, Ihre Flugzeuge fliegen seit guten 18 Jahren elek-trisch. Das ist ja das Alter, in dem man volljährig wird. Trifft das auch auf den Elektroflug zu?
Axel Lange: Man hätte bereits vor zehn Jahren sagen können, dass der Elektroflug volljährig und gut anwendbar ist. Für unser Geschäftsfeld, den Segelflugzeugbau, ist der Elektroantrieb besonders geeignet, weil man nur eine bestimmte Menge Energie braucht, um das Flugzeug auf Höhe zu bringen, von wo aus es thermisch weiterfliegen kann. Wir sind 1999 das erste Mal elektrisch geflogen und hatten sofort ein marktfähiges Produkt. Seit 2004 sind größere Stückzahlen weltweit verkauft. Aus unserer Sicht ist der Elektroantrieb dem klassischen Verbrenner im konkreten Fall schon lange überlegen – und auch von den Piloten akzeptiert.
Wie steht es mit der Zuverlässigkeit und Haltbarkeit?
Lange: Die Flotte hat fast 100 000 Flugstunden absolviert – ohne ernsthaften Unfall. Unsere Antriebe müssen nur noch alle zwei Jahre geprüft werden, das kann der Kunde selber machen. Und wir arbeiten aktuell sogar daran, dass das künftig nur noch alle drei Jahre passieren muss.
Ein amerikanisches Magazin hat die Stemme S10 als eins der sieben Weltwunder der Luftfahrt bezeichnet. Mit der neuen elfin knüpft die Rainer Stemme Utility Air Systems vom Design her dort an, kombiniert den Motorsegler aber mit einem Hybridantrieb. Wie kam diese Idee zustande?
Reiner Stemme: Das ist vom Segelflug aus gedacht. Mit der elfin kann man bis in die Thermik, im Segelflug Strecke machen und dann zur Not eine Stunde elektrisch nach Hause fliegen. In zwei oder drei Jahren kann das mit besseren Batterien die doppelte Flugzeit sein. Für weitere Strecken bekommt die elfin einen Range Extender unter den Flügel, damit ist eine Reichweite von 1000 Kilometern möglich. Wir als Berliner träumen ja immer vom Segelfliegen in den Alpen oder in Südfrankreich. Da muss man aber erstmal hinkommen ...
Warum hat man so was nicht damals beim Bau der S10 schon in Betracht gezogen?
Stemme: Vor 30 Jahren, als die S10 entstand, war es nicht so, dass Unternehmen wie Siemens passende Antriebe lieferten und man sich auf die Konstruktion des Flugzeugs konzentrieren konnte. Das ist heute ganz anders. Was die viel geringere Wartung von Elektroantrieben angeht, da stimme ich Herrn Lange zu, möchte aber ergänzen, dass auch die Bedienung viel einfacher wird. Es gibt beim Elektroantrieb nur einen Hebel, den der Pilot nach vorne schieben muss, wenn er Power braucht. Pumpen, Primer, Zündung – all das fällt dann weg. Das ist die neue Welt der GA.
Borschberg: Nicht zu vergessen, dass man kaum noch etwas vorbereiten muss. Ein Schalter umgelegt – schon ist das Flugzeug startbereit. Keine aufwendigen Kontrollen, kein Ölstand-Check, kein Warmlaufen. Der Komfort ist ein Faktor, den man nicht unterschätzen sollte.
Heutige Airliner sind mit ihren stark gepfeilten Flächen an hohe Unterschallgeschwindigkeiten in großer Flughöhe angepasst. Müssen die Konstrukteure umdenken und eher zu den Segelfliegern schauen, wenn das hybridelektrische Passagierflugzeug Realität werden soll?
Anton: Die Luftfahrt kommt ja von den kleinen Fliegern, also aus der GA. Die Leistungen der Antares waren sicher auch einer der Gründe, warum Siemens den Elektroflug in den Fokus genommen hat. Lange hat gezeigt, dass es geht. Man muss aber auch zeigen, wo die Benefits für den Anwender liegen. Es gibt viele Missionsprofile, wo die Vorteile überwiegen, wenn man elektrisch und zudem mit einem guten Auftrieb-Widerstands-Verhältnis (L/D) fliegt. Das könnte durchaus dazu führen, dass man auf der Polare etwas zurückgeht und langsamer fliegt, das Argument teile ich. Gleichzeitig gibt es aber die Forderung der Kunden, dass das Flugzeug in 2030 0.85 Mach fliegen muss, sonst kann es im Airline-Betrieb nicht schnell genug rotieren, was eine Crew mehr pro Tag und entsprechende Kosten bedingt. Allerdings ließe sich das mit verteilten elektrischen Antrieben realisieren. Die Frage ist also nicht ganz einfach zu beantworten.
Borschberg: Eine wichtige Frage ist, ob man die richtige Einstellung hat oder sich zu sehr damit beschäftigt, was die eigene Technologie kann. Ich denke dabei an die Elektroautos: Die Autoindustrie hat Elektromotoren in herkömmliche Fahrzeuge integriert und war überrascht, dass die Reichweite zu gering ist. Erst Firmen aus dem Silicon Valley präsentierten Lösungen. Wer einen E-Motor in ein klassisches Flugzeug integriert, wird enttäuscht über das Ergebnis sein. Wenn wir bei Solar Impulse einfach Solarzellen auf ein Segelflugzeug montiert hätten, hätte das nie für einen Flug durch die Nacht ausgereicht. Es war nötig, das ganze System neu zu denken. So wird der Elektroantrieb die Aviatik verändern.
Stemme: Da stimme ich voll zu. Auch in unserem Fall ist es so, dass wir nicht einfach einen elektrischen Antrieb und eine Batterie in ein existierendes Flugzeug wie die S10 einbauen können. Vielmehr müssen wir aus der Struktur 100 Kilogramm Masse herauskonstruieren, um das Batteriegewicht zu kompensieren. Wir reden da über 25 Prozent Gewichtseinsparung an der Struktur. Das geht heute dank neuer Materialien und Techniken.
Lange: Wir verstehen das Elektroflugzeug schon lange als System im Ganzen, denn nur dann kann man das Potenzial ausschöpfen. Ich bin überzeugt, dass man künftig völlig neue Entwürfe sehen wird. Mitunter wird man sich an den Kopf fassen und sich fragen, was sich die Ingenieure da wieder ausgedacht haben. Das neueste Konzept, an dem wir arbeiten, hat sechs Motoren, die oben hinter der Tragfläche frei angeordnet sind. Die heutigen Elektroflugzeuge, die klassisch mit Motor und Propeller an der Nase konstruiert sind, werden sich wohl nicht durchsetzen, weil sie zu viel Potenzial verschenken. Verteilte Antriebe, verteilte Batterien – in diese Richtung muss man denken. Was Dr. Antons Einschätzung der Regionalverkehrsflugzeuge angeht: Ich bin sicher einer der größten Optimisten. Aber die Physik sagt: Es ist umso leichter, elektrisch zu fliegen, je geringer die Flächenbelastung ist. Man kann das auch im Passagierverkehr machen, aber die Betreiber denken da anders. Airbus will das einerseits haben, ist andererseits aber nicht bereit, sich der technologischen Notwendigkeit anzupassen. Warum auch – mit einem Auftragsbestand, der für 20 Jahre Arbeit sichert? Herr Anton, ich sehe das nicht, einfach weil der Wille fehlt.
Das klingt pessimistisch …
Lange: Ich muss das mal sagen, weil es so viele Vorhersagen zum Elektroflug gibt, die dann nicht eintreffen. Das macht den Elektroflug, obwohl er die technologischen Möglichkeiten hätte, unglaubwürdig. Und die Möglichkeiten sind immens, im Grunde könnte ein Großteil der General Aviation elektrisch abgewickelt werden, wenn die Flugzeuge entsprechend konstruiert werden und es die Kunden annehmen.
Herr Anton, Ihre Gegenrede?
Anton: Airbus geht nicht nur höher, weiter, schneller. Stichwort: Projekt CityAirbus. Ein reines Batteriegerät mit acht Propellern, ein redundanter Quadrocopter, der ein paar Menschen über eine kurze Strecke transportieren kann. Ich stimme Axel Lange zu, ich gehöre ja auch zu denen, die meinen, ein gutes L/D ist für den Elektroflug wichtig. Und ich glaube auch, dass wir Veränderungen erleben werden in der Art, wie die Verkehre geschnitten sind. Heute haben wir ein Mittelstreckenflugzeug, das Strecken von 500 bis 5000 Kilometer bedient und dabei 200 Passagiere transportiert. Diese eierlegende Wollmilchsau wird wahrscheinlich differenziert in mehrere Flugzeuge: eins für längere Strecken, das vielleicht weiterhin schnell und konventionell fliegt, und eins für Kurzstrecken, das sich in Richtung Elektroflug entwickelt mit dem Versuch, die 0.86 Mach zu erreichen. Dabei wird man aber lernen, dass es klüger ist, auf der Polare etwas nach vorn zu rutschen. Dann entsteht vielleicht ein Flugzeug, das nur noch 50 oder 100 Menschen über 500 bis 1000 Kilometer transportiert.
Das klingt schon nach präzisen Zukunftsszenarien …
Anton: Die Zukunft ist nicht präzise beschreibbar. Als ich ein Kind war, fand ich Dampfloks faszinierend, mein Vater aber erklärte mir, dass das später alles Elektroloks sein würden. So ist es nur zum Teil gekommen. Mancher moderne Schnellzug erreicht nur deshalb 400 km/h, weil da eben keine Lok mehr vorgespannt ist, sondern weil die Antriebe über die Wagen verteilt sind. Wir hatten also zusätzlich zur Elektrifizierung eine Disruption in der Art, wie der Zug gebaut wird. Und ich stimme meinen Vorrednern zu in der Einschätzung, dass sich die Flugzeuge mit dem Elektroantrieb verändern werden.
Mit dem Problem der längeren Flugzeiten und höheren Kosten …
Anton: Nicht unbedingt. Man wird einsehen, dass autonomes Fliegen und elektrische Antriebe sich zwar nicht bedingen, in Kombination die Entwicklung aber enorm beschleunigen werden. Einfach, weil dann die Geschwindigkeit nicht mehr so wichtig ist. Wenn ich die Crew nicht mehr für vier Umläufe bezahlen muss, spielt es auch keine Rolle, wenn der Umlauf länger dauert. Dann kann ich es mir leisten, mit 0.6 Mach zu fliegen.
Die Hybridantriebe mit der Entkoppelung von Energie- und Schuberzeugung scheinen die Brückentechnologie zum reinen Elektroflug zu sein.
Anton: Korrekt, denn beides kann unabhängig voneinander besser auf größtmögliche Effizienz hin optimiert werden. Zweiter Schritt ist die Verteilung der Antriebe bzw. deren Anordnung dort, wo sie am effizientesten wirken können. Ein Beispiel ist hier der e-Genius der Universität Stuttgart.
Dem Verbrenner wird die Luft weit oben zu dünn. Wie schlägt sich der Elektromotor unter den Bedingungen in großer Höhe?
Anton: Die Temperatur ist vor allem für die Batterien relevant, insbesondere was die Taubildung angeht, wenn wir mit kalten Batterien in warme und feuchte Regionen kommen. Der Elektromotor kann gegen Witterungseinflüsse weitgehend unempfindlich konstruiert werden. Sicherheit gegen Blitzschlag und Schutz vor Höhenstrahlung sind auch Themen, insbesondere für die Leistungselektronik. Ansonsten: Der Elektromotor zieht durch, das Drehmoment ist nicht von Drehzahl oder Höhe abhängig.
Stemme: Die Kombination Elektroantrieb, Pufferbatterie und Verbrennungsmotor treibt sogar die Entwicklung der Kolbenmotoren voran. Hier auf der Messe wurde ein Achtzylinder-Diesel vorgestellt, der von Konstrukteuren aus der Autoindustrie exakt für die Anforderungen der Luftfahrt entwickelt wurde und der 50 Prozent weniger Treibstoff verbrauchen soll als herkömmliche Motoren. Das wäre natürlich eine perfekte Komponente für größere Hybridantriebe. Da schließt sich der Kreis zu Herrn Borschbergs Argument, dass man das System als Ganzes betrachten muss.
Das Wort Brennstoffzelle ist bereits gefallen, wie ist dieses Konzept als Energiequelle für Luftfahrtantriebe zu bewerten?
Lange: Wir haben für das DLR ein Flugzeug gebaut, das mit Batteriepower auf 200 Meter steigen und dort die Brennstoffzellen zuschalten und testen können sollte. Dann kam das DLR auf die Idee, sich einen Platz in der Luftfahrtgeschichte zu sichern, und hat uns beauftragt, das Flugzeug eigenstartfähig zu bauen. Das ist nicht nur technisch eine Herausforderung, sondern auch bürokratisch, wenn man Zulassungsbehörden davon überzeugen muss, dass das funktioniert. Wir haben einen Direkthybrid-Antrieb entwickelt, bei dem man im Startlauf innerhalb weniger Sekunden von Brennstoffzelle auf reinen Batteriebetrieb hätte umschalten können. Und da wir ein zugelassenes Batteriesystem hatten, haben die Behörden das akzeptiert. Im realen Betrieb hat das aufgrund falscher Datenbasis der Brennstoffzellenseite nicht funktioniert, und der Flug musste komplett als Brennstoffzellen-Flug durchgeführt werden. So war der Meilenstein der Luftfahrt auch da. Wir haben damals für das DLR verschiedene Systeme erprobt, und unser Eindruck war, dass man damit in der Großluftfahrt durchaus etwas machen kann, nicht aber in der GA. Die Brennstoffzellen müssen teilweise vier Stunden vorgeheizt und permanent überwacht werden. Der Vorteil für die GA könnte ihre hohe Effizienz mit rund 50 Prozent Energieausbeute sein. Da wird der Diesel blass dagegen!
Bleibt also der Fokus auf bessere Batterien, die momentan noch die Schwachstelle sind.
Anton: Aktuell dominieren deshalb bei Siemens die Hybridkonzepte mit Verbrenner und Generator. Ein Flugzeug für vier bis 100 Passagiere mit perspektivischem Einsatz in fünf bis 15 Jahren ist aktuell mit Batterien nicht möglich. Meine persönliche Sicht als Physiker Frank Anton ist leidenschaftlicher. Heute erreichen Batterien 220 bis 250 Wattstunden pro Kilogramm. Wenn der Daniel Düsentrieb kommt, der 1000 Wattstunden schafft, dann wären nahezu alle Flugzeuge elektrisch betreibbar. Bis vor drei Jahren sagten Experten, das ginge nicht. Die physikalisch-chemischen Grenzen liegen bei 7,5 bis 8 Kilowattstunden pro Kilogramm. Selbst wenn wir die 1 kWh erreichen, sind wir noch weit weg von diesen Grenzen. Ich höre jetzt schon hin und wieder 300, 400, 600 Wattstunden – mit neuen Bauarten wie Aluminium-Sauerstoff, Lithium-Sauerstoff, Lithium-Schwefel. Wenn also die Batterien kommen, auf die Frank Anton privat hofft, dann lässt Siemens sicher sofort etwas mehr vom Generator zu Hause. Grundsätzlich stimme ich Axel Lange bei seiner Einschätzung zur Brennstoffzelle zu. Aber auch da wieder: Falls diese Technik den großen Schritt macht, könnten wir sie integrieren. Unser Konzept ist offen.
Herr Lange sprach das Thema „Zulassung und Behörden“ an. Wie innovationsfreundlich ist der Standort Deutschland?
Anton: Da stehen wir wirklich gut da. Wir haben eine enorme Unterstützung durch die EASA und das LBA. Wir spüren, dass die Behörden das Neue kommen sehen und gestalten wollen, man ist den Entwicklungen gegenüber sehr aufgeschlossen und positiv eingestellt.
Lange: So ist es. Wir sind in Deutschland ausgesprochen gut aufgehoben, weil die Abteilung, die die GA betreut, solche Trends frühzeitig erkennt, sie massiv fördert und dafür sorgt, dass das Verkehrsministerium entsprechende Studien in Auftrag gibt, sodass mit den Herstellern gemeinsam Bauvorschriften verfasst werden können. Da muss ich für die Kollegen vom LBA, die oft Schelte erhalten, wirklich mal eine Lanze brechen.
Borschberg: Dass der Elektroantrieb für Flugzeuge kommt, davon bin ich überzeugt. Aber wenn man sich die neuen Konzepte, insbesondere die VTOLs, anschaut – dafür braucht es eine neue Organisation der Lufträume, insbesondere, wenn die später wirklich mal in Städten eingesetzt werden sollen. Das betrifft dann nicht nur die EASA und das LBA, da sind viel mehr Behörden betroffen. Auch da muss es ein Umdenken geben.
An Konstrukteuren und Behörden scheitert es also nicht. Wie sieht es aber mit den Piloten aus? Die gelten ja auch als durchaus konservativ.
Borschberg: Fragen Sie einen Piloten, der ein Elektroflugzeug ausprobiert hat. Die sind sofort begeistert und überzeugt. Da sehe ich überhaupt kein Problem.
Der Daniel Düsentrieb kam bereits zur Sprache. Die GA lebt ja auch von vielen Tüftlern und Homebuildern, die interessante Fluggeräte bauen. Inwieweit können solche Enthusiasten mit Unterstützung der Großen rechnen?
Anton: Wir tun genau das. Alle unsere Flugzeugversuche laufen so, dass wir den Antriebsstrang zur Verfügung stellen und jemand anderes das Flugzeug. Aktuell sind das hauptsächlich kommerzielle Muster. Ich habe jüngst einen Vortrag bei der OUV gehalten, da wir sehr interessiert daran sind, die Technik im Experimentalbau in die Breite zu bringen. Natürlich müssen wir uns dabei fokussieren, denn jedes einzelne Projekt muss von unserer Seite aus zu 100 Prozent sicher sein. Dennoch ist die Szene interessant, denn da wird oft mit Designtraditionen gebrochen. Und ich denke, wenn die Elektroflugzeuge in 30 Jahren noch so aussehen wie unsere Flugzeuge von heute, dann haben wir versagt. Wer wird es voranbringen? Die Kitbauer! Wenn da jemand was Vernünftiges hat, mit dem reden wir sehr gerne.
Gibt es eines Tages die Möglichkeit, Klassiker wie eine Cessna oder gar eine Boeing Stearman auf Elektroantrieb umzurüsten?
Borschberg: Ich halte das für den falschen Ansatz. Besser ist es, ein Design passend zum Elektroantrieb zu entwickeln. Wir werden nur erfolgreich sein, wenn wir die richtige Struktur, die richtige Aerodynamik und das richtige Antriebskonzept kombinieren.
Wenn die kommerzielle Nutzung des Elektroantriebs wirklich kommt, woher würde die Energie kommen? Wind oder Solar?
Borschberg: Das wäre das Optimum. Aber wenn die Flugzeuge effizienter werden, braucht man erstmal weniger Energie. Ein Benzinmotor hat heute einen Wirkungsgrad von 30 bis 35 Prozent, ein Elektromotor dagegen von 90 Prozent. Damit gewinnt man schon viel. Ziel ist natürlich, die Energie durch erneuerbare Quellen bereitzustellen.
aerokurier Ausgabe 08/2017