Kein Plan fürs Klima

CO2-Reduktion
Kein Plan fürs Klima

Zuletzt aktualisiert am 27.12.2024
Kein Plan fürs Klima

Was passiert, wenn man die Entwicklung klimafreundlicher Technologien verschläft, wird derzeit beim Volkswagen-Konzern deutlich: wirtschaftlicher Niedergang. Die deutschen Autobauer dachten viel zu lange, sie könnten mit ihrem fossilen Geschäftsmodell einfach weitermachen wie bisher. Jetzt sind sie von der chinesischen Konkurrenz um Jahre abgehängt.

In der Allgemeinen Luftfahrt scheint sich eine ähnliche Entwicklung anzubahnen. Die technischen Probleme sind dabei ungleich größer. Aber auch hier scheint vor allem der Wille zu fehlen, konsequent neue Wege einzuschlagen und die Reduktion der CO2-Emissionen voranzutreiben.

Ein Verein zeigt, wie es geht Eins der seltenen, positiven Beispiele ist der Badisch-Pfälzische Flugsportverein in Mannheim, der sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt hat: so viel CO2-Emissionen wie möglich einzusparen. Dafür hat der Verein eine Menge Geld in die Hand genommen, insgesamt rund zwei Millionen Euro. Es folgte eine komplette Erneuerung der Vereinsflotte. Alte Flugzeuge wurden verkauft, dafür drei moderne Diamond DA40 mit Dieselantrieb und zwei Tecnam P2008 mit Rotax-Motoren angeschafft, außerdem ein E-Flight-Projekt angestoßen. Daraus entstand das Unternehmen Green Aviation Hub. Erste Erfolge zeigen sich jetzt: Die CO2-Emissionen des Vereins sind um 47 Prozent gesunken.

Nach dem Klimaschutzgesetz allerdings, dessen Verbesserung 2021 vom Bundesverfassungsgericht angemahnt und von der Regierung Merkel umgesetzt wurde, muss in Deutschland bis zum Jahr 2030 eine Reduktion der Emissionen in allen Energiebereichen um 65 Prozent gegenüber 1990 umgesetzt werden. Davon sind Luftsportvereine, Charter-unternehmen, Flugschulen und Hersteller der Allgemeinen Luftfahrt noch Lichtjahre entfernt. Offenbar geht man in der GA davon aus, dass dies nur die anderen Energieverbraucher betrifft. Das aber könnte sich als großer Fehler herausstellen. Denn nicht nur der verpasste Anschluss der Automobilindustrie ist ein mahnendes Beispiel. Klagen von Klima- und Umweltschutzverbänden könnten in kaum mehr als fünf Jahren für ein böses Erwachen sorgen. Zumal die Einschränkung, Abwicklung und Schließung von Flugplätzen schon jetzt in manchen Regionen für die Politik der Weg des geringsten Widerstandes zu sein scheint. Flugplätze wie Magdeburg, Schwarzheide oder Wyk auf Föhr sind offenbar erste Opfer einer Marginalisierung der Luftfahrtinfrastruktur.

Für eine koordinierte und tragbare Umsetzung der Klimaziele bräuchte es dagegen vor allem eines: einen Plan. Vereine und Unternehmen müssten bei den enormen Anstrengungen für das 65-Prozent-Ziel massiv unterstützt werden. Die Rahmenbedingungen sollten so verändert werden, dass diejenigen einen Vorteil haben, die bei der Reduktion vorangehen. Eine solche Initiative muss aber auf politischer Ebene vorbereitet und begleitet werden. Federführend ist hier eigentlich das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV). Doch eine Presseanfrage des aerokurier bei der Bundesbehörde bringt die Erkenntnis: Einen Plan gibt es dort nicht.

Absichtserklärungen reichen nicht

Auf konkrete Fragen hat das BMDV leider nur Allgemeinplätze, Absichtserklärungen oder Verweise auf völlig unzureichende Vorhaben und die berühmt-berüchtigten Arbeitskreise zu bieten. In einer ersten Antwort heißt es: "Klimaschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die alle Bereiche betrifft und fordert. Deshalb hat die Bundesregierung beschlossen, das Klimaschutzgesetz weiterzuentwickeln und Klimaschutz zu einer Querschnittsauf-gabe der Bundesregierung zu machen." So weit, so bekannt. Darauf folgen die üblichen Erklärungen, man wolle Anreize schaffen und keine Verbote. Die Absichtserklärungen klingen dabei zum Beispiel so: "Dazu haben wir uns auch auf globaler Ebene in der ICAO mit dem Klimalangfristziel von Netto-Null CO2-Emissionen im Jahr 2050 verpflichtet. Dafür gilt es, den Mobilitätsansprüchen der Menschen und den Konnektivität-Erfordernissen einer globalisierten Wirtschaft gerecht zu werden." Man fragt sich immer wieder: Wo ist der Plan dazu? Es folgt jedoch nur die Hoffnung auf "Biokraftstoffe aus Abfällen und Reststoffen sowie insbesondere E-Fuels für die Luftfahrt", außerdem der windelweiche Verweis auf "marktbasierte Maßnahmen wie den Europäischen Emissionshandel". Eine Initiative zur Unterstützung von Luftsportvereinen und Unternehmen bei der CO2-Reduktion? Fehlanzeige.

Bei einer zweiten Anfrage mit der Bitte um konkrete Antworten wird das Ausmaß der Planlosigkeit noch deutlicher. Bezeichnend ist, dass der Pressesprecher nicht namentlich genannt werden will. Man verweist nun auf die EU, die "im Rahmen der ,ReFuelEU Aviation‘-Verordnung verbindliche Beimischungsquoten für nachhaltige Flugkraftstoffe festgelegt (hat), die ab 2025 gelten und schrittweise ansteigen werden". Dann wird die Hoffnung auf SAF und E-Fuels in große Zahlen gegossen – bis 2030 ein Wunschtraum. Viel mehr gibt’s leider nicht. Der letzte Satz lautet: "Für weitere Fragen wenden Sie sich bitte an das federführende BMWK", das Ministerium für Wirtschaft und Klima hat sich jedoch bei einer separaten Anfrage für nicht zuständig erklärt.

Innovationen aus Deutschland

Wer dieser Tage die Nachrichten einschaltet, sieht in vielen Teilen Europas Katastrophenalarm: überflutete Landschaften, zerstörte Städte und Dörfer, ertrunkene Menschen. Außerdem brennende Wälder in Südeuropa und anderen Teilen der Welt. Die Folgen des Klimawandels sind nicht mehr zu übersehen. Die Innovationen, um ihn zu bekämpfen, könnten besonders in Deutschland vorangebracht werden. Dabei ist die einzigartige Luftfahrt-szene hierzulande ein Trumpf, den andere Regionen nicht haben. Aber ohne Plan und Unterstützung droht er verlorenzugehen.

Auf der Luftfahrtmesse AERO in Friedrichshafen sorgte in diesem Jahr das Elektroflugzeug RX1E von Liaoning Ruixiang aus China für Aufsehen. Es hat eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit der Pipistrel Velis Electro. Die ersten E-Autos aus China hatten ebenfalls eine auffällige Ähnlichkeit mit europäischen Marken. Heute haben sie ihre eigenen Marken – und ihre eigene Automobil-Messe.