"PH-DTI, cleared for takeoff, runway 03", schallt es aus dem Headset. Der Rotax heult auf, 104 Kilowatt reißen an der Propellerwelle und bringen den Dreiblatt-Airmaster in Wallung. 40 Knoten Rotationsgeschwindigkeit sind im Nu erreicht. Das Briefing für den Fall, dass die Speed bei der Halbbahnmarkierung nicht anliegt, egalisiert sich angesichts der absurd kurzen Rollstrecke im Vergleich zu der, der Grob G 109, mit der ich nach Laupheim angereist bin.
Etwa über der Platzgrenze haben wir bereits eine komfortable Höhe erreicht. Dirk stellt die Propellerautomatik von Take-off auf Climb ein, und die Sling steigt weiter wie der Teufel. Wir verlassen die Laupheimer Kontrollzone über November und drehen in einem weiten Bogen auf Kurs Südsüdwest Richtung Leutkirch. Knappe 20 Minuten Flugzeit. Es ist endlich geschafft! Ich sitze im Apfelkuchen-Flugzeug, dem Kitplane, dessen Bau auf Instagram und TikTok zehntausende Menschen verfolgt haben.
Mit "Sach mal Hase …" – der in der Fliegerszene inzwischen beinahe zum geflügelten Wort avancierten Phrase – leitete Dirks Frau alle Videoclips ein, mit denen sie nicht nur den Baufortschritt dokumentierte, sondern die faszinierende Welt der Allgemeinen Luftfahrt für Laien erlebbar machte. Oder korrekter: noch immer erlebbar macht.
Infotainment mit Humor
Es muss irgendwann im Sommer 2023 gewesen sein, dass ich beim Reel-Scrollen auf Instagram auf eins dieser ebenso unterhaltsamen wie informativen Videos gestoßen bin. Dass es Enthusiasten gibt, die sich ihre Aerobilie selber bauen, das war mir natürlich auch schon vorher klar. Die Art aber, wie Diana und Dirk Drees mit ihren Videos Öffentlichkeitsarbeit für die Allgemeine Luftfahrt machten und nebenbei mit unglaublicher Sympathie und Humor gegen das Bild der "ach so abgehobenen Privatflieger" anarbeiteten, das war neu. Und es wert, einen Artikel darüber zu schreiben.
Bei meinem ersten Besuch in Laupheim – auf dem Luftweg mit der G 109, die, wie ich unsanft erfahren durfte, zu viel Spannweite für die dortigen Taxiways hat – waren Dirk und sein Freund Thomas voll bei der Sache. Der Rohbau war in wesentlichen Teilen fertig, der Motor montiert und kurz vor der ersten Funktionsprobe. An den Flügeln fehlten noch die Querruder, im Panel klafften Löcher für die Instrumente, und alles sah noch nach einer gewaltigen Menge Arbeit aus. "Public Building" überschrieben wir den Artikel im aerokurier 11/2023.
Am 3. März 2024 erfolgte die Stückprüfung für die Sling; die niederländische Zulassung als Experimental hielten Dirk und Thomas gut drei Wochen später in der Hand, und am 7. April 2024 starteten sie zum ersten Flug.
Von vornherein war klar, dass es dazu eine Fortsetzungsgeschichte geben würde, allerdings fand sich nahezu ein Jahr lang kein Termin, der mir und dem Apfelkuchen-Team passte. Entweder konnte ich nicht, oder Dirk und Diana waren verhindert, dann machte uns mal das Wetter einen Strich durch die Rechnung, und schließlich war unser TMG vier Monate gegroundet, und ich konnte nicht hinfliegen.
Doch nun sitze ich endlich im saumäßig bequemen und mit feinem Leder überzogenen Gestühl der Sling TSi mit der niederländischen Kennung PH-DTI und genieße das Gefühl, wie die Landschaft mit 110 Knoten unter uns hindurch rauscht. Apropos rauschen: Das trifft es auch akustisch, denn man hört bei dieser Geschwindigkeit deutlich die Luftströmung über der Kabine.

Das Gestühl ist überaus bequem und sieht toll aus.
Das ist aber auch wirklich der einzige Kritikpunkt, der mir am Werk von Dirk und Thomas auffällt, und der ist zum einen ziemlich sicher konstruktiv bedingt, zum anderen meinen sehr empfindlichen Ohren geschuldet, die sich hier trotz Ohropax und Aktivheadset zunächst ein wenig genervt zeigen. Einem Normalo würde das wahrscheinlich gar nicht auffallen.
Wenn man es gewohnt ist, im TMG mit entspannten 140 bis 150 km/h über Land zu gehen, dann kommt einem alles jenseits der 200-km/h-Marke absurd schnell vor. Es dauert nur etwa 20 Minuten, bis Dirk in Leutkirch zur Landung ansetzt und die Sling weich auf die Piste setzt.
Subtiler Stolz des Erbauers
Kurz darauf sitzen wir auf der Terrasse des Flugplatzrestaurants und erzählen. Dabei fällt mir auf, dass es ganz subtile Dinge sind, die zeigen, wie stolz Dirk auf sein Werk ist. Seine Mundwinkel zucken ein bisschen nach oben, wenn man ihn auf seine Sling anspricht. Wenn er über das Flugzeug redet, das er und sein Freund Thomas mit ihren eigenen Händen gebaut haben, dann schwingt eine unverkrampfte, natürliche Freude darüber mit, so etwas geschafft zu haben.
Manchmal reicht es auch, dass sein Blick im Gespräch kurz in die Ferne schweift und mutmaßlich über den weißgrünen Lack des Fliegers streift, der da gute 50 Meter entfernt auf der Abstellfläche steht. "Es ist nicht so, dass ich es angucke wie meine Kinder und sage: Wow, das hab ich geschaffen!", sagt Dirk und muss schmunzeln. "Es ist jetzt, nach einem Jahr, ein Stück weit normal geworden. Aber schön ist es natürlich trotzdem."

Das Apfelkuchen-Team: Dirk, der Selbstbauer, Diana, die Video-Producerin.
Was ihn allerdings immer wieder freut, sind die Reaktionen von anderen. "Wenn da einer staunt, vor allem, wenn er selber Pilot ist, dann wird mir bewusst, dass es eben doch nicht ganz normal ist, ein Flugzeug zu bauen. Dann kommt doch etwas Stolz auf." In den ersten zwölf Monaten hat Familie Drees mit der Sling wunderbare Momente gesammelt. Höhepunkt: die Reise nach Sardinien.
"Die ersten zwei Augustwochen im vergangenen Jahr – bestes Wetter, gute Stimmung. Ein irrer Roadtrip, bei dem wir spontan immer da ein Hotel gebucht haben, wohin es uns verschlagen hat." In Treviso besuchten sie Giancarlo Zanardo, ein Enthusiast, der seit 40 Jahren Flugzeuge selbst baut, vor allem Muster aus dem Ersten Weltkrieg.
Die Sling landete auf dem Flugplatz Lido, über Fano und Terni ging es nach Sardinien und damit das erste Mal übers Meer. "Das war mit der Familie schon kribbelig", gibt Dirk zu, aber alles ging gut. Auf der Insel genossen die Drees mit ihren zwei Kindern eine Woche ganz ohne Fliegen, bevor es über Korsika, Elba und Pavullo zurück in die Heimat ging.
Lego Technik für Erwachsene
Ein würdiger Trip mit dem Flugzeug, das Dirk und Thomas etliche Monate Zeit, eine Menge Nerven und nicht wenig Geld kostete. Auch wenn der Mensch dazu neigt, im Rückblick manches positiv zu verklären, bekräftigt Dirk, dass der Bau im Großen und Ganzen eine tolle Zeit gewesen sei. "Wir sind überraschend gut durch das Projekt gekommen, was aber auch am erstklassigen Bausatz lag. Ich sage immer: Das ist Lego Technik für Erwachsene. Wer als Kind damit seine Freude hatte, der bekommt aus einem Sling-Bausatz auch ein Flugzeug."
Die GFK-Teile wie die Cowling, das gibt er zu, damit habe er sich schwergetan. Der entsprechende Videoclip, in dem er seine Frau Diana wegen der stumpfen Schere ankeift, die das Glasfasergewebe einfach nicht schneiden will, hat unter Fans von Apfelkuchenflugzeugbau Kultstatus. Auch die Elektrik habe er lieber Thomas überlassen, der daran seinen Spaß hatte.
Wie akribisch der die Kabel hinter dem Panel verlegt hat, davon konnte ich mich bei meinem ersten Besuch überzeugen. Jetzt sehe ich, wie perfekt auch das "Frontend" des Instrumentenbretts geworden ist. Entscheidend sei, einen gut ausgestatteten Bauplatz und das richtige Werkzeug zur Verfügung zu haben. Eine vernünftige Nietpistole, ein Dimple-Tool, um die Vertiefungen für die Niete zu senken, und, natürlich, eine scharfe Schere. Das braucht es für frustfreie Arbeitseinsätze
"Und nicht zu vergessen: Durchhaltevermögen! Wenn man sieht, wie viele abgebrochene Projekte man zu kaufen bekommt, wird klar, dass es entscheidend ist, sich nach einer Durststrecke, wo man mal kaum oder gar nicht vorwärtskommt, neu zu motivieren."
Der erfolgreiche Bau eines eigenen Flugzeugs hat Dirk selbstbewusster gemacht. Dazu kommt der große Zuspruch aus der Szene, auch infolge der Videos. "Die ganze Sache war ja wie eine Daily Soap", berichtet Diana. "Die Leute haben das verfolgt und wollten unbedingt wissen, wie die Story weitergeht. Wir haben so viele wundervolle Menschen kennengelernt, beispielsweise von der Aviators Farm in Hildesheim, vom Luftraum Süd oder Fabian von Morlock Motors, und dann wird man sogar vom AERO-Team eingeladen, um das eigene Projekt auf der Messe zu zeigen. Dort steht einem plötzlich Philipp Rösler gegenüber, den man erstmal nicht erkennt. Es war schon irre!"

Die Sling TSi von Dirk Drees und Thomas Gervens ist in jeder Hinsicht ein gelungenes Projekt.
Sogar Sling Aircraft, der Hersteller des Bausatzes, besuchte die Apfelkuchen-Crew an ihrem Messestand. "Wir sind derengrößter Markenbotschafter, das ist schon ziemlich cool", ergänzt Dirk und grinst.
All jene, die dem Kanal noch immer folgen, dürften sich bei den jüngsten Posts mit Unboxing-Videos zahlreicher großer Holzkisten fragen, ob ein Flugzeug nicht reicht und jetzt ein zweites hermuss. Und ich selbst habe mir diese Frage auch gestellt. "Die DTI wird verkauft", sagt Dirk, und es klingt nicht mal verbittert.
"Der Deal zwischen Thomas und mir war immer, dass das Flugzeug verkauft wird, wenn einer von uns beiden Geld braucht, und dass der andere dann kein Vetorecht hat. Er ist gerade zum zweiten Mal Vater geworden, hat endlich ein Haus gefunden und muss jetzt anderswo investieren. Daher wird die Sling veräußert und ist derzeit mein Traumflugzeug auf Abruf." Der Markt sei gut, das Muster gefragt, sodass die beiden optimistisch sind, mit dem Verkauf noch etwas mehr hereinzuholen, als die 220.000 Euro, die sie insgesamt investiert haben.
Neues Projekt: Slowbuild-Kit
Meine Nachfrage, ob das denn nicht frustrierend sei, so viel investierte Zeit und Geld einfach abzugeben, kontert Dirk gelassen. "Um ehrlich zu sein, schon beim Modellflug in meiner Jugend war es so, dass ich lieber gebaut habe, anstatt die gebauten Modelle dann auch zu fliegen. Allerdings, ein Leben ohne die TSi kann ich mir auch nicht mehr vorstellen. Von daher freue ich mich wahnsinnig auf das neue Projekt."
Das neue Projekt ist ebenfalls eine Sling TSi, allerdings dieses Mal ein Slowbuild-Kit, bei dem im Gegensatz zum Quickbuild, das Dirk gemeinsam mit Thomas gebaut hat, wirklich alles in Einzelteilen kommt. "Das wäre auch beim ersten Mal mein Favorit gewesen, aber es war zu der Zeit keins verfügbar." Außerdem, erklärt Dirk, will er sich bei diesem Projekt weiterentwickeln, was bei mir angesichts der ziemlich perfekten Bauausführung seines Erstlings Stirnrunzeln verursacht.
"Zum einen mache ich dieses Mal auch die Elektrik, das war bisher Thomas’ Baustelle. Dann soll die Neue wenigstens Night-VFR-fähig werden, noch lieber wäre mir IFR-Fähigkeit. Und sie soll eine deutsche Zulassung bekommen. Das sind die Herausforderungen, die ich neben dem Bau an sich angehen will."
Da sein Freund Thomas mit Kind Nummer zwei und dem Haus mehr als genug zu tun hat, hat sich Dirk mit zwei jungen Vereinskameraden frische Unterstützung ins Team geholt. "Aber ich weiß, dass Thomas mir helfen wird, wenn ich im Kabelsalat den Überblick zu verlieren drohe oder es etwas zu fräsen gibt. Zudem bietet eine frisch angemietete Werkstatt mit 300 Quadratmetern die perfekte Arbeitsumgebung.
Einen fixen Zeitplan für Sling 2 gibt es nicht, die Kalkulation liegt grob bei zwei Jahren Bauzeit. Und dann war es das? Das wird dann die Sling fürs Leben? Dirk muss grinsen, Diana verdreht die Augen. "So ein High-Wing, der würde mich ja schon auch nochmal reizen … Und, um ganz ehrlich zu sein, gibt es da noch einen viel länger gehegten Traum. Ich stelle mir vor, wie ein Bauer irgendwo eine uralte Cessna 140 in einer Scheune findet, mit richtig Patina drauf, aber technisch solide. Solch ein Flugzeug behutsam wieder zum Leben zu erwecken, das wär‘s!"
Wir schwelgen noch ein bisschen in "aerosexuellen" Gedanken, während wir den Blick über den Flugplatz Leutkirch schweifen lassen. Dann heißt es: Auf zum Rückflug! Der dauert nur 15 Minuten, und Dirk verwirrt den Laupheimer Fluglotsen, der ein Direct zur Piste 03 freigegeben hat, mit einer kurzen Platzrunde.
Wir verabschieden uns herzlich, ich puzzle die D-KGWH mit ihren 17,40 Metern Spannweite wieder durch das exakt 18 Meter breite Tor des BW-Luftsportrings Laupheim und melde mich beim Tower an. Ich bekomme ein Direct Richtung Hahnweide und genieße das gemütliche Luftwandern mit unserer vereinseigenen Pummelfee. Kein Vergleich mit der Rakete, mit der wir heute unterwegs waren. Aber auf eine ganz andere Weise auch irgendwie schön.