Die Luftsportler können es nicht fassen: Binnen zwei Tagen wollte die Stadt Wyk auf Föhr (Kreis Nordfriesland) dem Verkehrslandeplatz mit der Kennung EDXY eine der zwei Start- und Landebahnen nehmen und dort einen Wohnmobilplatz inklusive Tiny-Häusern durchboxen – zuerst im Bau- und Planungsausschuss, tags darauf in der Stadtvertretung. Die Kommunalpolitiker sollten das durchwinken, ohne die dort beheimateten Piloten des LSC Föhr angehört zu haben. Und gleich darauf sollte bei der Luftfahrtbehörde die Änderung der Betriebsgenehmigung beantragt werden. Purer Zufall, dass Mitglieder des Vereins von der Sitzung erfuhren. Sie stürmten den Saal. Die Vertreter der fünf dort vertretenen Parteien zeigten sich ebenfalls überrascht von dem Vorstoß des Bürgermeisters und der Verwaltung.
Dem Protest der Locals schlossen sich Gastflieger an, die den Platz gerne nutzen, ist er doch ein aviatisches Kleinod, das von Besuchern gerne angeflogen wird: Ortsmitte und Strand sind gleich um die Ecke, Fliegen und Erholung in der Natur lassen sich hier bestens verbinden.

Die Hauptbahn 09/27 sollten den ursprünglichen Entwicklungsplänen zum Opfer fallen - bei den üblicherweise vorherrschenden Westwinden ein Sicherheitsrisiko.
Das Verfahren, das mal vorab, konnte zumindest abgebremst werden. Wie Lösungen aussehen können, dazu später mehr.
Die Wyker Flugplatz-Betriebsgesellschaft gehört zu 50,4 Prozent der Stadt Wyk und zu 49,6 Prozent der Wyker Dampfschiffs-Reederei Föhr-Amrum, kurz W.D.R., die im Hauptgeschäft Fähren zwischen Festland und Inseln im Kreis Nordfriesland betreibt. Zwei Graspisten kreuzen sich auf dem Gelände, die 02/20 hat eine Länge von 660 Metern, die 09/27 von 605 Metern. Das Café-Restaurant "Am Flugplatz" bietet nicht nur den Sportfliegern eine Rastmöglichkeit, sondern ist auch bei Einheimischen und deren Gästen beliebt. Flugplatz-Geschäftsführer ist Christian Stemmer – und zugleich Verwaltungschef des Amtes Föhr-Amrum.

Jasmin Keuchel und Peter Pickert führen das beliebte Café-Restaurant „Am Flugplatz“, das auch einheimische Nichtflieger gerne besuchen.
Im Vorjahr gab es 1606 Flugbewegungen. Wesentlichen Anteil daran dürfte Jürgen Spittlers Flight-Service haben, der zehn Maschinen besitzt, fünf Flächenflugzeuge und fünf Gyrocopter. Die stehen je zur Hälfte auf Sylt und auf Föhr. Sie sind im Einsatz für Ausbildung, Rundflüge und Shuttle-Service.
Betreiber und Amt in der Kritik
Kaum, dass die Pläne der Flugplatzgesellschafter bekannt wurden, formulierten die Piloten ihre Kritik am Vorhaben – und am Verhalten der Betreiber.
Erstens sei der Verein nie von der Stadt in die Planungen einbezogen worden. Und das, obwohl Bürgermeister Uli Hess wohl schon seit vier Jahren über entsprechende Maßnahmen nachdenkt. Die Föhrer Luftsportlerin Anja Rappen erinnert sich, dass ihr Mann und der Geschäftsführer eines anderen, großen Verkehrslandeplatzes bereits im Jahr 2020 von Hess darauf angesprochen worden seien, wie sie zu einer Schließung der 09/27 und der Errichtung eines Wohnmobilplatzes stehen würden. Ein Zeichen, dass alles schon länger gärte. Punkt zwei der Kritik richtet sich darauf, dass ausgerechnet die Piste 09/27 wegfallen soll, obwohl sie wegen der überwiegenden Ost- und Westwinde für Starts und Landungen weit mehr Sicherheit bietet als die dann verbleibende 02/20. Würde man sich auf letztere beschränken, gefährde das infolge Cross- und Leewinden und den daraus reusltierenden Verwirbelungen die Sicherheit von Piloten und Passagieren. Darauf hatte Anja Rappen Bürgermeister Hess bereits vor vier Jahren eindringlich hingewiesen.
Der dritte Kritikpunkt betrifft die angeblich maroden Gebäude samt Tower, die laut Antrag in der Gemeindeverwaltung nicht mehr zu retten seien. Der Betriebsgesellschaft werfen die Piloten vor, sich über Jahrzehnte nicht um die Immobilien gekümmert zu haben, sodass sie trotz der Angebote von Investoren, Geld in die Hand zu nehmen und den Platz weiterzuentwickeln, letztendlich verfallen seien.

Protestieren an Ort und Stelle gegen die Pläne der Stadt: Frank Quasebart, Marco Thoms, Dr. Andreas Müller, Rainer Krüger und Wilhelm Dietz (v.l.).
"Wir hatten weiterhin unsere Hilfe bei der finanziellen Sanierung des Flugplatzes angeboten", konstatiert Anja Rappen nachdrücklich mit Verweis auf das damalige Gespräch mit Uli Hess. "Wir wollten mit den Luftsportkollegen ein Konzept erstellen, wie wir den Flugplatz wieder lukrativer machen können. Auch das war nicht gewollt." Konkret wird auch Pilot Wilhelm Dietz. Er habe Ernst Brodersen, Christian Stemmers Vorgänger im Amt des Flugplatzgeschäftsführers, angeboten, auf eigene Kosten einen Hangar zu bauen. Später könne die Halle kostenlos in den Besitz der Flugplatzbetriebsgesellschaft übergehen. "Es ist darauf keinerlei Reaktion erfolgt." Außerdem habe Dietz auf eigene Rechnung diverse Reparaturen vornehmen lassen. "Dabei ist es Aufgabe des Geschäftsführers, sich um einen einwandfreien Zustand des von ihm zu führenden Unternehmens zu kümmern."
Der Amtsdirektor reagiert
Auf Nachfrage, ob ihm Angebote von Investoren bekannt seien, erklärt Christian Stemmer: "Offen gesagt lagen und liegen mir keine konkreten Vorschläge vor." Allerdings zeigt er sich für die Zukunft offener: "Interessenten sollte auf Grundlage einer längerfristigen Pachtvereinbarung ermöglicht werden, auf eigene Kosten einen neuen Hangar zu errichten."
Punkt Nummer vier auf der Liste der Piloten ist die in der Beschlussvorlage erwähnte Schließung der Tankstelle. Zwar stimmt es, dass der TÜV die Zapfsäulen wegen technischer Mängel stillgelegt hatte. Allerdings habe es Angebote von Investoren gegeben, sie zu erneuern. Das sei aber nicht aufgegriffen worden, womit ein wichtiger Baustein für die Entwicklung des Flugplatzes entfiel, weil ihn Durchreisende nicht mehr zum Auftanken anfliegen können.
Wilhelm Dietz erklärt, er habe die komplette Planung für eine Tankstelle an den früheren Geschäftsführer gegeben – und keine Reaktion erhalten. Ähnlich sei es Dirk Lehmann ergangen, wie er berichtet. Er war Inhaber der am Wyker Flugplatz angesiedelten Gesellschaft "Westküstenflug", die Rund- und Charterflüge durchführte. Er habe angeboten, auf eigene Kosten eine neue Tankstelle errichten zu lassen und kontaminierten Boden unter dem alten, undichten Tank fach- und sachgerecht auf seine Kosten zu entsorgen. Er wollte auch den Betrieb der Tankstelle übernehmen und sie selbst nutzen – und alle anderen hätten ebenfalls dort tanken können.
Amtsdirektor und Flugplatz-Geschäftsführer Stemmer soll entgegnet haben, dass die Entsorgung des Bodens teurer sei und ausschließlich durch die Betriebsgesellschaft erfolgen solle, die allerdings das Geld dazu nicht habe. Lehmann hingegen beklagt, dass die Betriebsgesellschaft dieses Angebot mit "fadenscheinigen Behauptungen" abgelehnt habe. Westküstenflug musste den Betrieb einstellen. Eine Pointe des Ganzen: Lehmann betreibt heute drei Sonderlandeplätze mit Tankstellen.
Ist die Tankstelle wirtschaftlich?
Auf aerokurier-Nachfrage geht Christian Stemmer auch ausführlich auf die Kritik zum Thema Tankstelle ein. "Dem Gedanken an eine Sanierung standen 2017/2018 die hohen Kosten von etwa 350 000 bis 400 000 Euro entgegen" – unter anderem für den Austausch des Tanks, den Abtransport des Bodens, eine neue, wasserundurchlässige Betonwanne um die neue Zapfanlage sowie einen neuen Leichtflüssigkeitsabscheider. Erschwerend sei, dass das Flugbenzin aus dem europäischen Ausland geliefert und schließlich mit der Fähre auf die Insel Föhr transportiert werden müsse. "In dieser Konstellation zweifeln wir stark an, dass wir im Sinne des Preises wirklich konkurrenzfähig gegenüber den Flugplätzen gleicher Größe in der Umgebung wie beispielsweise Hartenholm oder St. Peter-Ording auf dem Festland sein würden."
Zur Position der Luftfahrtbehörde zu den Plänen des Amtes Wyk-Amrum erklärt Christian Stemmer, dass die "eine Schließung der Bahn (09/27, Red.) für möglich hält, da vergleichbare Situationen auf mehreren Flugplätzen in Schleswig-Holstein anzutreffen sind". Und in seiner Vorlage für die städtischen Gremien schrieb er: "Es ist durch die Flugaufsicht fest mit einer genehmigungsrechtlichen Abstufung als Sonderlandeplatz zu rechnen."
Fragt man beim für Luftfahrt zuständigen Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein nach, heißt es, dass die Behörde lediglich im Rahmen eines Informationsaustauschs vor Ort Kenntnis von den Plänen erlangt habe. "Eine formale Beteiligung ist bislang nicht erfolgt". Ginge ein Antrag ein, die Rollbahn 09/27 aufzuheben, wäre zu prüfen, ob dem stattgegeben werden kann. "Diese Frage kann nicht vorab beantwortet werden."
Für gewaltige Skepsis bei den Piloten sorgt Christian Stemmers Doppelrolle in der Sache. Denn Stemmer muss einerseits als Amtsdirektor die Ziele der Stadt verfolgen und entsprechend die Gremien informieren. Als Geschäftsführer der Betriebsgesellschaft muss er hingegen den Flugplatz unterhalten und weiterentwickeln. Da seien Interessenkollisionen vorprogrammiert, sind sich viele sicher. Stemmer sieht das entspannt. Die Stadt sei demnach durch den Entwurf des neuen Regionalplans sogar verpflichtet, dafür zu sorgen, dass der Flugplatz für die Zwecke der Allgemeinen Luftfahrt gesichert und bedarfsgerecht weiterentwickelt werde.

Jörg Spittler betreibt den Flight Service in Wyk, der Schulung sowie Rund- und Shuttleflüge anbietet. Für ihn ist der Flugplatz wirtschaftliche Basis.
Protest formiert sich – auch online
In der Facebook-Gruppe "Inselflieger" erhoben viele der 2184 Mitglieder ihre Stimme. Bent Esbensen aus Esbjerg, Dänemark, fliegt seit 40 Jahren sechs bis sieben Mal pro Jahr nach Föhr. Er schreibt: "Es ist kaum ein faires Argument, dem Flugplatz vorzuwerfen, er sei veraltet und baufällig, wenn die Eigentümer diesen Zustand mit offenen Augen zugelassen haben."
Peer Schmidt, leidenschaftlicher Hobbypilot aus Rheine/Westfalen ist ebenfalls immer wieder zu Besuch. "Profit ist wichtiger als Natur, Image und die Sicherheit der Piloten." Die Föhrer Pilotin Anja Rappen fürchtet mehr Engpässe auf den Fähren: "Der Rückhalt, den wir hier in der Bevölkerung haben, ist überwältigend. Die Insulaner möchten diesen Wohnmobilstellplatz ebenfalls nicht. Schon jetzt ist es in den Sommermonaten wegen der vielen Camper schwierig, spontan mit dem Auto aufs Festland zu kommen. Diese Situation wird sich bei geplanten 25 000 Übernachtungen auf dem Womo-Platz weiter zuspitzen."
Dr. Matthias Redlefsen postete seinen Brief an den Bürgermeister. Stecke man all die Investitionen, die für den Bau des Womo-Platzes erforderlich seien, in die Infrastruktur des Flugfelds, wäre der wirtschaftliche Nutzen erheblich höher. "Der Flughafen hat das Potenzial, schwarze Zahlen zu schreiben. Er ist über die Jahrzehnte einfach kaputtgespart worden."
Support für die Flieger signalisierte auch Claus Cordes, Präsident des Deutschen Aero-Clubs und des Luftsportverbandes Schleswig-Holstein. Er sicherte dem Vorstand des LSC die Unterstützung des Verbandes zu, um den Flugplatz in seiner jetzigen Form zu erhalten und für die Zukunft zu sichern.

Echo, UL, Gyrokopter – in Wyk haben viele Fluggeräte ihr Zuhause. Der Platz ist zudem überaus beliebt bei auswärtigen Piloten, die hier gerne einen Stopp einlegen.
Unter den "Inselfliegern" ging es weiter turbulent zu. Im Moment der ersten Empörung, als die Pläne durchgesickert waren, fragte einer, ob es nicht an der Zeit sei, mit einem Skytexter den Protest an den Himmel über Föhr zu schreiben.
Torsten Hartmann aus Föhr indes bat um konstruktive Vorschläge, wie die Kuh vom Eis geholt oder die Wohnmobile vom Flugplatz ferngehalten werden könnten. "Wir sind in der Phase, wo es um Zahlen, Fakten und Konzepte geht". Damit beschreibt Hartmann gut die aktuelle Situation. Denn der Protest gegen das übereilte Vorgehen der Stadt zeigte Wirkung. Das Stadtparlament entschied, einen Arbeitskreis zu bilden, besetzt aus allen fünf Fraktionen. Und Christian Stemmer bestätigte gegenüber dem aerokurier: "Dem Luftsportverein wurde bereits in der Stadtvertretung bekannt gegeben, dass der Verein zu Sitzungen eingeladen werden wird." Mitglied dieser offiziellen Lenkungsgruppe sind sie demnach nicht, aber das kann sich ja nun noch ergeben.