Nachdem Cessna lange Zeit der Ruf vorauseilte, bei Neuentwicklungen eher zurückhaltend zu sein, geht es jetzt mit großen Schritten vorwärts. Gleich an vier Projekten arbeiten die Ingenieure bei Textron Aviation parallel. Kurz vor der Zulassung steht die Cessna Citation Longitude als neuer Herausforderer in der Klasse der Super-Midsize Business Jets. Gleichzeitig nimmt das zukünftige Topmodell Cessna Citation Hemisphere Gestalt an. Mit der Denali zeigt Cessna im Turboprop-Segment Flagge. Ende November überraschte das Unternehmen dann mit der Ankündigung der Cessna SkyCourier 408, die in Kooperation mit FedEx Express in zwei Versionen – als Frachter und als Passagierflugzeug – auf den Markt kommen soll.
Cessna Denali





Gute Nachrichten gab es zum Jahresende für die Cessna Denali, eine von Grund auf neu konstruierte Single-Engine-Turboprop. Kurz vor Weihnachten meldete GE Aviation den ersten Testlauf des neuen Advanced Turboprop, das unter der Denali-Cowling stecken soll. Mit diesem Triebwerk möchte General Electric das dominierende PT6 von Pratt & Whitney Canada herausfordern. Die Arbeiten für die Zertifizierung des Antriebs sollen 2018 beginnen. Angegeben ist für die Denali eine Leistung von 1240 shp (925 kW), die die Turbine an einen mächtigen Fünfblattpropeller der Marke McCauley überträgt.
Die Denali soll eine maximale Reisegeschwindigkeit von 285 Knoten erreichen und auf maximal 31 000 Fuß klettern können. Starten und landen darf die Neue bei Bedarf auch auf unbefestigten Pisten. Textron wirbt damit, eine der geräumigsten Kabinen in dieser Klasse entworfen zu haben: An Bord ist Platz für acht bis elf Passagiere, zudem gibt es viel Platz fürs Gepäck. Den Piloten erwartet ein moderner Arbeitsplatz mit FADEC-Einhebelbedienung und dem Garmin-G3000-Cockpit.
Brad Thress, Senior Vice President von Textron Aviation, sieht in der Denali ein vielseitiges Flugzeug, das sich perfekt für die Geschäftsluftfahrt eignet: „Die Denali wird mit einem Piloten und vier Passagieren eine Reichweite von 1600 nautischen Meilen im schnellen Reiseflug erreichen. Damit kann sie von Los Angeles nach Chicago, von New York nach Miami oder von London nach Moskau fliegen.“ Die Tests der Zelle sind bereits weit fortgeschritten. Der Erstflug steht für Ende 2018 im Kalender.
Cessna SkyCourier 408
Die Cessna SkyCourier 408 wird wahlweise als Fracht- oder als Passagiervariante erhältlich sein. Optisch erinnert der in Metallbauweise gefertigte Schulterdecker an die einmotorige Cessna Caravan. Das Logistikunternehmen FedEx Express hat 50 Exemplare bestellt und eine Option für weitere 50 SkyCouriers unterzeichnet. Die Frachtversion des neuen Utility-Flugzeugs kann drei, in Summe 2,7 Tonnen schwere LD3-Container transportieren. Bis zu 19 Gäste kann die Passagierversion befördern. Angetrieben von zwei Pratt & Whitney PT6A-65SC, beschleunigt die SkyCourier auf eine Reisegeschwindigkeit von 200 Knoten bei einer Reichweite von 900 nautischen Meilen. Kurze Bodenzeiten soll eine Einpunkt-Druckbetankungsanlage ermöglichen.
Erst Mitte 2017 haben FedEx Express und Cessna die ersten Entwürfe gezeichnet. 2018 werden die Tests im Windkanal beginnen, ein Jahr darauf soll die neue Cessna zum Erstflug starten. Bereits 2020 soll die Frachtversion ihren Dienst aufnehmen.
Cessna Citation Longitude

Bewegung ist auch im Segment der Business Jets. Hier will Textron Aviation an den Erfolg der Citation Latitude anknüpfen. 2014 startete der Midsize Jet zum Erstflug, im Sommer 2015 erhielt er die Zulassung, und im Oktober 2017 verkündete der CEO von Textron Aviation, Scott Ernest, auf der NBAA-BACE die Auslieferung der 100. Latitude an NetJets – und sprach von einem „Milliardengeschäft“.
Die größere Schwester Citation Longitude wird das Portfolio in Kürze ergänzen. Die Entwicklung des Super-Midsize Business Jets ist unter den vier Cessna-Projekten am weitesten fortgeschritten – Zulassung und Indienststellung werden für Anfang dieses Jahres erwartet. Mitbewerber sind Muster wie Gulfstream G280 oder Bombardier Challenger 350. Bei Reichweite, Zuladung und Geschwindigkeit möchte Textron ganz vorne dabei sein. Mit Service-Intervallen von 800 Stunden oder 18 Monaten ist die Longitude ausgesprochen wartungsarm. Das erste Serienflugzeug tourt durch die Vereinigten Staaten, die übrigen fünf Jets sind für die Flugtests im Einsatz. Das Testprogramm umfasst bisher mehr als 1500 Stunden und 700 Flüge. Angetrieben wird der Zweistrahler von zwei Honeywell HTF7700L mit jeweils 33,8 Kilonewton Schub. Die jüngste Generation dieser Triebwerksreihe wurde im Sommer 2017 zugelassen. Bis zu zwölf Passagiere finden an Bord der Longitude Platz. Textron bewirbt die Kabine als die leiseste ihrer Klasse mit einer maximalen Druckhöhe von knapp 6000 Fuß. Die Reichweite mit vier Passagieren an Bord gibt der Hersteller mit 3500 nautischen Meilen an, genug für Flüge von Europa an die Ostküste der USA. Die maximale Reisegeschwindigkeit beträgt 476 Knoten.
Cessna Citation Hemisphere

In der Kategorie der großen Business Jets möchte sich Cessna mit der Citation Hemisphere Marktanteile sichern. Platz für 19 Passagiere, 4500 nautische Meilen Reichweite und eine Reisegeschwindigkeit von Mach 0.9 – das alles gepaart mit dem Komfort einer in drei Zonen aufgeteilten Kabine. Auch bei der Hemisphere spart Textron nicht mit Superlativen. Einen Vorgeschmack auf das, was kommt, konnten die Besucher der NBAA im Oktober anhand eines Kabinen-Mockups erfahren. Dort wurden auch die Auftragsbücher geöffnet.
Bis zur Serienreife der Hemisphere ist es noch ein weiter Weg. Der Erstflug ist nicht vor Ende 2019 zu erwarten, die Zulassung soll ein Jahr später folgen. Bisher sehen die Entwickler das Projekt im Zeitplan. Die Tests im Windkanal sind abgeschlossen, der Weg für die Entwicklung der Struktur ist damit frei. Ein Simulator ist in Arbeit. Aus Pilotensicht wird die Hemisphere auf der Höhe der Zeit sein: Die Besatzung erwartet ein Fly-by-Wire-System und topaktuelle Avionik – vorgesehen ist das Primus Epic Flight Cockpit von Honeywell.
Textron möchte die Citation Hemisphere mit zwei Safran Silvercrest bestücken. Dieses Triebwerk sollte auch in der Falcon 5X zum Einsatz kommen. Probleme mit dem Hochdruckverdichter haben die Entwicklung des französischen Jets bereits mehrfach verzögert, weshalb Dassault das Programm Mitte Dezember notgedrungen beendet hat. Was die anhaltenden Schwierigkeiten mit dem Silvercrest für die Hemisphere bedeuten, ist derzeit noch nicht klar.
Textron-Chef Scott Ernest: „Kein anderes Flugzeug in diesem Segment bietet diese Kombination aus neuester Technologie, bestem Komfort für die Passagiere und niedrigsten Unterhaltskosten, und das zu einem Preis, der unerreicht ist.“ Rund 35 Millionen US-Dollar wird die Hemisphere kosten.
aerokurier Ausgabe 02/2018