Airleben in Frankreich: Mit der Cessna von Nancy bis Straßburg

Mit der Cessna das Herz Frankreichs Airleben
Fliegerfreiheit über Elsass und Lothringen

Veröffentlicht am 01.08.2025

Stolz wie Bolle, zum ersten Mal ganz allein französischen Asphalt unter die Räder genommen zu haben, rollen wir – "Reiseleiterin" plus Co-Pilotin Ilona und ich – mit der Cessna 172 R des Vereins ratlos übers menschenleere Vorfeld von Nancy-Essey. Funk? Fehlanzeige. Der Turm – im Anflug kam noch eine Antwort – ist wie so oft in Frankreich verwaist.

Der Crew einer Bristell mit deutscher Kennung geht es nicht besser. Die beiden Insassen, durchaus des Französischen mächtig, haben schon ein paar Runden mehr zwischen Tower und Hallen gedreht als wir und stehen mit laufendem Motor irgendwo im Nirgendwo. "Delta India Romeo für die Delta Tango Mike, wisst Ihr, wo man hier parken darf?" "Delta India Romeo, wir haben auch keine Ahnung. Angeblich sollen da hinten Parkplätze sein."

Nancy-Essey: Verwaiste Türme, freundliche Mechaniker

So ganz eindeutig liest sich die Rollkarte mit den Abstellflächen aus meiner Sicht nicht. Schulterzuckend biege ich nach links in Richtung einer Werfthalle ab und stelle dort erst mal den Quirl ab. Mit einem Anruf ist der Flugplan geschlossen, ein in Frankreich besonders wichtiger Akt, will man nicht versehentlich die SAR-Kette in Gang setzen. Ich quatsche einen Mechaniker an, in diesem Moment das einzige menschliche Wesen weit und breit. Auf Englisch. Was dieser zwar nicht versteht, aber mit Händen und Füßen einigen wir uns darauf, dass wir hier ein paar Stunden stehenbleiben dürfen, sofern wir unser Vögelchen ein paar Meter nach vorn ziehen, um kein Hallentor zu blockieren.

Problem gelöst. Die Landegebühr zahle ich später per iPhone über Aerops. "Den Flugplatz hatte ich mir viel größer und voller vorgestellt", sagt Ilona als fliegerische Novizin, beinahe ein wenig enttäuscht. Auf geht’s in die Stadt! Bloß, wie kommen wir jetzt von hier weg?

Nancy-Essey (LFSN)

AirLeben_Frankreich-Reise_Nancy-Essey
Patrick Holland-Moritz
  • Funk: 119,605 MHz AFIS oder A/A
  • Piste: 03/21, 1600 m, Asphalt und 550 x 50 m, Gras
  • Sprit: Avgas 100LL, Jet A-1
  • Web: https://www.nancy.aeroport.fr/
  • Tel.: +33 (0)3 83 215690
  • Mail: operations@aeroport-nancy-tomblaine.fr

Kurzer Sprung, lange Vorbereitung

Rückblende. Ihren Anfang nahm unsere Reise mit der Idee, von der Homebase Bad Neuenahr-Ahrweiler einen Ausflug nach Luxemburg zu machen. Klein denken und trotzdem den deutschen Luftraum verlassen. Blöd nur, dass der Flughafen nicht gerade durch Gastfreundlichkeit für die General Aviation glänzt: Antworten auf Mails waren wenig aussagekräftig und die Gebühren hoch.

Spontan kam mir Colmar als Plan B in den Sinn. 2019 war das Städtchen im Elsass der Ausgangspunkt unserer Leserreise, bei der ich David Kromka in dessen Mooney begleiten durfte. Abendessen in der pittoresken Altstadt, ein Blick auf die Vogesen im An- und Abflug und sogar eine Stippvisite bei einer geschrumpften Freiheitsstatue haben sich nachhaltig in meinem Gedächtnis festgesetzt – schön war’s, aber zu kurz. Welch eine Verschwendung, das Elsass zum Sprungbrett ins "richtige" Frankreich zu degradieren.

Als Bonus für unsere Tour planen wir noch eine Landung auf dem Flughafen Straßburg-Entzheim. Da wir gerade von fliegerischer Freiheit sprechen, passt es ins Konzept, dass dort das Europäische Parlament neben Brüssel seinen zweiten Sitz hat, was ja auch ein Symbol von Freiheit ist (oder je nach Sichtweise von Regulierungswut).

Mit wohlwollenden Bewertungen bei eddh.de, transparenter Gebührenordnung und freundlicher Kommunikation im Vorfeld erscheint mir der Flughafen eine lohnende Destination. Unsere Planung für eine Reise unter dem Motto "Frankreich für Einsteiger" – oder "für Vorsichtige" – steht. Zumindest, bis sich Henrik einschaltet.

Das Fliegen gehört für uns aerokurier-Redakteure zwar zum Handwerk, aber mit den Abenteuern unserer Leser, die wir Monat für Monat ins Heft bringen, können wir nicht immer mithalten. Ein Sprung über die Grenze ist für mich also auch nach etlichen Jahren im Cockpit immer noch nicht alltäglich. Im Gegensatz zu früheren Flügen nach Österreich, in die Schweiz und nach Holland fühlt sich Frankreich auch nach zwei Leserreisen auf dem rechten Sitz allein schon wegen der Sprachbarriere und der vielen Lufträume respekteinflößend an.

Das sage ich auch Ilona: "Klar können wir nach Frankreich, aber bitte nicht zu weit rein. Die Lufträume sind schrecklich verschachtelt." Als Nicht-Pilotin nickt sie zwar verständnisvoll, ahnt aber noch nichts von der Bedeutung des Strickmusters auf der Karte, bestehend aus Restricted Areas, TMAs und Tieffluggebieten. Das alles erklärt uns Henrik Knoblauch in einer Teams-Sitzung, die sich spontan aus einer Frage zu Colmar ergibt. aerokurier-Leser kennen seine Berichte über Reisen mit Ehefrau Bine, Tochter Steffi und den beiden Teddybären London und Mary.

Frankreich für Vorsichtige: Lufträume, Funk & Feiertage

Grenzkontrollen, Überflughöhen und French-only-Plätze sind Themen, die ich bei einem Flug innerhalb der EU nicht auf dem Schirm hatte. "Schengen in a nutshell" lautet Henriks Stichwort, wenn es um Personenkontrollen an einigen Plätzen geht, und das, obwohl Frankreich Schengenstaat ist. Auch freue ich mich, eine Step-by-Step-Anleitung an die Hand zu bekommen, um den Status der Lufträume und Tieffluggebiete online abzurufen.

Wir streichen eine angedachte Landung auf dem kleinen Platz Saint-Dié-Remomeix in den Vogesen, an dem man nur mit französischem Funk einschweben darf. Angesichts rudimentärer Sprachkenntnisse, die kaum über "oui" und "merci" hinausreichen, riskiere ich nichts.

Mit Nancy bringt Henrik eine Alternative weiter im Landesinneren ins Spiel: Die 105.000-Einwohner-Stadt liegt 120 Kilometer westlich von Straßburg, aber mit unserem neu erworbenen Wissen wird es schon klappen. Zumal wir am 1. Mai anreisen, einem Feiertag, an dem die meisten Lufträume nicht aktiv sind. Zum Schluss lernen wir noch, dass die französische AIP eine eigenwillige Art hat, mit nobelpreisverdächtigen Formeln die Servicezeiten der Flugplätze unnötig kompliziert darzustellen. Ilona hat es kapiert, bei mir fällt der Groschen später. So wird aus der Reise ins Elsass ein Trip nach… Elsass-Lothringen? In den Nordosten Frankreichs? Wohin auch immer, wir freuen uns.

Nancy: Plötzlich sind wir mitten in Frankreich

Zurück ins Cockpit. Wir bugsieren die Cessna aus der Halle, checken und tanken. Um kurz nach neun sind wir pünktlich airborne. Lesson learned: Ein Flugplan erzieht zur Disziplin. Es geht über die Eifel, wir zählen Moselschleifen bei Trier und werfen vor der Grenze einen Blick auf das rostige Stahlwerk Dillinger Hütte. Über Frankreich strahlt das Gelb der Rapsfelder förmlich bis ins Cockpit.

Straßburg Information übernimmt von Langen Information, bevor wir zu Lorraine Approach weitergereicht werden. Die Controller machen es mir leicht, die Scheu abzulegen. Der Umgangston ist freundlich, das Englisch klar, und unserem Anliegen nach einem Direct-to nach Nancy (LFSN) durch die TMA wird sofort stattgegeben. Ist etwa doch etwas vom AZF-Unterricht vor ein paar Jahren hängengeblieben?

Der Turm von Nancy ist zwar nicht besetzt, aber andere Flugzeuge weisen uns den Weg in die Platzrunde zur gemäß Anflugkarte bevorzugten Landerichtung 03. Starre Öffnungszeiten gibt es in Frankreich eben nicht. Es folgt: Autoscooter auf dem Vorfeld…

In der prallen Sonne laufen wir die schmucklose Avenue Nelson Mandela entlang zur Bushaltestelle, als die Bremslichter eines VW Polo vor uns aufleuchten. Am Steuer: einer der beiden Vereinspiloten, die wir eben noch nach dem System für den Wiedereinlass aufs Gelände mittels Code-Eingabe gefragt haben. "Wo wollt ihr hin?", fragt der Fahrer auf Englisch, der sich uns jetzt als Jérôme vorstellt. "Ins Zentrum."

Ein freundlicher Pilot namens Jérôme rettet den Tag

Sonderlich gut sind wir angesichts der kurzfristig umgekrempelten Planung nicht auf Nancy vorbereitet, aber der Place Stanislas scheint ein guter Ausgangspunkt für eine Erkundung zu sein. "Das ist der schönste Platz der Welt, zumindest soweit ich weiß. Ich lasse euch in der Nähe raus", sagt er. Unterwegs quatschen wir übers Fliegen und sind uns einig darin, dass solche Reisen keineswegs selbstverständlich sind. Henrik versorgt uns derweil aus dem fernen München mit Tipps und Koordinaten für Google Maps.

Zu Fuß hätte der Weg ins Zentrum kostbare Zeit verschlungen, und auch mit dem (am Wochenende sogar kostenlosen) Bus wären wir eine knappe Stunde unterwegs gewesen. Zeit, die wir nicht haben: Zwei Übernachtungen in Colmar und Straßburg sind gebucht.

Das nächste Leg, das Wetter und die Spritplanung, all das beschäftigt mich während der Fahrt in die Stadt. Für den Samstag bahnen sich Gewitter an. Oft habe ich den Kopf über Piloten geschüttelt, die sich kaum Zeit fürs Sightseeing nehmen. Asche auf mein Haupt, jetzt geht es uns nicht viel besser. Trotzdem genießen wir den Augenblick.

Wir verabschieden uns von Jérôme und schnuppern in den Jardin Dominique Alexandre Godron rein, ein blühender Mini-Park. Ein paar Hundert Meter weiter erreichen wir den Place Stanislas, der auch als Place Trump durchgehen könnte – zumindest dürfte der eigenwillige US-Präsident Gefallen an den goldenen Applikationen des Amphitrite-Brunnens und anderen Bauwerken finden. Mit nicht mal eineinhalb Stunden Flugzeit haben wir uns aus dem Rheinland ins Herz Frankreichs katapultiert. Irre! Da ist es also, dieses Gefühl von Fliegerfreiheit.

AirLeben_Frankreich-Reise_Nancy_Innenstadt
Patrick Holland-Moritz

Viel mehr als ein Blick in Wikipedia bleibt uns aber kaum, um eine Ahnung davon zu bekommen, wo wir hier gelandet sind. Eine Touristen-Bimmelbahn startet gerade zu ihrer Runde. "Wollen wir aufspringen?", frage ich Ilona, die mich mit strafendem Blick auf die Uhr in die Realität zurückholt. Dann eben doch Wikipedia: Das Konzept für den Platz aus dem 18. Jahrhundert geht zurück auf Stanisław Leszczyński, Herzog von Lothringen und ehemaliger König von Polen. Sein Denkmal ziert das Zentrum des Platzes, dazu gibt es den Arc Héré, Nancys Triumphbogen, und ein paar Cafés. Seinen Platz als Teil des UNESCO-Weltkulturerbes hat sich dieser Ort verdient.

Wir schlendern durch den Parc de la Pépinière, und mit einem Eis auf der Faust laufen wir weiter zum Kanal, wo Hausboote vor Anker liegen. Auf dem Weg durch typisch französische Straßen passieren wir die Cathédrale Notre-Dame-de-l’Annonciation ebenso wie moderne Architektur. Viel zu schnell endet der Besuch mit einer Fahrt im Uber zurück zum Flugplatz. Au revoir Nancy, bonjour Colmar!

Ein paar Zahlen sind alles, was wir im französischen Funkverkehr beim Abflug verstehen. "Nöff-Nöff", Neun-Neun, wird zum Running Gag. Eindeutig sind die Sprache des Windsacks und die Entscheidung anderer Piloten vor uns, die die Piste 21 bevorzugen. Dann Meldung auf Englisch und los. Wir klettern auf 5000 Fuß, um Aufnahmen von Stadt und Flugplatz zu machen.

Colmar: Elsässischer Charme trifft Mini-Freiheitsstatue

Ein französisches Dekret aus dem Jahr 1958 steht in Kontrast zu den SERA-Regeln und schreibt vor, dass Städte abhängig von ihrer Größe in gestaffelten Mindesthöhen überflogen werden müssen. Das gilt auch für Ansammlungen von Menschen und Tieren. Nancy gehört bereits zur größten Kategorie.

Die Strecke nach Colmar verwöhnt uns mit Fotospots. Über den sattgrünen Erhebungen der Vogesen klettern wir auf bis zu 5500 Fuß. Im Herzen von Saint-Dié – dort, wo wir landen wollten – entdecken wir den Tour de la Liberté, den "Freiheitsturm", dessen Name wunderbar zum Gedanken unserer Tour passt.

AirLeben_Frankreich-Reise_Freiheitsstatue
Patrick Holland-Moritz

Wir kreisen um das Château du Haut-Koenigsbourg, hierzulande bekannt als Hohkönigsburg, bevor wir nach Colmar absteigen. Vor der Landung nehmen wir noch Eguisheim vor die Linse, das wir in der Planung als "kleine, runde Stadt" ausgemacht haben. Auch das achteckig angelegte Neuf-Brisach, umringt von einer stern- förmigen Gartenanlage, ist ein toller Anblick am Grenzfluss Rhein.

Als wir ankommen, ist Colmar-Houssen (LFGA) ein kontrollierter Platz. Der Türmer ist freundlich, und auch ohne BP-Karte dürfen wir Avgas zapfen. Nachdem sich jedoch ein Gleitschirmpilot ohne Funk auf die Asphaltbahn verirrt hat, herrscht erst mal dicke Luft am Platz, und wir warten eine Dreiviertelstunde auf den Mitarbeiter zur Inbetriebnahme der Zapfsäule. Zeit, die uns zwar in der Stadt fehlen wird, uns aber einen wundervollen Sonnenuntergang mit Blick auf die Vogesen beschert. Der Moment ist einfach perfekt.

Den Piloten-Kalauer, dass wir uns verflogen haben, als wir beim Verlassen des Flugplatzes auf die Freiheitsstatue blicken, verkneife ich mir – zu oft wurde über die Mini-Version der Statue gewitzelt. 2004 wurde die nur zwölf Meter messende Variante aufgestellt, um an Frédéric-Auguste Bartholdi zu erinnern. Der Sohn der Stadt erschuf einst das 1886 eingeweihte New Yorker Original. Wieder ist das Thema Freiheit präsent, wenn auch nur auf einer Verkehrsinsel.

Colmar und Eguisheim: Wundervoller Kitsch

Das kulturelle Angebot der elsässischen Stadt mit ihren 67.000 Einwohnern kann sich mit dem einer Großstadt messen: Museen, Ausstellungen, Konzerte und natürlich das Bartholdi-Museum lassen keine Langeweile aufkommen. Wir lassen uns durch Colmar treiben, zwar nicht an Bord eines der Boote, sondern im stetigen Touristenstrom. Wir schlendern durch La Petite Venise mit seinen Brücken und Kanälen, besuchen das Gerberviertel, bewundern das Koifhus (Kaufhaus) und schauen in der historischen Markthalle Marché Couvert rein, ein Paradies für alle, die auf der Suche nach französischen Spezialitäten sind.

In den Boden eingelassene Pfeile mit der symbolisierten Freiheitsstatue weisen den Weg durch Colmars Sträßchen. Wir lassen uns Zeit, zu viel Zeit. Kaum haben wir die Stadt ins Herz geschlossen, bricht die Dunkelheit über uns herein, und wir bleiben hungrig. Dass die Restaurants spätestens um 22 Uhr schließen, haben wir nicht erwartet. Die französische Küche steht bisher definitiv nicht im Fokus unserer Tour. Äpfel, Kekse und Müsliriegel aus dem Rucksack retten den Abend.

Wer die 1700-Seelen-Gemeinde Eguisheim im Südwesten Colmars besuchen möchte, muss etwa eine Dreiviertelstunde mit dem Bus einplanen, wie wir ein Taxi bestellen oder gut zu Fuß sein. Auch in der "kleinen, runden Stadt" herrscht reges Treiben, sanftes Schubsen für den perfekten Selfie-Spot inklusive.

Das Internet verspricht nicht zu viel: Urige Fachwerkbauten wie das Eckhäuschen La Grange d‘Eguisheim oder das Taubenhaus mit den Teddybären an der Fassade prägen das Bild. Herzchen in allen Variationen säumen das Dorf, Störche sind allgegenwärtig, und die Osterhasen halten bis in den Mai tapfer Stellung.

In einer Konditorei kosten wir Kokosmakronen – und kaufen gleich den XL-Beutel zum Ist-okay-Preis. Lecker! In der Kapelle St. Leo IX. finden wir einen Moment Ruhe. Wer Zeit hat, kann die umliegenden Burgen besichtigen, Wein kosten und essen gehen. Eguisheim ist unser Favorit, doch Straßburg ruft. Wie war das mit der Freiheit beim Fliegen?

Colmar-Houssen (LFGA)

AirLeben_Frankreich-Reise_Colmar_Flugplatz
Patrick Holland-Moritz
  • Funk: 119,000 MHz TWR, AFIS oder A/A, 121,880 MHz GND, 126,135 MHz (ATIS)
  • Piste: 01/19, 1630 x 30 m, Asphalt und 950 x 80 m, Gras
  • Sprit: Avgas 100LL, Jet A-1
  • Web: https://www.colmar.aeroport.fr/
  • Tel.: +33 (0)3 89 202290
  • Mail: contact@colmar.aeroport.fr

Straßburg: Am Puls Europas

"Von Colmar nach Straßburg kannst du mit dem Fahrrad fahren", hatte ein Kollege vor der Abreise gewitzelt. Wir bevorzugen die Cessna – lieber 20 Minuten fliegen als vier Stunden radeln. Die Controllerin fragt, ob wir wirklich in Straßburg landen möchten. Habe ich etwas in der Preisliste übersehen? Für einen Moment bin ich unsicher, bestätige aber das Ziel. Spoiler: Mit 54,20 Euro einschließlich Parken über Nacht, zu bezahlen per Rechnung, sind die Gebühren absolut fair.

Über die VFR-Wegpunkte geht es zur Schwelle der Piste 23. Meine Bitte nach einer Fotorunde über der Stadt lehnt die Dame auf dem Turm ab. Ohne Genehmigungsnummer geht nichts. Irgendwie bin ich sogar froh, mich ganz auf den Anflug konzentrieren zu können. Am südwestlichen Ende des Platzes sollen wir auf Position B8 parken. Nicht B7, nicht B9, es muss B8 sein, wenngleich wir neben einer Cirrus mutterseelenallein auf der Betonfläche sind.

Wir quetschen unsere Taschen durch eine Drehtür, und ich muss herzlich lachen: Das General Aviation Terminal der Europastadt ist ein verlassener Betonquader im Format einer besseren Gartenhütte, weitab vom Schuss und ohne Busanbindung. Das war uns vorher klar, aber das Drama live zu sehen, hat nochmal eine andere Qualität.

Wir kullern die Koffer knapp zwei Kilometer durch ein trostloses Gewerbegebiet zum Flughafenbahnhof. Ein Pärchen hilft uns bei der Wahl der richtigen Tickets am Automaten, der (wie vieles in diesem Land) nur auf Französisch kommuniziert. "Kauft eure Tickets lieber online", raten uns die beiden fürs nächste Mal. Wer es einfacher mag, der kann auch den am Rhein gelegenen Platz Straßburg-Neuhof ansteuern, aber hier gilt wie in Saint-Dié: "FR seulement" oder "French only".

Strasbourg-Entzheim (LFST)

AirLeben_Frankreich-Reise_Straßsbourg-Entzheim
Patrick Holland-Moritz
  • Funk: 119,250 MHz TWR, 121,805 MHz GND, 126,930 MHz ATIS
  • Piste: 05/23, 2400 x 45 m, Asphalt
  • Sprit: Avgas 100LL, Jet A-1
  • Web: https://www.strasbourg.aeroport.fr/
  • Tel.: +33 (0)3 88 646767
  • Mail: mp.esslinger@strasbourg.aeroport.fr

Der Blick auf die Wetterprognose lässt keinen Zweifel daran, dass wir nur den Abend in der Stadt haben werden. Dem stimmt auch Henrik zu: "Bis 13 Uhr solltet ihr zu Hause sein", sagt er am Telefon. Verlängern ist keine Option, denn der Sonntag sieht lokal nicht viel besser aus. Also machen wir das Beste draus – und tatsächlich ist es eine exzellente Idee, Straßburg bei Nacht zu erkunden. Während sich die Touristen in die Bars oder ihre Hotelbetten zurückziehen, haben wir freie Bahn.

Straßburg: Europas Herz bei Nacht entdecken

Ilona und ich streifen durch malerische Straßen, vorbei am beleuchteten Rheinpalast, erahnen die Konturen der in der Dunkelheit versteckten Paulskirche – und dann passiert es: "Wow!", entfährt es mir, als sich der einzige Turm des illuminierten Münsters hinter einer dunklen Straßenecke ins Blickfeld schiebt. Die 142 Meter hohe Kathedrale ist noch prachtvoller, als ich sie von einem früheren Besuch in Erinnerung habe. Nicht umsonst gilt die Cathédrale Notre-Dame als eine der schönsten gotischen Kirchen Europas. "Schöner als der Kölner Dom", sagt meine Begleiterin aus Niedersachsen mit verträumtem Blick auf die angestrahlte Front. Der Beinahe-Kölner in mir verkneift sich jeglichen Kommentar.

AirLeben_Frankreich-Reise_Münster
Patrick Holland-Moritz

Auch in dieser Stadt – mit knapp 300.000 Einwohnern die mit Abstand größte auf der Tour – könnte man mehrere Tage verbringen. Wir werfen einen Blick auf den Palais Rohan, der das Archäologische Museum, das Museum der Schönen Künste und das Kunstgewerbemuseum beherbergt. Auch das Europäische Parlament ist sicher einen Besuch wert.

Am Ufer der Ill schlendern wir durch die Altstadt und finden sogar noch ein kleines Restaurant abseits der Massen. Nichts deutet darauf hin, dass uns nur zwei, drei Kilometer vom deutschen Kehl am anderen Rheinufer trennen. Die To-do-Liste meiner Reiseleiterin beinhaltet weitere Highlights, die wir nicht schaffen: Schleusenbrücke, das Viertel Klein-Frankreich oder auch das Haus Kammerzell.

Den Weg zurück zur Cessna erledigen wir, des Laufens überdrüssig, mit einem Uber. Zurück im GAT, kontrolliert ein Flughafenmitarbeiter die Lizenz per Videoübertragung, um uns Zugang zu gewähren. "Wetten, du legst den Lappen falsch herum unter die Kamera?", witzelt die Schweizer Crew einer Piper-M-Klasse. "The other way around, please", sagt der Mann am anderen Ende der Leitung prompt. Grinsen, als ich die Lizenz um 180 Grad drehe.

Mit einem Anruf in Langen verlege ich den Flugplan um 30 Minuten nach vorn, und schneller als uns lieb ist verlassen wir Straßburg und sogleich den französischen Luftraum. Das angesagte Regengebiet entlang der Grenze ist unproblematisch, allerdings schüttelt uns der Westwind an der Kante zum Pfälzerwald ordentlich durch. Westlich geht es an Frankfurt und Mainz vorbei übers Rheintal nach Koblenz.

In Bad Neuenahr herrscht Alltag: Segelflugzeuge und Motorflugzeuge tummeln sich dort in ihren jeweiligen Platzrunden, solange es das Wetter heute noch zulässt. Unsere Landung ist nur eine von vielen an diesem Vormittag, für Ilona und mich aber eine ganz besondere. Die Scheu vor Frankreich ist Geschichte. Die heftigen Gewitter erleben wir zwei, drei Stunden später mit dem beruhigenden Gefühl, alles richtig entschieden zu haben. Das Gefühl der Freiheit: unbezahlbar!