Im Dunkeln gegen den Fels: So fand Air Race-Pilot Hannes Arch den Tod

Unfallanalyse R66
Air Race-Pilot Hannes Arch: Tod am Fels

Veröffentlicht am 18.11.2023

Am Mittag des 8. September 2018 war Hannes Arch laut Bericht der österreichischen Sicherheitsuntersuchungsstelle des Bundes (SUB) mit seiner Robinson R66 vom Flughafen Salzburg aus zu einem Flug ins hintere Gößnitztal aufgebrochen, um die Elberfelder Hütte mit Lebensmitteln zu versorgen. Hier stellte der Pilot seinen Helikopter auf dem Außenlandeplatz ab und verbrachte die Zeit bis etwa 18:50 Uhr UTC vor Ort. Gegen 19:02 Uhr startete er den Hubschrauber wieder, um gemeinsam mit dem Hüttenwirt zurück ins Tal zu fliegen. Der Passagier berichtete nach dem Unglück den Behörden, Arch habe ihn darüber informiert, dass er erst 1000 Fuß aufsteigen und dann direkt nach Salzburg fliegen werde, da er in dieser Höhe keinen Hindernissen mehr ausweichen müsse.

RBCP

Eineinhalb Minuten in der Luft

Der Hubschrauber stand beim Start entgegen der späteren Abflugrichtung. Um 19:05 Uhr hob die R66 ab und drehte 180 Grad nach rechts um die Hochachse. Hierbei fiel dem Passagier der eingeschaltete Landescheinwerfer auf. Dann steuerte Arch den Hubschrauber zunächst auf einen Kurs von etwa 340 Grad in Richtung Talausgang. Er erhöhte die Geschwindigkeit, änderte die Richtung aber sukzessive weiter nach Osten. Nach eineinhalb Minuten Flugzeit erkannte der Passagier Felsen im Lichtkegel, woraufhin der Pilot den Helikopter mit Zug am Stick in eine steile Nose-up-Fluglage brachte. Kurz darauf kollidierte die R66 mit dem felsigen Untergrund. Das Wrack blieb etwa 15 Meter unterhalb der Aufschlagstelle an einem steilen Hang liegen, der sich rund 650 Meter nordnordöstlich und zwölf Meter oberhalb der Elberfelder Hütte befand. Das Trümmerfeld erstreckte sich über einen Radius von etwa 100 Metern. Als Bergrettung und Alpinpolizei den Unfallort gegen 2:30 Uhr erreichten, befanden sich der bereits verstorbene Arch und sein Mitflieger noch im Cockpit, ihre Sicherheitsgurte waren angelegt und geschlossen. Erst um 4:15 Uhr konnte der durch Hals- und Lendenwirbel- sowie Rippenbrüche schwer verletzte Passagier mittels Hubschrauber abtransportiert werden.

DPA

Keine Hinweise auf technisches Versagen

Das Wrack wurde von der SUB detailliert begutachtet. Dabei ergaben sich keine Hinweise darauf, dass ein technisches Versagen ursächlich für den Absturz gewesen sein könnte. Die Steuerungselemente für Haupt- und Heckrotor waren abgesehen von Gewaltbruchstellen infolge des Unfalls kraftschlüssig verbunden, der Kraftstofftank wies keine Hinweise auf Undichtigkeiten auf, und auch der Kraftstoff entsprach den Spezifikationen für Jet A-1. Die Untersuchung des Triebwerks und die Analyse der Daten der Triebwerksüberwachung blieben ebenso ohne Befund wie die Nachforschungen zu Beladung und Schwerpunkt.

Da auch meteorologische Faktoren als Unfallursache ausgeschlossen werden konnten, konzentrierten sich die Ermittler in der Folge auf flugbetriebliche Aspekte. Zunächst wurde das von Arch erläuterte Abflugverfahren analysiert, das sich aber laut Untersuchungsbericht angesichts der theoretischen Performance des Hubschraubers eignete, um den Flug durchzuführen.

Fehlendes Licht

Als kritisch bewertet die SUB die Lichtverhältnisse an jenem Abend. Das Ende der bürgerlichen Abenddämmerung wurde mit 18:07 Uhr UTC angegeben. In Verbindung mit dem Mondstand und dessen Abdeckung muss von einer Nacht mit sehr geringem natürlichen Lichtanteil ausgegangen werden; das wurde auch von Zeugen auf der Hütte bestätigt. Zudem gibt es am Ausgang des Gößnitztals keine künstlichen Lichtquellen, was die Orientierung erschwert. Die Situation wurde mutmaßlich noch verschärft durch die laut Passagier eingeschalteten Landescheinwerfer sowie das nicht gedimmte Instrumentenpanel. Die Aussage wurde durch die im Wrack vorgefundenen Schalterstellungen gestützt. Die Lichter müssten laut Unfallbericht auf den Piloten eine starke Blendwirkung ausgeübt haben, was wiederum die Horizontfindung außerhalb des Scheinwerferkegels erschwert. Hierin vermuten die Experten die Ursache für die Kursschwankungen.

Zu wenig Zeit

Die Leuchtweite des Landescheinwerfers betrug etwa 60 Meter, bei der zuletzt via GPS registrierten Fluggeschwindigkeit von 53 Knoten blieben Arch also nur etwas mehr als zwei Sekunden, um im Scheinwerferkegel auftauchenden Objekten auszuweichen. Aufgrund der fehlenden Sicht außerhalb des Lichtkegels war ein Ausweichen laut SUB nicht mehr möglich. So kommen die Ermittler zu dem Schluss, dass sich der Absturz wahrscheinlich infolge eines Orientierungsverlustes kurz nach dem Start ereignet hat, zu dem die Dunkelheit und die Blendung durch Scheinwerfer und Instrumentenpanel beigetragen haben können.

"Degraded Visual Environment"

DVE sticht Flieger-Ass – so könnte man den Unfall von Hannes Arch auf den Punkt bringen. Zunächst ein Blick ins Blatt, das der Ausnahmepilot auf der Hand hatte: hochalpiner Bereich, stockdunkle Nacht ohne Kontraste, kein Licht durch Sterne oder Mond, die einen natürlichen Horizont schaffen; keine Beleuchtung der Startfläche in 2300 Meter Höhe, keine beweglichen Landescheinwerfer, kein Autopilot und kein Copilot.

Ein Flug unter diesen eingeschränkten visuellen Referenzen lässt einen schnell das Empfinden für die Lage im Raum verlieren. Das kann bis hin zur räumlichen Desorientierung gehen. Verliert der Pilot den natürlichen Horizont und fehlen visuelle Bezugspunkte am Boden, sind die Gefahren einer "Degraded Visual Environment", kurz DVE, gegenwärtig und tödlich. Die Fortsetzung des Fluges in dieser Phase ohne Hilfe der Instrumente führt unweigerlich zur Katastrophe. Besonders kleine Hubschrauber sind anfällig für den Kontrollverlust, da sie selten über Stabilisierungshilfen verfügen, um die Steuerführung zu unterstützen.

Auf Nummer Sicher gehen

Ein Wechsel von den visuellen Referenzen außerhalb auf die Anzeigen innerhalb des Cockpits ist selbst für IR-Erfahrene anspruchsvoll, umso mehr für unvorbereitete Piloten. Innerhalb dieser Zeit sind Sinnestäuschungen und Anzeichen räumlicher Desorientierung möglich, die schnell zu einem Kontrollverlust führen. Bei diesem Kartenblatt steigt man, unabhängig von der eigenen Erfahrung, aus dem Spiel aus und startet lieber am nächsten Tag, wenn die Referenzen wieder sichtbar sind.