Um den Hintegrund des Ärgers zu erklären, muss man ein bisschen ausholen. Die Australier verwenden bei ihren nationalen Meisterschaften ein Trackingsystem, dass den Piloten in den Flieger gesteckt wird und Positionsdaten liefert, die auf einer Webseite sichtbar gemacht werden. Dieses System gibt die Daten aller damit ausgestatteten Flugzeuge allerdings mit einer Verzögerung von 15 Minuten aus, sodass die Teams am Boden ihren Pilotinnen mit Informationen, die aus diesem Trackingsystem stammen, nicht mehr wirklich weiterhelfen können, da man am Boden praktisch nur die Vergangenheit sieht.
Das australische Team hatte jdeoch offenbar auch mit Hilfe einheimischer IT-Spezialisten einen Weg gefunden, die Daten des offiziellen Trackingsystems in Echtzeit zu bekommen. Bemerkt wurde dies durch die britischen Pilotinnen, die durch Abhören des Funkverkehrs der Australierinnen darauf gekommen waren, dass diese vom Boden aus mit aktuellen Informationen über die Konkurrenz versorgt werden, die den aktuellen Stand der Lage wiedergeben. Das australiche Team gab schließlich zu, getrickst zu haben.
Mehrere teilnehmende Nationen reichten Proteste ein, die Forderungen gingen bis hin zur Disqualifikation aller australischen Teilnehmerinnen. Nach mehrtägiger Diskussion einigte man sich in der Jury auf 25 Strafpunkte pro Tag für jede australische Pilotin, was insgesamt 225 Strafpunkte ausmachte und zwei australische Pilotinnen vom Podest holte: Lisa Trotter wäre in der Standardklasse Dritte geworden, landete aber nun auf dem siebten Rang, und – viel schlimmer – Jo Davis hätte eigentlich als Weltmeisterin in der Clubklasse die Goldmedaille geholt, wurde aber infolge der Strafe tief enttäuschte Vierte.
Australien ficht Strafe an
Damit hätte alles erledigt sein können – war es aber nicht. Denn wie der DAeC auf seiner Website informiert, haben die Australierinnen bei der FAI einen sogenannten Appeal eingereicht und beantragt, das Verfahren noch einmal aufzurollen. Auf seiner Facebookseite argumentiert das australische Team, dass das Verfahren vor Ort an den grundlegendsten Prinzipien der Fairness gescheitert sei. Der Fall der Team-Piloten sei nicht ordnungsgemäß geprüft worden und die Entscheidung der Jury, jeder Pilotin eine Punktestrafe aufzuerlegen, habe auf sachlich falschen Informationen beruht. Man sei der Meinung, dass die Strafen bei Berücksichtigung der vollständigen Fakten zurückgezogen und die Endergebnisse entsprechend revidiert werden. Weiterhin hätte die Gliding Federation Australia (GFA) zunächst auf einen Widerspruch gegen gegen den Juryentscheid verzichtet, weil auch ihr nicht alle Informationen vorgelegen hätten.

So wurde der Appeal bei der FAI von den Pilotinnen der Segelflug-Nationalmannschaft selbst vorbereitet und finanziert, heißt es weiter. Eingereicht wurde er schließlich mit Unterstützung der Air Sport Australia Confederation, also dem nationalen Luftsportkomitee. Darüber hinaus beschloss der GFA-Vorstand weniger als einen Monat vor Ablauf der Berufungsfrist einstimmig, "keiner separaten Berufung im Wege zu stehen, die die Piloten über die NAC (ASAC) einlegen wollen", ist auf der Facebookseite zu lesen.
Das Statement schließt mit einer Erklärung, warum der Appeal eingereicht wurde: "Die Absicht des Einspruchs ist, dass die Team-Piloten eine faire Anhörung und ein faires Verfahren bekommen, wie es von der FAI vorgeschrieben ist."
Deutschland und Großbritannien reagieren
Eine Mannschaft, die betrogen und dies zugegeben hat, legt widerspruch gegen ein Juryurteil ein, dass nicht fair gewesen sein soll – ein starkes Stück im ansonsten weitgehend skandalfreien und freundschaftlichen Segelflugsport.
"Als Terry Coubley, Teamkapitän der Australier, die Schummelei in Lake Keepit einräumte, war für uns eigentlich klar, dass es hier Sanktionen geben musste", sagt Bundestrainer Wolfgang Beyer im Gespräch mit dem aerokurier. "Wenngleich wir der Auffassung waren, dass man das Team hätte disqualifizieren müssen, akzeptierten wir die Entscheidung der Jury und wollten es damit gut sein lassen, zumal es nach der WM Regeländerungen durch die IGC gegeben hatte, die für mehr Klarheit in der Causa Träcking sorgen. Dementsprechend hätte eine weitere Verfolgung der Sache dem Sport nichts mehr gebracht."

Auch der australische Verband habe zunächst verlauten lassen, dass man die Entscheidungen akzeptiere, sagt Beyer. "Als jetzt – kurz vor Ablauf der Einspruchsfrist – doch noch ein Appeal aus Australien an die FAI ging hat uns überrascht. Wir haben uns mit der British Gliding Association abgestimmt und unsererseits einen Appeal eingereicht, um sicherzustellen, dass alle Seiten in diesem Prozess gehört werden und wir unserer Forderung für einen fairen und sportlichen Segelflugsport Nachdruck verleihen können."
Konsequenzen gibt es bereits für den australischen Teamchef Coubley: Laut Wolfgang Beyer hat die IGC ihn für vier Jahre als Wettbewerbsleiter gesperrt.