Herzlich willkommen! Es ist ein strahlender Samstag im Sommer und Uschi und Günther Kälberer haben für den Besuch des aerokurier das Team zusammengetrommelt. Gar nicht so einfach, denn alle Beteiligten der Antique-Aeroflyers sind beruflich sehr eingespannt und haben nur an Wochenenden Zeit für ihre Schätze.
Uschi Kälberer ist Personalreferentin; ihr Mann Günther (57), ehemaliger Jet-Fluglehrer der Luftwaffe, ist heute bei der Airbus Group am Bodensee tätig; Alois Bader (52), wie Kälberer ehemals bei der Luftwaffe geflogen, arbeitet ebenfalls bei Airbus; sowie last but not least Walter Klocker (53) mit dabei, der im benachbarten Österreich ein Unter-nehmen für Digitaldruck leitet.
2008 haben sie sich entschlossen, ihrer gemeinsame Leidenschaft für Oldies auch einen gemeinsamen Namen zu geben: Die Antique-Aeroflyers waren geboren. Sie fliegen so faszinierende wie seltene Muster: Travel Air 4000, Curtiss Robin, Ryan STA Special und Morane-Saulnier MS-317. „Wir sind aber keine Formation oder gar Airshow-Piloten im klassischen Sinn“, sagt Kälberer, der Initator. „Vielmehr sind wir eine Gemeinschaft Gleichgesinnter, die die gleichen Ziele haben.
Wir wollen unsere Liebe zu seltenen und alten Flugzeugen verdeutlichen, diese Raritäten für künftige Generationen flugfähig halten und den Menschen die Faszination und die Geschichte der Flugzeuge näherbringen.“
So sind die Antique-Aeroflyers im Jahr auch nur 20 bis 30 Stunden mit ihren seltenen Flugzeugen unterwegs und nur auf ausgesuchten Veranstaltungen anzutreffen, dort wo man Oldies eben zu schätzen weiß; wie auf der Klassikwelt in Friedrichshafen, dem Oldtimertreffen auf der Hahnweide oder auch in Tannkosh. Mit seinem Flugzeug war Walter Klocker zudem auch in La Ferté Alais, wo sich die wenigen noch flugfähigen Morane-Saulnier trafen.
Lichtdurchfluteter Hangar mit originellen Details

Meinen Besuch bei den Piloten in dem 2008 errichteten Hangar am Regio Airport Mengen, wie sich der baden-württembergische Platz seit kurzem nennt, hatte ich mir ganz anders vorgestellt. Statt ölverschmierter Enge und muffigem Geruch erwartet mich ein lichtdurchflutetes, großzügiges und äußerst gepflegtes Gebäude mit viel hellem Holz und originellen Details aus der Welt des Fliegens.
Die großen Tore sind aufgeschoben und man könnte dem Treiben auf dem Vorfeld folgen, wenn es da nicht die Oldtimer zu bewundern gäbe: ganz besondere Flugzeuge, die allesamt flugfähig sind und sich allerbester Gesundheit erfreuen, obgleich sie schon so viele Flugepochen erlebt haben.
Die gelbe Curtiss Robin und die dunkelgrüne Travel Air 4000 stammen beide aus dem Jahr 1929. Das sind nicht nur die ältesten Flugzeuge der Antique-Aeroflyers, sondern wohl auch die ältesten Schätze, die in Deutschland überhaupt noch fliegen. Die Curtiss fand Günther Kälberer, der als Fluglehrer der Luftwaffe einige Jahre in den USA lebte, und bis heute seine guten Verbindungen zur Oldtimer-Szene der USA pflegt, in einem Privatmuseum in Minnesota.
Die Witwe eines tödlich verunglückten Piloten hatte sich entschlossen, das edle Teil mit dem Fünf-Zylinder-Sternmotor herzugeben. Beim Öffnen der Tür ist man überrascht, denn die Rahmen der drei Sitze sind mit Korbgeflecht umwickelt. Das mag den Eindruck vermitteln, als könnte man es sich wie in einem Garten-stuhl bequem machen. Doch weit gefehlt: Im Flug passiert eher das Gegenteil. Die Curtiss ist ziemlich stur und fliegt sich hart.
Die Travel Air 4000 ist ein "Frauenflugzeug"

Der Doppeldecker Travel Air 4000 hingegen ist ein Frauenflugzeug, zumindest war es das anno 1929, als in den USA das Puderquastenrennen stattfand, mit Travel Air, deren Motoren eigens für die ausschließlich weiblichen Piloten modifiziert worden waren. Später leistete die Travel Air, übrigens eine Gemeinschaftsentwicklung der legendären Flugzeugbauer Clyde Cessna, Walter Beech und Lloyd Stearman, zuverlässige Dienste als Postflugzeug.
Das Exemplar der Antique-Aeroflyers (NC8877) flog in Kalifornien auf der Contracted Airmail Route 8 (C.A.R. 8) und kam 2010 nach Mengen. Es ist weltweit die einzige Travel Air, die noch mit ihrem Original-motor Wright J-6-7 fliegt.
„Auch Charles Lindbergh flog mit der Travel Air Post, zwar nicht mit unserer Maschine, aber dafür wissen wir, dass Claude Ryan selbst mit genau unserem Flugzeug noch bis zuletzt geflogen ist, und dass Clark Gable darin für einen Hollywood-Film flog“, berichtet Günther Kälberer mit berechtigtem Stolz und er zeigt auf die silber-glänzende Ryan STA Special, Baujahr 1937, die schon bei ihrem Besuch in Tannheim 2011 meine ganze Aufmerksamkeit hatte.
Obgleich mein Herz normalerweise eher beim Anblick historischer Helikopter hüpft, hat es mir dieses elegante und nahezu formvollendete Flugzeug angetan, und ich kann mich gar nicht sattsehen. „Sie sind ja nicht so in der Oldtimer-Welt zuhause, interpretiert Kälberer mein kurzes Innehalten. „Ja, aber solch ein Flugzeug muss einfach jeden begeistern, der mit dem Luftfahrtvirus infiziert ist.“
Überführungsflug über den Alligatoren-Sümpfen von Florida

Die Ryan STA Special (NC17360), das erste in Serie gefertigte Flugzeug in Aluminium-Monocoque-Bauweise, stand einst in einem Privathangar in Florida und war nicht unbedingt in guter Verfassung, als Günther Kälberer sich zum Kauf entschied. „Ich habe sie in diesem schlechten Zustand nach New Orleans geflogen, in der Hoffnung, dass die Alligatoren der Everglades keine deutschen Piloten mögen.“
Annähernd sechs Jahre dauerte die Ryan-Restaurierung in Mengen. „Es war ein besonderer Aufwand nötig, um das Flugzeug in den Zustand von heute zu bekommen. Für die Sonderformen, wie bei-spielsweise die konischen Radverkleidungen, haben wir Spezialbetriebe in Baden-Württemberg gefunden, die wirklich tolle Arbeit geleistet haben“.
Uschi Kälberers Leidenschaft gehört dem Nachbarn. Nein, nicht was Sie jetzt denken. Der Nachbar der Ryan ist eine zweisitzige Böl-kow Bo 209 „Monsun“, Baujahr 1971. Sie gehört zwar nicht zu den ganz alten Flugzeugen, eine Besonderheit ist sie aber schon. Die Flächen des Kunstflugtauglichen Ganzmetall-Tiefdeckers sind klappbar zur platzsparenden Hangarierung und für den Landtransport.
Mit ihrem frischen, neuen Outfit und feinem Lederinterieur steht Uschi Kälberers Monsun einem modernen Kunst-stoffflugzeug ins nicht nach. Das gilt auch für den Flugkomfort und die Lärmemission. Rund 100 Bo 209 waren zwischen 1967 und 1972 gebaut worden, nach der Fusion von Bölkow und MBB wurde ihre Produktion eingestellt.
Für die Pilotin, die auch die 42 Jahre ältere Curtiss Robin fliegt, ist der Vergleich immer wieder interessant: „Während die Bo 209 leicht und weich zu fliegen ist, muss ich in der Curtiss Robin ganz schön arbeiten. Und dann wird man als Frau in einem Oldtimer noch nicht mal richtig zur Kenntnis genommen“, schmunzelt sie, in Anspielung auf die vielen enthusiastischen Männer, die natürlich zuerst mal das schöne alte Flugzeug bewundern und erst viel später seinen Piloten oder eben die Pilotin zur Kenntnis nehmen.
Walter Klockers Morane-Saulnier MS-317, Baujahr 1938, hatten wir bereits im aerokurier (7/2009) vorgestellt - ein Flugzeug mit ganz viel Charakter, das einen in allen Belangen versierten Piloten verlangt.
"Die Masche" von Günther Kälberer

Als wir wenig später auf der Terrasse des hübschen Flugplatzrestaurants gemeinsam genüsslich Weißwürste zuzeln, kommt das rüber, was die Antique-Aeroflyers ausmacht: eine homogene Gemeinschaft, die sich bei aller Unterschiedlichkeit der Charaktere in Bezug aufs Fliegen völlig einig ist. Der Beweis, dass sich Harmonie und Individualität im Miteinander wunderbar ergänzen können.
Da ist auch die Antwort auf die Frage, wie sich die Antique-Aeroflyers gefunden haben, überaus spannend. Alle lachen. „Der Günther hat doch immer dieselbe Masche. Er sagt dir, dass er wisse, wo es ein Flugzeug gibt, das genau zu dir passt“..., sagt Alois Bader. Wieder Lachen.
„Ja, genau so war es auch bei mir“, erzählt Walter Klocker: „Ich war mit meiner Cessna in Tannheim, habe dort Uschi und Günther kennengelernt und ihre Curtiss Robin bewundert. Es wurde ein langer Abend. Aus der Bekanntschaft von Tannkosh ist Freundschaft geworden. Ich besuchte sie dann 2008 in Mengen, weil ich schon mit dem Gedanken liebäugelte, einen eigenen Oldie anzuschaffen. Und dann sagte Günther: „Falls du mal an so was denkst, ich kenne ein Flugzeug, das genau zu dir passen würde“. „Siehst du, seine Masche“, sagt Bader.
Kälberer und Klocker fuhren nach Belgien, wo die Morane-Saulnier MS-317 zum Verkauf stand. Ich habe mich sofort für das Flugzeug entschieden und es nicht bereut“, zieht Klocker sein Resümee. „Wenn wir allerdings in Formation unterwegs sind, wird es schwierig, weil sich alle Oldies sehr unterschiedlich verhalten. Das eine Flugzeug manövriert gern, das andere eben nicht.“ Unter allen vier Flugzeugen ist die Ryan das spritzigste (250 km/h), gefolgt von der Morane. Curtiss und Travel Air sind eher die gemütlichen.
„Ich wurde infiziert, als Walter mir nach einem gemeinsamen Lehrgang das Steuer seines Flugzeugs überließ. Und prompt hatte Günther auch schon das passende Gerät für mich: die Travel Air. Wir sind dann gemeinsam nach Kalifornien geflogen. Einer von uns war immer dabei und hat alles dokumentiert, als sie für den Transport per Schiff auseinandergenommen wurde. Das hat den Wiederaufbau in Mengen erheblich vereinfacht.
Allerdings hatte ich ein Problem. Ich konnte Jets fliegen und hatte alle Lizenzen bis zum ATPL, aber eben keine Spornrad-Erfahrung. In Günther fand ich dann einen harten Fluglehrer“, schmunzelt Bader, der, wenn die Antique-Aeroflyers gemeinsam unterwegs sind, auch Pilot der Travel Air ist.
In Mengen sind die Antiqe-Aeroflyers geschätzt






In Mengen-Hohentengen haben die Antique-Aeroflyers eine ideale fliegerische Heimat gefunden. Nicht nur der geräumige Hangar ist vorteilhaft für die angemessene Pflege der betagten Raritäten, und historischer Gastflugzeuge, die hin und wieder in Mengen untergestellt sind, auch das Miteinander mit den anderen Platznutzern funktioniert bestens. Zudem sind die Antique-Aeroflyers für den Flugplatz hervorragende Werbeträger.
„Unsere Nachtflug taugliche 1600-m-Bahn ist bestens geeignet für die Travel Air“, wirft Bader ein. „Mit ihren Delta Landinglights, die damals übrigens ganze 17 Dollar kosteten, flog sie ja auch ursprünglich bei Nacht und beleuchtete ihren Landeplatz vorzüglich.“ Ausprobiert haben die Antique-Aeroflyers das allerdings noch nicht, man muss es ja nicht übertreiben, und außerdem würden solche Landelichter heute sicher ein kleines Vermögen kosten.
Bei unserer Verabschiedung sagt Günther Kälberer: „Auch die Antique-Aeroflyers wollen sich weiter entwickeln und sind offen für neue Enthusiasten. Aber bei uns kommt erst der Mensch und dann das Flugzeug. Nur wenn es menschlich stimmt, kann so was wie unsere fliegerische Gemeinschaft auch Bestand haben.“
aerokurier Ausgabe 09/2012