Moselreise mit der Piper Cub

Prädikatsflug
Mit der Piper L-18C entlang der Mosel

Veröffentlicht am 04.07.2015

Der Herbst zeigt sich fliegerfreundlich

Fünfundachtzig Meilen in der Stunde sind perfekt. Schwung- und genussvoll folgen wir mit unserer Piper L-18C der Mosel; Schleife für Schleife geht es gen Osten. Erfrischend heben sich die gelben Flügel unseres Gefährts von der teils herbstlich bunten, teils noch sommerlich grünen Landschaft und dem stahlblauen Himmel ab. 1500 Fuß unter uns zieht die Mosel ihre Bahnen. Sie trennt Eifel und Hunsrück, 544 kurvenreiche Flusskilometer liegen zwischen ihrer Quelle in den französischen Vogesen und der Mündung in den Rhein am Deutschen Eck in Koblenz. Ein paar davon wollen wir heute entdecken.

Zwei Stunden zuvor sind wir noch in Bonn/Hangelar. Der Nebel wabert über dem Rheintal, als Vereins- und Arbeitskollege Heiko Müller und ich an diesem Morgen Mitte Oktober die knallgelbe Piper L-18 aus der Halle bugsieren. Der Atem kondensiert in der kühlen Herbstluft. Eine andächtige Stille liegt über dem sonst so lebendigen Verkehrslandeplatz. Die Prognose des Deutschen Wetterdienstes ist deutlich: Heute ist der Tag aller Tage für unseren immer wieder verschobenen Herbstausflug zur Mosel. Ein Hochdruckgebiet mit Sichten von Pol zu Pol hat sich über Deutschland festgesetzt. Ist das etwa der ersehnte Ausgleich für einen verregneten Sommer?

Wenige Minuten nach dem Start kehrt Ruhe ein im Cockpit. Der Continental-Motor mit seinen 90 Pferdchen boxt sonor vor sich hin, Stille im Funk. Wir werfen einen andächtigen Blick über die Schulter auf das Siebengebirge und den Rhein, der sich im Licht der tief stehenden Sonne noch immer unter dichtem Bodennebel versteckt. Momente wie diese sind es, die einem bewusst machen, weshalb man irgendwann mal all die Kosten und Mühen auf sich genommen hat, um das Fliegen zu lernen.

Unter uns liegen Detzem, Klüsserath und Trittenheim

Wir lassen das Ahrtal hinter uns, nehmen Kurs auf die zunächst sanften, dann zunehmend schroffen Erhebungen der vulkanisch geprägten Eifel. Der Nürburgring mit der Nordschleife zieht vorbei. Im gemütlichen Reisetempo bleibt viel Zeit für ein paar Schnappschüsse aus dem offenen Fenster. Mit der Piper bekommen kurze Distanzen große Dimensionen: Wandern, nicht rasen, das ist das Motto dieses einst bei der Bundeswehr als Trainer eingesetzten Oldtimers, den wir heute im Verein hegen und pflegen.
Wir landen in Trier-Föhren. Der Flugplatz in der Nähe der ältesten Stadt Deutschlands ist die erste Station unserer Reise.

Wer mag, kann mit dem Mietwagen die Umgebung erkunden. Die Porta Nigra in Trier etwa gehört zu den Dingen, die man mal gesehen haben sollte. Wir kennen das mittelalterliche Bollwerk und nutzen die Zeit, um die Piper mit einem Schluck Avgas und uns mit einem Happen in der Flugplatzgaststätte zu stärken. Der Wind frischt auf, steht aber zum Glück auf der Bahn. Bei zehn, zwölf Knoten Seitenwind wird die sonst so zahme Piper zum Biest.

Raus aus der Platzrunde, rüber zur Mosel. Orte wie Detzem, Klüsserath und Trittenheim säumen unter uns das Ufer. Den wahren Charme all dieser Städtchen kann man wohl nur am Boden entdecken. Genau das haben wir vor: Nur eine Moselschleife östlich von Föhren liegt der Sonderlandeplatz Neumagen-Dhron. Unser Kommen haben wir telefonisch angekündigt.

Anspruchsvolle Navigation über der Mosel

„Wo ist denn jetzt der Platz?“, fragt Heiko. Das GPS haben wir abgeschaltet – das braucht man doch schließlich nicht für diesen kurzen Hüpfer. Oder etwa doch? Navigatorisch hat’s die Mosel nämlich faustdick hinter den Ohren. Eine Schleife gleicht der anderen, und die Orte kann man auch nicht immer zweifelsfrei unterscheiden. Schließlich taucht der Platz beim Ausleiten eines Suchkreises doch noch auf – unter der linken Fläche hat sich die 750 Meter lange Graspiste versteckt. Der Anflug auf die Piste 09 übers Moseltal ist ein Genuss.

Am Boden dann Gastfreundschaft pur: Dietmar Wagner, der Häuptling des Luftsportvereins Neumagen-Dhron, erwartet uns bereits. Mit dabei ist Heinz Nummer, unser PPR-Kontakt.Der 70-Jährige ist Winzer und Pilot. Die Region kennt er wie kaum ein anderer. Er drückt jedem von uns eine Flasche Wein in die Hand. Riesling Spätlese, Jahrgang 2004 und 2009. „Trittenheimer Apotheke“ ziert die Etiketten. So heißt die Weinlage, lassen wir uns erklären. Mit einem Schmunzeln fügt er hinzu: „Was wäre der Bernkasteler Doctor ohne die Trittenheimer Apotheke?“ Auch der Doctor ist eine regional bekannte Lage. Wo wir gerade beim Thema sind: „Der Jahrgang 2011 wird köstlich“, prophezeit der Kenner. Sonne satt im Frühjahr und Spätsommer, dazwischen genügend Regen im Sommer sind Garanten für ungetrübten Genuss.

Heinz Nummer nimmt uns im Auto mit nach Neumagen-Dhron. Wer es nicht eilig hat, kann die kurze Strecke in den Ort auch laufen. Unten angekommen, werfen wir einen Blick aufs Weinschiff, das erst vor einigen Jahren nach dem Vorbild einer römischen Galeere aus Holz erbaut wurde. 38 Gäste passen an Bord – gerade begibt sich eine Gruppe neuer „Sklaven“ aufs Schiff, das zum Glück über einen Motor verfügt und nicht gerudert werden muss. „Die Aufenthaltszeit an Bord ist aber begrenzt, denn es gibt keine Toilette“, sagt unser Fremdenführer.

Durch die Weinberge geht’s zurück zum Platz, der, so lasse ich mir sagen, auf der so genannten Kaiser-Konstantin-Höhe liegt. Überhaupt sei das hier das älteste Weinanbaugebiet Deutschlands. Den Römern sei es zu müßig gewesen, den eigenen Wein über die Alpen zu karren, also hätten sie vor gut 2000 Jahren an der sonnenverwöhnten Mosel eben neue Gebiete erschlossen. Bis vor 20 Jahren war hier ausschließlich der Anbau von Weißwein erlaubt. Heute gibt’s hier und da auch mal einen guten Roten mit Mosel-Etikett.
Nummer erzählt auch von seinen fliegerischen Erlebnissen hier, erwähnt dabei den Hof in der Platzrunde, der keinesfalls überflogen werden solle. Und er berichtet, wie er im Segler im Januar zweimal eine Stunde Hangflug gemacht habe.

Wir verstauen den Wein für späteren Genuss im Gepäckfach und nehmen wieder die Mosel unters Fahrwerk. Schleife um Schleife folgen wir dem Fluss. Ganze sechs Mal ändern wir unseren Kurs, dann liegt unser nächstes Ziel voraus: Traben-Trarbach. Wie auf einem Flugzeugträger thront der Platz auf dem Mont Royal.

Fliegergeschichten vom Mont Royal

Gestartet wird wegen des leichten Gefälles in der Regel bergab in südliche Richtung, gelandet wird folglich bergauf. „Anspruchsvoller wird’s bei Westwind. Aber dann ist das Wetter ohnehin meistens schlecht“, erklärt uns Hermann Krämer. Er hat hier seine fliegerische Heimat beim Deutsch-Amerikanischen Segelflug-Club gefunden und kümmert sich dort um die Pressearbeit.

Auch am Mont Royal gibt’s viele Geschichtchen zu erzählen. So erfahren wir, dass der Platz am Daumen des „Moselhandschuhs“ liegt – in der Form einer Hand schlängelt sich der Fluss zwischen Bernkastel-Kues im Südwesten und den Orten Traben und Trarbach im Nordosten. Mit etwas Fantasie könnte man tatsächlich meinen, der Fluss begrüße uns an diesem Herbsttag mit erhobenem Daumen.

Mindestens ebenso spannend wie der landschaftliche Aspekt ist die Geschichte des Platzes. Die mit Fotos gespickte Wand im Clubheim ist Zeitzeugin eines bewegten halben Jahrhunderts. 1954 wurde der Verein gegründet, 1957 startete der Flugbetrieb am eigenen Flugplatz auf dem königlichen Berg. Viele der in der Umgebung stationierten US-Soldaten waren damals Mitglied. Mit dabei: Chuck Yeager, der als erster Mensch mit der Bell X1 die Schallmauer knackte. Bis heute ist er dem Club treu, wird als Ehrenmitglied in der Kartei geführt. 2004, zum 50-jährigen Bestehen des Vereins, war der heute 88 Jahre alte Pionier zuletzt Gast an der Mosel.

Überhaupt wird die Freundschaft zu den Amerikanern bis heute gepflegt. Immer wieder sind Schüler und Lehrer von Floridas XXL-Flugschule Embry-Riddle zu Gast in Traben-Trarbach, um dort unter anderem die völlig unamerikanische Art des Segelflugstarts an der Winde zu zelebrieren.

Wir folgen dem Wanderweg ins Tal nach Traben-Trarbach. Eine gute halbe Stunde geht es durch Wald und Weinberge runter zum Fluss. Straußenwirtschaften locken die Gäste mit eigenen Weinen und frischem Federweißen. Für Piloten und andere Alkoholverweigerer gibt’s immerhin zuckersüßen Traubensaft. Dazu einen leckeren Flammkuchen – der kulinarische Teil der Reise ist perfekt! Am Ufer legen derweil die Ausflugsdampfer an und ab, bevor sie bald in den Winterschlaf verfallen.

Unser Weg führt mit Blick auf die Uhr zurück zum Flugplatz. Ein wenig reumütig nehmen wir Abschied vom Mont Royal: Wir hätten noch den benachbarten Kletterpark besuchen können. Sicherlich hätte es in einem der umliegenden Orte auch noch das eine oder andere freie Bett auf einem Weingut für uns gegeben. Aktivitäten, die wir auf später vertagen.

Ein letztes Mal für heute wirft Heiko mit der Hand den Motor an. Das weiche Abendlicht begleitet uns auf dem letzten Leg. Der Mosel folgen wir nun etwas zügiger noch ein paar Meilen in Richtung Koblenz, bevor wir Kurs auf die Heimat nehmen. Noch einmal überfliegen wir die Eifel, nun mit der tief stehenden Sonne im Rücken. Kurz vor Sonnenuntergang setzen wir in Bonn/Hangelar auf. Manchmal ist halt doch etwas dran an vermeintlichen Binsenweisheiten: Warum in die Ferne schweifen...

Tipps für Moselflieger

Trier: Mietwagen und Fahrräder gibt’s bei vorheriger Anmeldung am Flugplatz Trier-Föhren. In Deutschlands ältester Stadt gibt’s Geschichte zum Anfassen, unter anderem die bekannte Porta Nigra. Mit dem Auto gut zu erreichen ist auch das touristisch gut erschlossene Bernkastel-Kues.

Neumagen-Dhron: Die Attraktion des Orts ist das nach römischem Vorbild gebaute Weinschiff.

Traben-Trarbach: Ein Kletterpark direkt neben dem Flugplatz, attraktive Wanderwege und das beschauliche Städtchen Traben-Trarbach. Eine Landung auf dem Mont Royal lohnt sich! Als Alternative zu den Hotels bieten viele Weingüter in der Umgebung stilechte Übernachtungsmöglichkeiten an – der Verein hilft gerne bei der Vermittlung. An der Uferpromenade legen die Ausflugsschiffe an.

aerokurier Ausgabe 12/2011