Auch mit Blick auf den einstweilen wenig erfreulichen Verlauf der üblicherweise warmen und trockenen Jahreszeit war die Location gut gewählt. Denn wie definieren sich die Niedersachsen selbst? Wetterfest und erdverwachsen! Beim Treffen der Oskar Ursinus Vereinigung – kurz OUV – in Hodenhagen erwies sich erstere Eigenschaft als Notwendigkeit, die die zweite unweigerlich nach sich zog. Am meteorologisch noch nicht ganz so dramatischen Auftakt-Freitag, dem 24. Juni, hatten zumindest etwa zehn Amateurflugzeugbauer den Platz EDVH mit ihren Maschinen angesteuert. In der Nacht zum Samstag, dem Haupttag allerdings regnete es in Strömen, und das setzte sich, wenn auch spürbar nachlassend und mit längeren Unterbrechungen, tagsüber aus tief hängender Bewölkung fort. Mit dem Ergebnis, dass die sonst an diesem Tag umfangreichen Demoflüge über dem Austragungsort auf ein absolutes Minimum zusammenschrumpften.
Zum Nachmittag etwas trockener, gab es sogar eine Freigabe für Kunstflugvorführungen, aber die tiefe Wolkenuntergrenze würgte jeden Versuch im Ansatz ab. „Hab von da hinten schon wieder was Neues heranziehen sehen“, deutete der neue Vereinsvorsitzende, Andreas Konzelmann, Richtung Südwesten, unmittelbar nachdem er seiner Rans S-9 entstiegen war. Seine Vorführung endete nach einer erweiterten Platzrunde mit Überflug auf dem Rücken schon nach wenigen Minuten.
Schade für die vielen Besucher, die aber trotzdem noch einiges geboten bekamen, vor allem am Sonntag. Und keineswegs machte das schlechte Wetter die Veranstaltung sinnlos, nicht einmal aus Sicht der vielen Mitglieder, die aus dem gesamten Bundesgebiet mit dem Auto statt dem Flugzeug nach Hodenhagen gekommen waren.
Das LBA ist regelmäßig Gast beim Sommertreff
Denn regelmäßig ist das Luftfahrt-Bundesamt mit mehreren Teilnehmern zu Gast. Diesmal, nicht weit von Braunschweig, waren es neben dem OUV-Mitglied Ingo Luz noch zwei Kollegen aus dem Referat T3 des LBA, jener Abteilung, in der der gesamte luftfahrttechnische Sachverstand der Behörde versammelt ist. „Unterhalt‘ dich mal mit denen“, fordert mich Andreas mit einem Fingerzeig auf Dietmar Goldschmidt auf, „das sind hier ganz gefragte Gesprächspartner für unsere Mitglieder!“ Denn wer über Jahre, mitunter mehr als ein Jahrzehnt, den Traum vom eigenen Flugzeug durch einen Eigenbau verwirklicht, kann vor allem eines überhaupt nicht gebrauchen: selbst ins Projekt eingezogene Fallstricke für das abschließende Zulassungsverfahren.
Durch die Präsenz der Sachkundigen aus Braunschweig lassen sich so bereits frühzeitig manche technischen Detailfragen klären, die für die schlussendliche Erteilung einer Verkehrszulassung entscheidend sein können. Mehr noch: Auch in diesem Jahr bot zumindest der Sonntag zwei mit vorläufigen Verkehrszulassungen angereisten Teilnehmern die Möglichkeit, ihre Van‘s-Flugzeuge – eine RV 6 mit Subaru-Antrieb und eine RV 8 mit AIEO 360 – nachfliegen zu lassen; ein wichtiger finaler Schritt vor dem dritten Gutachten und der anschließenden endgültigen Zulassung.
Vom sich bessernden Wetter profitierten auch die Platzbesucher, die einfach nur zum Flugzeuge-Gucken den Weg nach Hodenhagen angetreten hatten. Und da gab es manch interessantes Gerät zu sehen: Eine Jodel waren ebenso vertreten wie eine Stark Turbulent, sogar eine Bf 108 flog über den Platz, und Dieter Gehling war mit seiner Pilatus P-2 aus Stadtlohn zu Besuch.
Andere, die mit ihren Selbstbauten schon gesetzt waren, hatten dagegen keine Chance. Der Vorjahresprämierte Peter Rong etwa, der mit seiner schnittigen Toruk kommen wollte, angesichts der schlechten Wetterbedingungen aber keine Chance hatte, von Greifswald aus nach Hodenhagen zu starten.
Letztlich standen an den ersten beiden Tagen gerade mal 13 Flugzeuge auf der Landeliste des OUV. Und unter den am Sonntag noch etwa 25 weiteren Maschinen waren eben auch nicht nur Eigenbauten. Natürlich wirkte sich das dünne Teilnehmerfeld auf die jährliche OUV-Preisvergabe aus – allerdings nur quantitativ, nicht aber qualitativ. Prämiert wurden Gerhard Oertel und Werner Röbbecke für den Wiederaufbau ihrer Klemm 107 B, D-EGIX, der unter fast ausschließlicher Verwendung von Originalteilen gelang.
Trotz miesen Wetters kamen viele Besucher
Die Zuschauer kamen während der Regenpausen aber doch einigermaßen ins Staunen – etwa ob der von einem Zweitakter angetriebenen Rans S-9 D-ESKB, deren Platzüberflüge trotz ihres gigantischen Nachschalldämpfers an den Sound eines klassischen Warbirds erinnerten. Auch die Maschine von Ingo Luz ist stets ein Highlight auf den Flugplatztreffen. Die D-GLUZ, bereits seit 2005 in der Luft, ist eine CriCri – das kleinste zweimotorige Flugzeug der Welt.
Der Eigenbau, nach den Plänen des französischen Konstrukteurs Michel Colomban gefertigt, wird von zwei JPX-Zweitaktern mit jeweils nur 15 Pferdestärken aus 212 Kubikzentimetern Hubraum angetrieben und erreicht mit der augenscheinlich mickrigen Motorisierung aus der Pariser Maschinenschmiede aviatorisch Erstaunliches. Oder kennen Sie etwa ein Flugzeug aus der Allgemeinen Luftfahrt, dessen Maximale Abflugmasse sein Leergewicht um das Doppelte übersteigt und das noch dazu über eher winzige 4,9 Meter Spannweite verfügt? Gleichwohl sind damit gute 100 Knoten Reise drin! Acht Exemplare der CriCri sind bundesweit zugelassen, vier weitere bei der OUV im Bau. „Die klingt ja, als ob zwei Nachbarn gleichzeitig Rasen mähen“, meinte ein staunender Zuschauer, als Ingo Luz den Motoren seines Winzlings per Seilstart Leben eingehaucht hatte.
Dafür, dass die Anreise vieler Neugieriger trotz eher kurzer Flugvorführungen lohnte, hatten die Organisatoren vorgesorgt. War die Stimmung schon tagsüber recht fröhlich, wurde sie mit dem Abendprogramm noch weiter gehoben. Vor dem Auftritt einer Band konnte jeder der Besucher von einem üppigen brasilianischen Büffet mit fleischgespickten Grillschwertern zum Ausklang des verregneten Samstags auf der Party im leergeräumten Hangar essen, so viel er mochte.
Dieses exklusive Angebot hat vielleicht dazu beigetragen, auch einen Österreicher ohne Eigenbau anzulocken: Rudolf Eigner vom Igo-Etrich-Club, dem österreichischen OUV-Pendant, hatte die 641 Flugkilometer aus dem niederösterreichischen Krems in einer C-42 absolviert. Zu dieser weitesten Anreise auf dem Luftweg kam natürlich noch der Rückflug. Das zeigt, dass bei hinreichender Passion selbst im UL knappe 1300 Kilometer – auch an einem ziemlich verregneten Wochenende – durchaus zu bewältigen sind. Mit den erst am Sonntag noch eingeschwebten Annex-II-Maschinen war das 40. Jahrestreffen der OUV dann auch fürs Publikum vollends gerettet. Für Oldie-Piloten gibt es aber auch bei suboptimalem Flugwetter immer gute Gründe, die OUV-Treffen zu besuchen.
Es ist nicht immer leicht, für die Jahresnachprüfungen oder die 100-Stunden-Kontrollen der teils seltenen Muster dieser Kategorie einen passenden LTB zu finden. Diese Lücke hat die OUV bereits vor einigen Jahren erkannt und geschlossen. Mit der Lizenzierung seines ortsungebundenen CAMO-zugelassenen Betriebs konnte der Verein schon manchen Annex-II-Flieger in der Luft halten. Und das macht eine Mitgliedschaft in der Vereinigung zum Jahresbeitrag von nicht einmal 100 Euro eben nicht nur für angehende Selbstbauer interessant.
aerokurier Ausgabe 06/2016