Der US-amerikanische Treibstoffhersteller Swift Fuels mit Sitz in West Lafayette, Indiana hat nach rund 15 Jahren Forschung von der US-Luftfahrtbehörde FAA das erste STC (Supplemental Type Certificate) für den bleifreien Avgas-Treibstoff Swift 100R (R für Renewable) erhalten. Die Zulassung bezieht sich auf die Cessna 172 R und S, die vom Lycoming-Motor IO-360-L2A angetrieben werden. Nach der bereits 2021 erteilten FAA-Zulassung von GAMI G100UL für einige Lycoming-Motoren steht damit eine weitere bleifreie Alternative zu Avgas 100LL, für dessen Produktion in Europa ein baldiges Verbot droht, in den Startlöchern.
Swift 100R verfügt ebenso wie Avgas 100LL über eine Motoroktanzahl von 100. Der Treibstoff ist laut Hersteller frei von Bleizusätzen und anderen toxischen Stoffen. Enthalten sind zehn Prozent erneuerbare Komponenten. Der Treibstoff ist laut Swift Service Instruction SI-1 mit bisher zugelassenen Kraftstoffsorten mischbar und erfordert keinen Umbau an Motor oder Zelle. Auch bei unsachgemäßem Gebrauch sind keine Schäden an den Oberflächen des Flugzeugs zu befürchten, heißt es in einer Pressemitteilung. Bevor Swift 100R getankt werden darf, müssen die Halter allerdings eine individuelle Freigabe für ihr Flugzeug beantragen.Swift Fuels arbeitet mit der FAA an ergänzenden Zulassungen für weitere Motoren und Flugzeugmuster. Ziel ist die Veröffentlichung einer Approved Model List (AML). Eine Anerkennung der amerikanischen STCs durch die europäische Luftfahrbehörde EASA ist ebenfalls in Arbeit.
In Europa ist Swift Fuels durch zwei Unternehmen vertreten. Die Firma Swift Fuel firmiert als deutsche GmbH in Saarbrücken. Ihr Leiter ist der Chemiker Dr. Thomas Albuzat, einem in der General Aviation bekannten Piloten, der sich als DAeC-Funktionär für den Luftsport einsetzt. Bollinger Aviation mit Sitz in Egelsbach und Oberursel kümmert sich um Markteinführung und Vertrieb. Clemens Bollinger: "Wir fühlen uns sehr geehrt und setzen alles daran, mit Swift 100R das nächste Kapitel bei den Flugkraftstoffen zu öffnen. Jahre der Ungewissheit für eine ganze Branche haben nun ein Ende." Zwar wird Swift 100R in den USA bereits produziert, in Europa ist das Flugbenzin aber noch nicht verfügbar. "Der Preis wird sich voraussichtlich auf dem Niveau von konventionellem Avgas bewegen", sagt Bollinger auf Nachfrage.
Ungewisse Avgas-Zukunft
In der EU scheint die Zukunft von verbleitem Avgas mittel- bis langfristig besiegelt. Im April 2022 hat die EU-Kommission eine Änderung der REACH-Verordnung zur Beschränkung chemischer Stoffe bekannt gegeben. Darin geht es unter anderem auch um ein Verbot von Tetraethylblei (TEL), das Avgas 100LL beigemischt ist. Das Verbot der Avgas-Produktion innerhalb der EU soll bereits am 1. Mai 2025 kommen – ein Plan, an dem sich bis dato zumindest offiziell nichts geändert hat. Ob die EU den wenigen Herstellern von Avgas 100LL die beantragten Ausnahmegenehmigungen erteilen wird, ist noch nicht bekannt. Darüber hinaus nennt Bollinger Aviation eine weitere Herausforderung: "Für die europäische General Aviation löst Swift 100R nicht nur das Blei-, sondern auch das drohende Cumol-Problem. Bekanntlich stellt die EU-Verordnung 1907/2006 die privaten Nutzer von Flugkraftstoffen vor hohe Hürden, die keineswegs ausgeräumt sind."