Extra Aircraft
Die Erfolgsmanufaktur

Weltruhm genießen Extra-Flugzeuge in der Kunstflugszene schon lange. Deren Produktionszahlen haben den Hersteller inzwischen auch zum erfolgreichsten deutschen Flugzeugproduzenten gemacht.

Die Erfolgsmanufaktur

Mit 627 Exemplaren galt Dorniers legendäre Do 27 lange Zeit als erfolgreichstes Modell einmotoriger deutscher Flugzeuge der Nachkriegszeit. „Wir sind mit der K-Serie inzwischen irgendwo deutlich oberhalb der 700 Exemplare angekommen“, sagt Christian Hochheim, Vertriebsleiter bei Extra Aircraft. Der Löwenanteil der Kunstflugzeuge gehört zur 300er-Serie, die das Unternehmen seit 1988 bis heute am Gründungsstandort am Verkehrslandeplatz Schwarze Heide nahe Dinslaken mit 60 Mitarbeitern fertigt und stets weiterentwickelt hat. Von der ersten Eigenkonstruktion des späteren Deutschen Kunstflugmeisters Walter Extra, der EA230, die die Basis für die Unternehmensgründung 1982 bildete, entstand ein gutes Dutzend. Vom Nachfolgemodell 260, ebenfalls noch mit Holztragflächen, waren es nicht einmal halb so viele. Und beide flogen noch als Experimentals – erst für die 300er erwarb der Firmengründer die Musterzulassung. Die Serie markiert auch einen Wendepunkt in der Konstruktion. Sie war die erste Extra, deren Flächen in Compositebauweise gefertigt wurden. 

Von da an ging es in Hünxe steil bergauf. Vier Jahre später folgte auf den Prototyp des zweisitzigen Mitteldeckers zunächst die EA300L, die nur ein Jahr später auch als einsitzige Variante EA300S herauskam. Die zweisitzige 300L wurde allein 326-mal gebaut. Auch das Äußere hatte Extra bei den neuen 300L und 300S verändert – bei ihnen rutschte die Tragfläche erstmals von der Rumpfmitte aus deutlich nach unten.

Mit dem zunehmenden Interesse an der Kunstfliegerei und der Einführung einer auf 200 PS limitierten Wettkampfklasse entstand die EA200, ein kleineres zweisitziges Flugzeug, in das statt des AIEO 540 ein vierzylindriger 360er-Lycoming eingebaut wurde. Mit einem um 20 Prozent unterhalb der 300er angesiedelten Verkaufspreis erfreute sich der Advanced-Aerobatic-Trainer auch eines zunehmenden Interesses bei Kunstflugschulen und Clubs. 1996 hob nach vierjähriger Entwicklungszeit auch der Prototyp der EA400 erstmals ab. „Diese Entwicklung war der Sorge geschuldet, nur mit dem Bau von Kunstflugzeugen nicht dauerhaft am Markt bestehen zu können“, sagt Firmengründer Walter Extra. Rückblickend wohl unbegründet, denn seit fast 35 Jahren besteht die Flugzeugwerft vom Niederrhein am Markt und ist aus der internationalen Wettbewerbsszene nicht mehr wegzudenken.

Erst im vergangenen August hat Alexandre Orlowski in einer EA330SC, dem aktuellen Wettkampfmodell, die Weltmeisterschaft in Châteauroux für sich entschieden und Extra damit zum dritten WM-Sieg in Folge verholfen.

Aktuell bilden die einsitzige Maschine sowie die beiden Zweisitzer EA330LX und LT den Kern der Extra-Produktion und sind die vorläufigen Höhepunkte kontinuierlicher Produktentwicklung. „Überwiegend kleine Änderungen, die aus der engen Verbindung zu unseren Kunden resultieren“, so Vertriebsleiter Hochheim, gingen dem heutigen Stand voraus. Der gelernte Flugzeugbauer gehört seit 1997 zum Team und war als Produktionsleiter schon an der Herstellung der EA400 und EA500 beteiligt. Die Turboprop-Nachfolgerin der EA400 soll noch in diesem Jahr bei dem chinesischen Lizenznehmer A-Star in größerer Stückzahl in Produktion gehen. Auch für deren Konstruktion galt die Maxime des Kunstflugzeugbaus: Extras sollen ihren Piloten die Fliegerei stets so leicht wie möglich machen. „Zusammenführen der Pilotenperspektive mit konstruktiven Merkmalen“ nennt Christian Hochheim das, was den Produktionsausstoß des kleinen Unternehmens maßgeblich auf die drei oben genannten Modelle fokussiert. „Wenn für eine Staffel EA300LP heute eine Maschine mit der 540er-Motorisierung gefragt ist, bauen wir die natürlich auch noch“, sagt er. Im Wesentlichen konzentriere man sich aber auf die aktuellen Entwürfe. Die sind inzwischen mit dem 315 PS starken Lycoming AIEO 580 ausgestattet.

Unsere Highlights

Aerobatic und Tour? Extra kann beides!

Die jüngste Entwicklung ist der 2010 neu erschienene Aerobatic-Tourer EA330LT. Ohne Abstriche bei der Kunstflugtauglichkeit eine für schnelles und entspanntes Cruisen optimierte Variante zu bauen, das war die Idee hinter diesem Flugzeug. Herausgekommen ist eine maximale Reisegeschwindigkeit von satten 205 KTAS, bei im Vergleich zu den übrigen Modellen noch geringfügig höheren Manövergeschwindigkeiten. Abgesehen von passender Avionikausstattung und der Notwendigkeit eines Gepäckfachs bei einem Tourer zeigt die LT auch im direkten Vergleich mit der ebenfalls zweisitzigen LX oder der 330SC konstruktive Unterschiede, die den Anspruch größtmöglicher Pilotenfreundlichkeit verdeutlichen.

So ist die LT die erste Extra, die über ein asymmetrisches Flügelprofil verfügt. Im Gegensatz zu deren schnurgeraden Flügelenden laufen die LT-Tragflächen in schmale Randbögen aus, deren Form nach hinten als kleine, hochgeschwungene Winglets ausgeführt ist. Auch am Höhen- und Seitenleitwerk zeigt sie weichere Konturen, ein ausgeprägtes Horn findet sich bei ihr nur am Seitenruder – mit Auswirkungen auf das Flugverhalten: „Eine LX oder gar die SC wollen deutlich aggressiver geflogen werden als die LT“, so der Sales Manager mit der Kunstflugberechtigung. In diesem jüngsten Modell sieht Hochheim deshalb auch eine gute Basis für die weitere Geschäftsentwicklung. Für den April 2018 sieht die EASA für Verkehrspiloten ein verpflichtendes „upset prevention and recovery training“ (UPRT) vor – in regelmäßigen Abständen müssen die Piloten dann das sichere Ausleiten ungewöhnlicher Fluglagen üben. Ein Training, für das die EA330LT das optimale Gerät ist, so Hochheim. Mehrere Exemplare hat er für diese Zwecke bereits an eine namhafte Airline verkauft. Bis auf den amerikanischen Markt werden alle Extras weltweit ausschließlich über seinen Factory Sale vertrieben.

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Die LX und die SC sind gewollt aggressiv

Die gefragte deutlich aggressivere fliegerische Gangart der eher wettkampforientierten Modelle LX und insbesondere der einsitzigen SC findet ebenfalls ihren sichtbaren Niederschlag. Bei der SC sind alle drei Steuerflächen mit mächtigen Hörnern versehen, bei der zweisitzigen LX neben dem Seiten- immerhin noch das Querruder. „Das bringt bei zunehmenden Ruderausschlägen eine enorme Kraftentlastung für den Piloten“, erklärt Christian Hochheim. Je stärker die Strömung auf die Hörner einwirkt, desto weniger muss der Pilot drücken oder ziehen. Und gerade bei der exakten Ausführung extremer Figuren sparen sie unschöne Korrekturen, weil bei einem Übersteuern durch das erneute gegensätzliche Ausstellen der Hörner der Knüppelwiderstand zunächst wieder ansteigen würde. „Das macht das Ausleiten selbst bei Rollraten von 420 Grad pro Sekunde deutlich einfacher, weil Sie den Knüppel wie in eine spürbare Arretierung ziehen.“Das präzise, weil deutlich spürbare Finden der Neutralstellungen unterstützt gerade bei langen, sehr schnellen Bewegungen am Knüppel, die extreme Figuren kennzeichnen, sauberes Fliegen. Anders gesagt: Die exakte Steuerung des Flugzeugs kommt den Wünschen und Fähigkeiten des Piloten entgegen – Steuertreue nennt Hochheim das, schlicht der Prämisse folgend, dass zum Recovern aus ungewöhnlichen Fluglagen die Steuerelemente zunächst in die Neutralstellung gehören.

Kontinuierliche Weiterentwicklungen wie diese hat nicht wenige Extra-Kunden auch abseits der Wettkampfszene zu Wiederholungstätern werden lassen, sicher begünstigt durch die hohe Werthaltigkeit der Maschinen. Schaut man sich in den einschlägigen Portalen nach gebrauchten Extras um, sind selbst bei längerer Haltedauer allzu große Abschläge nicht zu befürchten. Die meisten gebrauchten Extras weisen zudem geringe Gesamtzeiten auf – bei etwa 20-minütiger Dauer für eine Kunstflugsession nicht erstaunlich. Selbst 300er älteren Datums fallen da nicht aus der Reihe, mitunter haben sie eine Motorüberholung hinter sich. Bei 1400 Stunden liegt hier die TBO.

An der Werthaltigkeit dürfte sich auch bei den aktuellen Modellen nicht viel ändern. Für Wartung und Instandhaltung bei normalem Einsatzvolumen eines Kunstflugzeugs veranschlagt Hochheim jährlich etwa 5000 Euro Rücklagen, inklusive Motor. Etwa 30 Neubauten verlassen das Werk per annum, gebaut wird ausschließlich auf Bestellung gegen eine Anzahlung von zehn Prozent des Vertragspreises. Nur drei bis sechs Monate darf es von da an in der Regel bis zur Auslieferung dauern. „Der größte Schritt unserer Kunden ist die Entscheidung, sich so ein Flugzeug zu gönnen“, sagt der Vertriebsleiter. Sei die gefallen und der Auftrag heraus, mache sich verständliche Ungeduld breit. Um die Kundschaft nicht unnötigem Verdruss auszusetzen, bedarf es eingespielter Abläufe angesichts der hohen Fertigungstiefe. Außer den Motoren, Propellern und Instrumenten entsteht fast alles in Eigenproduktion – selbst die Kabelbäume der Flugzeuge flechten die Hünxer selbst. Zugeliefert werden sonst nur die Felgen und die Bremsanlage sowie das Glas für die Cockpithaube.

In der Halle, in der die Vorproduktion abläuft, steht an der Stirnwand fast ein Dutzend fertiger Stahlrohrrümpfe. Einen weiteren hat der Mitarbeiter mit dem WIG-Schweißgerät gerade waagerecht auf Arbeitshöhe vor sich. Das Rohmaterial wird als Stahlrohr mit der schlichten Materialbezeichnung 1.7734 angeliefert, bereits der Zuschnitt der einzelnen Stücke erfolgt hier. Vor dem Durchgang zur Montagehalle arbeitet jemand an einem Leitwerk – ein paar Meter weiter rechts steht noch ein aufgebockter Stahlrohrrumpf nebst Rumpfschalenteilen einer Cowling, deren aufgeklebter Laufzettel die Teile einer EA300 zuweist. 

Auch das Vorhalten von Ersatzteilen ist wichtig für eine hohe Kundenzufriedenheit. Die hohe Spezialisierung, die der kleine Betrieb von jedem Mitarbeiter fordert, mag diese mit berechtigtem Stolz erfüllen – abgehoben indes ist hier, trotz der Jobs bei einem Flugzeugbauer von Weltrang, niemand. Keine hektische Betriebsamkeit bricht aus, wenn Christian Hochheim mit einem Journalisten im Schlepp durch die Abteilungen geht – nicht mal der Eintritt des Firmenchefs bringt erkennbare Beunruhigung. Die Mitarbeiter, so wirkt es, konzentrieren sich sehr auf die Aufgabe vor ihnen; wird man registriert, erntet man einen kurzen, freundlichen Gruß, schon vertieft sich jeder wieder in seinen Job. In der Montagehalle sind drei Mitarbeiter mit dem Einbau von Cockpitteilen und dem Anbringen der Rumpfschalen an einer EA330SC beschäftigt. Daneben stecken zwei Kollegen die Köpfe über den Uhren eines Messkoffers zusammen, der zum Instrumentencheck auf der Fläche einer EA300 steht – der Flugzeugentwickler und Hersteller ist zugleich auch Wartungsbetrieb, nicht nur für Kunstflugzeuge, auch für Fremdfabrikate und die Reisemaschinen EA400 und EA500. Alles läuft Hand in Hand.

Trotz himmelstürmender Produkte ganz geerdet – das charakterisiert den kleinen Hightech-Betrieb vielleicht am treffendsten. Deutscher Unternehmergeist, Innovationsfreude und solides Handwerk at it‘s best.

aerokurier Ausgabe 05/2016

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